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Populismus – Was ist das eigentlich?

Ob die AfD in Deutschland, Donald Trump und der Trumpismus in den USA oder Victor Orbán in Ungarn: Der Rechtspopulismus liegt im Trend. Bei uns, aber auch in anderen Ländern bekommen Politiker und Parteien Zulauf, die als "populistisch" gelten. Doch was verbirgt sich konkret hinter diesem Begriff? Welche Merkmale und Ziele haben diese Gruppierungen gemeinsam? Und welche Folgen hat vor allem der Rechtspopulismus für die Demokratie?
THE, 11.04.2024
Symbolbild Populismus

© Animaflora, iStock

Bei den Demonstrationen gegen die AfD protestierten teilweise hunderttausende Menschen auf den Straßen deutscher Städte. Die wachsende Ablehnung gegenüber der Partei erreichte Anfang Januar 2024 ihr Maximum, als das Medienunternehmen Korrektiv eine schockierende Recherche veröffentlichte: „Hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer kamen im November in einem Hotel bei Potsdam zusammen. Sie planten nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland“, heißt es im Teaser-Text der Veröffentlichung.

Zwar wird die AfD schon seit Längerem kritisch beäugt, doch seit der Veröffentlichung der Korrektiv-Recherche wird das Verlangen nach einem Verbot der Partei immer lauter. Ein Argument dafür: Drei der AfD-Landesverbände gelten bereits als „gesichert rechtsextremistisch“. Auch der Bundespartei wird von fast allen Seiten Rechtspopulismus vorgeworfen. Populistisch, rechtspopulistisch, rechtsextrem – diese Begriffe werden ständig in der Debatte um die AfD, aber auch für Parteien und Gruppierungen in anderen Ländern genutzt. Doch was genau sagt diese oder jene der unterschiedlichen Begrifflichkeiten genau über die Partei aus?

Populismus als Symptom in Krisenzeiten

Das Wort Populismus kommt ursprünglich aus dem Lateinischen "populus", das Volk. Populistische Parteien wollen also zumindest theoretisch den Volkswillen umsetzen. Dabei tritt Populismus heutzutage besonders in Krisenzeiten auf: Wenn es beispielsweise die Wirtschaft stagniert, die Arbeitslosenquote steigt, oder sich Krisen verschiedenster Art zusammentreffen, wie beispielsweise zurzeit der Ukrainekrieg, der Nahostkonflikt, das Problem der Energieversorgung und die Nachwehen der Corona-Pandemie.

In derart schwierigen Phasen verlieren viele Menschen Vertrauen in die etablierte Politik und der Wunsch nach direkter Mitbestimmung steigt. „Daher ist Populismus auch immer ein Symptom“, sagt dazu Paula Diehl vom Bundesverband für politische Bildung. In derartigen Zeiten könnte Populismus durchaus positive demokratische Impulse setzen – beispielsweise, indem mehr Kontrolle durch die Bürger, mehr Transparenz oder mehr Partizipationsmöglichkeiten gefordert werden. Auch könnte die politische Teilhabe steigen.

Einfache Lösungen

Doch leider passiert häufig das genaue Gegenteil: Statt realistische, differenzierte Lösungen für aktuelle Probleme zu präsentieren, nutzen Populisten die allgemeine Unzufriedenheit und Verunsicherung oft eher aus, um einfache, aber nicht wirklich zielführende oder umsetzbare Lösungen zu präsentieren. Ziel ist es dabei in erster Linie, die eigenen politischen Ziele durchzusetzen – unabhängig davon, ob dies im Interesse ihrer Wähler oder gar der kompletten Bevölkerung liegt.

So hat die AfD beispielsweise den Austritt Deutschlands aus der EU ins Gespräch gebracht – und das, obwohl sich fast alle Experten einig sind, dass dies verheerende Folgen hätte: „Ohne die EU steht das deutsche Exportmodell unmittelbar vor dem Kollaps“, sagt der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Welche Folgen ein solcher "Dexit" hätte, illustriert nicht zuletzt Großbritannien, dem der Brexit große wirtschaftliche Verluste einbrachte. Ähnlich simplifiziert und irreführend ist die Behauptung vieler populistischer Gruppierungen: Man müsse nur die Einwanderung verhindern, um alle derzeitigen Probleme zu lösen.

Wir-hier-unten gegen Die-da-oben

Als Teil der einfachen Antworten auf eigentlich komplexe Probleme suchen Populisten oft einen Sündenbock, den sie für die aktuellen Probleme verantwortlich machen. Das können Migranten oder Menschen mit "woker" Einstellung sein, aber gerne auch die vermeintlich "bösen Eliten", die den idealisierten, guten Bürger ausnehmen. So vermitteln Populisten ein Wir-da-unten gegen Die-da-oben-Weltbild und schüren dabei eher Ängste und Vorurteile, statt Lösungen zu bieten.

Das kann gefährlich werden: „Durch die extreme Vereinfachung, die Schwarz-Weiß-Malerei und das Denken in Gegensätzen kann der Populismus die politische Debatte dermaßen polarisieren, dass der notwendige Meinungsaustausch innerhalb der Demokratie nicht mehr möglich ist“, erklärt Paula Diehl. Die Folge: Unterschiedliche Meinungen werden nicht mehr geschätzt und der Dialog mit Gleichgesinnten verstärkt die eigene Meinung. Im schlimmsten Fall kann dies zu politischer Radikalisierung führen, in der Menschen mit anderen Ansichten zu Gegnern mutieren.

Der Unterschied zwischen Rechtsextremismus und Populismus

Dabei gibt es Unterschiede zwischen Populismus und Rechtsextremismus. Der zentrale Unterschied ist die Definition des Begriffs "Volk". Der Populismus idealisiert das Volk. Rechtsextremismus geht noch einen Schritt weiter und definiert das Volk: In diesem Weltbild existiert das eigentliche Volk sowie ein Angreifer, vor denen das Volk geschützt werden muss. Häufig sind diese „Angreifer“ Menschen mit anderer Herkunft oder anderen Einstellungen als die Mehrheit, wie beispielsweise Migranten, Homosexuelle, Muslime oder Juden. Doch dieses Weltbild ist antidemokratisch. Denn ein Grundpfeiler der Demokratie ist das demokratische Gleichheitsprinzip: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Diesem demokratischen Grundwert widerspricht die rechtsextreme Volk-gegen-Angreifer-Logik.

Wenn sich dann die populistische Wir-gegen-die mit der rechtsextremen Volk-gegen-Angreifer-Logik mischt, kann sie rechte bis rechtsextremistische demokratiefeindliche Ideologien salonfähig machen. Das nennt man dann Rechtspopulismus. „Hier wird die Kritik an der Demokratie nicht zum demokratischen Korrektiv, sondern zur antidemokratischen Haltung“, sagt dazu Diehl. Das gilt auch als eine Erklärung für das Erstarken der AfD in Deutschland: Deren Vertreter nutzen die Verunsicherung vieler Bürger, versprechen ihnen einfache, unrealistische Lösungen und verbreiten dabei undemokratisches Gedankengut.

Rechtspopulismus entgegentreten

Ob in den Hasskommentaren auf Social Media oder beim unangenehmen Osteressen mit dem rechtsgerichteten Verwandten – nicht selten begegnet man derzeit populistischen Aussagen. Und gerade weil Rechtspopulismus so gefährlich ist, kann es sinnvoll sein, dem entgegenzutreten. Aber wie? Vor allem gilt: Ruhig und sachlich bleiben und selbst gut informiert sein. Dann kann man sich die rechtspopulistischen Argumente anhören, Ungereimtheiten in der Argumentation aufzeigen und deren Fakten hinterfragen.

Laut einer Umfrage des ifo Instituts schätzen Rechtspopulisten viele Bedrohungen beispielsweise eine zunehmende Armut durch die offenen Grenzen der EU für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräfte als wesentlich zu hoch ein. „Wer populistischen Tendenzen entgegenwirken will, sollte diese überschätzte Armuts-Wahrnehmung mit kluger Information korrigieren und nicht noch in dieselbe Kerbe der Fehlinformation schlagen“, empfiehlt deshalb auch Marcel Thum, Leiter der ifo-Niederlassung in Dresden.

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