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Petrochemie: Mehr als Benzin

Wem verdanken wir das Erdöl?

Vor allem Pflanzen, die vor Jahrmillionen auf der Erde wuchsen. Erdöl – und Erdgas ebenfalls – ist ein sog. fossiler Brennstoff: Es entstand vor mehr als 100, teilweise sogar vor über 250 Millionen Jahren durch die äußerst langsam ablaufende Zersetzung von urzeitlichem organischem Material wie Pflanzen, Plankton oder Mikroorganismen unter Druck und unter Ausschluss von Sauerstoff; die genaue Bildungsweise ist noch nicht entschlüsselt. Vom Ort der Entstehung (dem Erdölmuttergestein) wanderten Öl und Gas unter dem Druck der Erdkruste in poröse Speichergesteine, die von undurchlässigen Schichten umgeben sind. Günstige Orte für die Entstehung der heutigen Lagerstätten waren abgeschlossene, flache Meeresbuchten und Lagunen des Erdmittelalters.

Für die chemische Industrie ist Erdöl heute ein unverzichtbarer Rohstoff. Zuerst entwickelte sich die Petrochemie zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg in den USA, wo dieser Rohstoff preiswert zur Verfügung stand. Die chemische Industrie in Europa zog nach, als ab 1950 die riesigen Ölfelder im Nahen Osten erschlossen wurden. Erdöl und Erdgas werden durch Bohrungen in die Lagerstätten aufgespürt und mithilfe des Eigendrucks oder durch Einpressen von Wasser oder Luft an die Oberfläche befördert. Da die meisten Lagerstätten weit von den Raffinerien und Verbraucherländern entfernt sind, wird Erdöl mit riesigen Tankschiffen oder über Rohrleitungen (Pipelines) über weite Strecken transportiert. Erdgas leitet man vor allem durch Pipelines, es kann aber auch bei tiefen Temperaturen verflüssigt und dann in Schiffen verfrachtet werden.

Lassen sich Medikamente aus Erdöl herstellen?

Ja, denn aus Erdöl kann man den Alkohol Ethanol gewinnen, der unter anderem zu Arzneimitteln weiterverarbeitet wird. Doch bevor es so weit ist, müssen die einzelnen Bestandteile des Rohöls in einem aufwendigen Prozess voneinander getrennt werden.

Der erste Schritt ist die Destillation, bei der man je nach Temperatur unterschiedliche Produkte erhält: Der bedeutendste Rohstoff der Petrochemie, das Naphtha (Rohbenzin), scheidet sich bei 70–140 °C ab. In Steamcrackern (Röhrenspaltöfen) petrochemischer Anlagen werden die vergleichsweise großen Moleküle des Naphthas in Anwesenheit von Wasserdampf bei 750–850 °C »gecrackt«, das heißt in deutlich kürzere Kohlenwasserstoffverbindungen aufgespalten. Hauptbestandteile des solcherart aufbereiteten Ölgemischs sind nun unter anderem Ethylen (Ethen), Propylen (Propen), Buten und Butadien. Außerdem fallen flüssige aromatische Kohlenwasserstoffe wie Benzol, Toluol und Xylol an. Schließlich entsteht auch Synthesegas, ein Gasgemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff, aus dem beispielsweise Methanol, Ammoniak und Essigsäure produziert werden.

Das Gemisch der Crackprodukte wird durch aufwendige Verfahren weiter getrennt: Durch nochmalige Destillation kann man die Bestandteile mit unterschiedlichen Siedepunkten, durch Extraktion mit differierenden Löslichkeiten und durch Molekularsiebverfahren nach ihrer Molekülgröße trennen. Die dabei gewonnenen Olefine und Aromaten sind heute die wichtigsten Ausgangsstoffe der chemischen Industrie.

Wie lange reichen die Erdölvorräte noch?

Das ist nicht genau zu sagen. Doch heute können deutlich mehr Lagerstätten erschlossen werden, als zunächst möglich erschien. Denn wegen des gestiegenen Rohölpreises lohnt es sich inzwischen, auch schwierig zu erschließende Vorkommen auszubeuten. Zudem haben technischer Fortschritt und neue geologische Erkenntnisse die Möglichkeiten der Prospektoren, neue Lagerstätten zu finden, enorm ausgeweitet.

Deshalb ist trotz zunehmenden Verbrauchs die Menge der weltweiten Erdölreserven in den letzten Jahrzehnten angestiegen: Fürchtete man 1940, die Ölquellen würden in den 1960ern versiegen, waren 1961 Lagerstätten für weitere 38 Jahre nachgewiesen. Heute würden die bestätigten Reserven die Versorgung über 40 Jahre lang sichern. Nimmt man vermutete und unsichere Vorkommen dazu, dürfte sich eine noch um einige Jahrzehnte längere Reichweite ergeben. Optimistische Schätzungen errechnen sogar eine potenzielle Reichweite von über 200 Jahren – dies jedoch nur bei sparsamem Wirtschaften und einem deutlich gebremsten Bevölkerungswachstum.

Weshalb ist Schwefel in Erdölprodukten unerwünscht?

Schwefel im Benzin beispielsweise würde Abgaskatalysatoren vergiften. Außerdem entstehen bei seiner Verbrennung die giftigen Gase SO2 und SO3, die als Luftschadstoffe Smog hervorrufen. Mit Wasser bildet sich aus diesen Gasen Schwefelsäure, die ätzend wirkt sowie Material- und Umweltschäden verursacht. Die Entschwefelung findet in sog. Hydrofiner-Anlagen statt. In ihnen werden die Erdölfraktionen unter Druck erhitzt und mit Wasserstoff umgesetzt. Unter der Wirkung eines Katalysators entsteht dabei Schwefelwasserstoff, H2S. Auch dies ist ein hochgiftiges Gas, das jedoch in der Anlage aufgefangen und wieder zu elementarem Schwefel umgesetzt werden kann.

Wussten Sie, dass …

es auch Erdgas aus nichtbiologischen Quellen geben soll? Es soll sich in den Tiefen der Erde befinden und zum Beispiel bei Erdbeben an die Erdoberfläche treten.

die Zusammensetzung von Erdöl vom Fundort abhängt? So enthält Nordseeöl beispielsweise nur 0,3 % Schwefel, Erdöl aus Venezuela jedoch 2,7 %.

die petrochemische Industrie weltweit 7 bis 8 % des geförderten Rohöls verarbeitet? Das sind 3,4 Milliarden Tonnen pro Jahr.

der größte Steamcracker der Welt in Texas steht? Hier entstehen jährlich 820 000 Tonnen Ethylen (Ethen) und 880 000 Tonnen Propylen (Propen).

auch in Niedersachsen Erdöl und Erdgas gefördert werden? Die Erdölwerke Barnstorf verarbeiten einen bedeutenden Anteil der heimischen Produktion.

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