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Acetylsalicylsäure? Kennt doch jeder!

Die Urheberschaft des Aspirins® ist umstritten. Sicher ist, dass ihr Wirkstoff, die Acetylsalicylsäure, zu den wichtigsten Arzneimitteln der modernen Medizin gehört. Das hat auch die Weltgesundheitsbehörde vor nunmehr 35 Jahren erkannt und die vielleicht berühmteste Kopfschmerztablette der Welt auf die "Liste der unentbehrlichen Arzneimittel" gesetzt. Weniger bekannt ist dagegen, dass die Acetylsalicylsäure lange vor ihrer erstmaligen chemischen Herstellung am 10. August 1897 auf natürlichem Wege gewonnen und als Allheilmittel verwendet wurde. Oder hätten Sie's gewusst?
von Susanne Böllert, wissen.de

Wussten Sie schon, dass ein Baum Acetylsalicylsäure produziert?

Acetylsalicylsäure
wissenmedia, Gütersloh

Die Weide, lateinisch "Salix", enthält in ihrer Rinde das Glykosid Salicin sowie Salicinderivate. Diese Inhaltsstoffe werden im Körper zu Acetylsalicylsäure verstoffwechselt, demselben Wirkstoff, den man heute synthetisch für das Medikament Aspirin herstellt. Lange, bevor die berühmte Kopfschmerztablette auf den Markt kam, haben die Menschen Weidenrindentee sowie -tinkturen zur Behandlung von Fieber, Erkältungskrankheiten und Kopfschmerzen eingesetzt. So soll zum Beispiel der berühmte griechische Arzt Hippokrates (460-ca. 375 v. Chr.) Extrakte aus der Weidenrinde als schmerzstillendes Mittel bei Geburtswehen verabreicht haben. Auch Römer, Germanen und Kelten kannten die heilende Wirkung des bitter schmeckenden Weidenrindentranks.

 

Wussten Sie schon, wer erstmals die Acetylsalicylsäure synthetisierte?

Nach eigenen Angaben und denen der Firma Bayer war es der junge deutsche Chemiker Felix Hoffmann, dem es 1897 erstmals gelang, die Salicylsäure zu acetylieren - und damit Aspirin herzustellen. Als Antrieb für den im Werk Wuppertal-Elberfeld der Farbenfabriken (vormals Friedrich Bayer & Co.) angestellten Chemiker diente die Krankheit seines Vaters. Dieser litt seit Jahren an einer schmerzhaften rheumatischen Arthritis, die er mit Natriumsalicylat zu bekämpfen suchte. Doch müssen die Nebenwirkungen wie Mund- und Magenschleimhautreizungen sowie Brechreiz so stark gewesen sein, dass der Kranke seinen Sohn gebeten haben soll, ein neues Medikament zu entwickeln.

 

Wussten Sie schon, dass der Jude Arthur Eichengrün ...

... die Erfindung des Aspirins® für sich beanspruchte? Tatsächlich soll Felix Hoffmann, Juniorpartner Eichengrüns, die Entdeckung während der Naziherrschaft zu Unrecht für sich beansprucht haben. Zwar sei es korrekt, dass Hoffmann als erster die Acetylsalicylsäure synthetisiert habe, dies allerdings nur unter seiner, Eichengrüns, Anleitung und nach Methoden, die Eichengrün zuvor selbst entwickelt habe. Dass Eichengrün diesen Umstand nicht aufklären konnte, führte der britische Wissenschaftler Walter Sneader nach eingehenden Recherchen darauf zurück, dass die Nazis den jüdischen Wissenschaftler mit erpresserischen Mitteln zum Schweigen brachten. Eichengrün kam später ins KZ und fand auch danach keine Gelegenheit mehr, die tatsächliche Urheberschaft des Aspirins® aufzuklären.

 

Wussten Sie schon, dass das Aspirin® nur zwei Jahre nach ...

... seiner Entdeckung bereits in den Handel kam? Schon 1899 begannen die Farbenfabriken mit der industriellen Produktion und dem Vertrieb des neuen Medikamentes in Deutschland. Da die Acetylsalicylsäure aber bereits vor ihrer synthetischen Herstellung durch Felix Hoffmann bekannt gewesen war, scheiterte die Anmeldung eines Patentes, doch konnte man das neue Arzneimittel am 1. Februar 1899 immerhin unter der Nummer 36433 und dem Namen "Aspirin®" als Warenzeichen anmelden. "A" steht dabei für "acetyl" und "spirin" für Spiraea ulmaria, eine salicylathaltige Pflanze, auch "Echter Mädesüß" genannt.

 

Wussten Sie schon, dass Aspirin nicht nur gegen Kopfweh hilft?

Aspirin®
Bigstockphoto.com/Scott
Tatsächlich hilft der Wirkstoff des Aspirin®, die Acetylsalycinsäure (ASS), auch bei rheumatischen Erkrankungen sowie Fieber. Außerdem hemmt er die Entstehung von Blutgerinnseln und wird daher seit einiger Zeit zur Vorbeugung von Herzinfarkten, Thrombosen und Embolien eingesetzt. Obwohl die therapeutische Wirkung von ASS schon oft beschrieben wurde, gelang es dem britischen Pharmakologen John R. Vane, erst 1971 den Mechanismus der Acetylsalycinsäure zu ergründen - mit dem Nachweis der Hemmung der Prostaglandinbiosynthese. Dafür erhielt Vane 1982 den Nobelpreis für Medizin.

 

Wussten Sie schon, dass zu den unentbehrlichen Arzneimitteln der WHO ...

... seit 1977 auch die Acetylsalicylsäure beziehungsweise das Aspirin® zählt? 2003 hat die Weltgesundheitsorganisation das Bayer-Medikament gleich dreimal in die "Liste der unentbehrlichen Arzneimittel" aufgenommen. Die Auswahlkriterien waren Wirksamkeit, Verträglichkeit, weltweite Verfügbarkeit und der Preis. In allen Punkten konnte sich die Acetylsalicylsäure (ASS) für drei Anwendungsgebiete qualifizieren: bei akuten Migräneattacken, bei Schmerz und zur Vorbeugung von häufig tödlichen Gefäßverschlüssen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Die Liste der WHO beinhaltet "Wirkstoffe, die den Anforderungen des medizinisch Notwendigen gerecht werden" und somit unverzichtbarer Bestandteil eines jeden Gesundheitssystems sind.

 

Wussten Sie schon, dass 50.000 Tonnen Acetylsalicylsäure ...

... weltweit im Jahr hergestellt werden? Diese Zahl stammt aus Veröffentlichungen der Bayer AG. Im Geschäftsjahr 2011 betrug der Umsatz mit dem Dauerbrenner Aspirin® 440 Millionen Euro.

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