wissen.de Artikel

Information-Superspreader auf Social Media

Informationen verbreiten sich auf Social-Media-Plattformen in rasender Geschwindigkeit. Eines der Phänomene, welches die blitzschnelle Weitergabe von Informationen antreibt, sind Superspreader – also Nutzer, deren Posts besonders viele Menschen beeinflussen. Doch was macht eine Person zum Superspreader? Was sind die Vor- und Nachteile der schnellen Informationsweitergabe im Netz? Und wie lässt sich Wissen über hocheinflussreiche User nutzen, um Fake News zu verhindern?
THE, 24.04.4014
Symbolbild Infospreader im Internet

© metamorworks, iStock  

In den weltweiten TikTok-Feeds erscheinen schon lange nicht mehr nur unterhaltsame Tanz-Clips und witzige Videos. Gerade politischer Content ist derzeit hoch im Kurs. Vorne mit dabei: die Alternative für Deutschland. Die Videos der rechtspopulistischen Partei erreichten zwischen Januar 2022 und Dezember 2023 im Schnitt 430.000 Impressionen pro Video und hängten damit alle anderen Parteien ab. Zum Vergleich: Die FDP erreichte etwa 50.000 Impressionen pro Woche, alle anderen Parteien hinken noch weiter hinterher.

Ein Grund für den TikTok-Erfolg der AfD könnte die Neigung der Partei zu einfachen Aussagen sein – denn Komplexität zieht auf der Kurzvideo-Plattform eher selten, weil auf TikTok die Informationen im Sekundentakt fließen. „Moderne Kommunikationstechnologien und Soziale Medien haben die Art und Weise, wie sich Informationen in menschlichen Gesellschaften verbreiten, radikal verändert“, gibt auch Fang Zhou von der Universität für Elektronik und Technologie im chinesischen Chengdu zu bedenken.

Fake News und Polarisierung

Die rasante Verbreitung von Informationen im Netz birgt zahlreiche Gefahren für die Demokratie. Das wohl bekannteste Problem: Fake News. Denn anders als bei Tageszeitungen, Radiostationen oder anderen Nachrichtensendern gibt es bei Sozialen Medien keine Instanz, die die Informationen auf inhaltliche Richtigkeit prüft, bevor sie veröffentlicht werden. Deshalb verbreiten sich Fehlinformationen wie „Merkel sagt: Deutsche müssen Gewalt von Ausländern akzeptieren“ in Minutenschnelle im Internet und richten dort Schaden an, indem sie Menschen diskreditieren, Fakten verdrehen oder einfach nur frei erfunden sind.

Auch inhaltlich korrekte, aber unkontrollierte Informationen, die sich über Soziale Medien verbreiten, können Probleme schaffen, denn häufig zeigen Soziale Medien ihren Nutzern nur Inhalte, die ihre aktuelle Meinung bestätigen. So würden beispielsweise Abtreibungsgegner ausschließlich Informationen angezeigt, die auf die Rechte der ungeborenen Kinder pochen, während Abtreibungsbefürworter eher Artikel und Posts über das Recht der Frau zur Bestimmung über den eigenen Körper angezeigt bekommen. Das Problem: So verstärkt sich das eigene Weltbild auf beiden Seiten der Debatte und die jeweiligen Positionen verhärten sich immer mehr. Das kann zur Polarisierung in Gesellschaften führen.

Schneller Informationsfluss hat auch Vorteile

Doch die rasante Verteilung von Informationen kann auch Vorteile haben. Der schnelle Informationsfluss in Sozialen Medien kann während von Umweltkatastrophen oder anderen großflächigen Tragödien sogar Leben retten. Beispielsweise während des Hochwassers im Ahrtal: Als die Flut die Menschen vor Ort überraschte, konnten sich die Betroffenen dank Social Media gegenseitig in Echtzeit über aktuelle Lageinformationen informieren – etwa an welchen Ort man sich in Sicherheit bringen kann oder, wo die Strömung derzeit besonders stark ist.

Und nicht nur das: Häufig werden über Soziale Medien außerdem Informationen verbreitet, die den Nutzenden ein gesundes, glücklicheres Leben ermöglichen. Beispielsweise verbreitet der Arzt @doc.felix auf TikTok gesundheitsrelevanten Content, etwa zu der Frage, wie gesunde Ernährung geht oder wie zuckerarmes Essen trotzdem lecker schmeckt. Verschiedene Wissenschaftskanäle auf X – ehemals Twitter –, Instagram und Co tragen derweil zum gesteigerten Vertrauen in die Wissenschaft bei. Und bei derart wichtigen Themen gilt – je mehr Einfluss die Content-Creator haben, desto besser.

Accounts mit starkem Einfluss

Angesichts des massiven Einflusses von Sozialen Medien auf die Entscheidungsfindung zahlreicher Menschen versuchen Wissenschaftler, den Strukturen und Dynamiken des Informationsverbreitungsprozesses auf den Grund zu gehen. Eine zentrale Frage dieser Forschung: Was macht Menschen oder Accounts aus, die einen besonders starken Einfluss haben? Denn wenn man diejenigen Individuen identifizieren kann, die Informationskaskaden hervorrufen, ließe sich unter anderem effektiver gegen Falschinformation vorgehen.

Bisher gingen Forscher davon aus, dass vor allem eine hohe Anzahl von Followern dazu führt, dass die Accounts von Individuen besonders einflussreich sind. Diese Personen werden Knotenpunkt-Personen genannt. „Aus diesem Grund konzentrieren sich die meisten Studien auf die überproportionale Rolle der stark vernetzten 'Knotenpunkt-Personen'", kommentieren Fang Zhou und sein Team. Doch laut den Forschern ist dies nur die halbe Wahrheit.

Einflussreiche Superspreader haben beeinflussbare Follower

Um genauer zu verstehen, wie sich Informationen bei Social Media verbreiten, untersuchten Fang Zhou und sein Forschungsteam, wie diese von Individuum zu Individuum fließen. Ihre These: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person auf Social Media ihre Botschaft erfolgreich an eine andere überträgt, hängt von zwei Dingen ab: Zum einen von der Wahrscheinlichkeit, dass die Informations-Quelle überhaupt Posts verfasst und die Informationen weiterreicht. Zum anderen von der Wahrscheinlichkeit, dass Follower die Informationen der Posts auch glauben, beziehungsweise sich von ihnen beeinflussen lassen.

Mithilfe der Daten von Millionen von Nutzern aus den Social-Media-Plattformen X und Weibo testeten die Forscher ihre These. Das Ergebnis: „Informations-Superspreader in Sozialen Medien lassen sich besser durch die individuellen Verhaltensmerkmale der Individuen vorhersagen, als durch die Zentralität im Verbreitungsnetzwerk“, erklären die Forscher. Insbesondere bestimmen laut den Forschern genau wie vermutet der Einfluss der Postenden und die Beeinflussbarkeit der Follower die Wahrscheinlichkeit der Informationsverbreitung. Ganz besonders einflussreich waren außerdem diejenigen Nutzer, deren Follower ebenfalls einflussreiche Accounts innehatten.

Falschinformation auf Social Media verhindern

Wenn Politiker oder andere Entscheidung derzeit in Sozialen Netzwerken eingreifen, um die Verbreitung von Fehlinformationen einzudämmen, basiert die Art des Eingriffes auf der etablierten Informations-Superspreader-Theorie – dass bestimmte Knotenpunkt-Personen mit besonders vielen Followern den höchsten Einfluss auf die Meinungen der Bevölkerung haben. So fordert beispielsweise der deutsche Verein Campact, die TikTok-Konten erfolgreicher AfD-Politiker zu sperren.

Diese Erkenntnisse könnten es Politikern und Gesetzgebern jedoch ermöglichen, effektiver gegen Desinformation im Netz vorzugehen und so beispielsweise die Verbreitung von Fake News zu verlangsamen, einzudämmen oder sogar größtenteils zu stoppen. Beispielsweise ließen sich „hochansteckende“ Verbindungen, also solche, die einflussreiche und anfällige Nutzer verbinden, identifizieren und, indem man die individuelle Position und das Verhalten einer Person im sozialen Netzwerk identifiziert, durch gezielte Maßnahmen beeinflussen.

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Wahrig Fremdwörterlexikon

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Bereich Gesundheit A-Z

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch