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Aktuelle Debatte: Warum ist Homöopathie umstritten?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass homöopathische Behandlungen künftig nicht mehr von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden sollen. Während einige diese Entscheidung bejubeln, hagelt es von anderen Seiten Empörung. Doch warum ist Homöopathie überhaupt so umstritten? Wie beliebt ist das Verfahren in Deutschland? Und was würde es bedeuten, Homöopathie zur Privatleistung zu machen?
AMA, 18.01.2024
Flasche mit homöopathischen Medikamenten (Globuli) des deutschen Herstellers Deutsche Homöopathie Union (DHU)

© ollo, iStock

Jeder Zweite in Deutschland hat schon einmal ein homöopathisches Arzneimittel ausprobiert – zum Beispiel in Form kleiner Globuli-Zuckerkügelchen, als Tropfen, Tabletten oder Salbe. Die alternativen Medikamente sollen gegen eine Vielzahl von Krankheiten und Beschwerden helfen, darunter Erkältungen, Prellungen, Zahnschmerzen und sogar Mittelohrentzündungen. Doch funktioniert das wirklich so einfach?

Kaffee gegen Schlaflosigkeit

Dass Homöopathie so umstritten ist, hängt vor allem mit ihren Grundprinzipien zusammen. Aufgestellt wurden sie Ende des 18. Jahrhundert von dem Arzt Samuel Hahnemann. Er ging davon aus, dass sich Ähnliches mit Ähnlichem heilen lässt. Daher auch der Name Homöopathie, der übersetzt so viel wie „ähnliches Leiden“ bedeutet. Hahnemann nahm an, dass sich Krankheiten mit Substanzen heilen lassen, die bei gesunden Menschen ähnliche Symptome wie die Krankheit hervorrufen. In anderen Worten: Was einen Gesunden krank macht, kann einen Kranken gesund machen. Dieser Logik folgend hilft beispielsweise Kaffee gegen Schlaflosigkeit.

Allerdings muss die fragliche Substanz – in der Regel pflanzliche, tierische oder mineralische Präparate – stark verdünnt werden, bevor sie als homöopathisches Heilmittel eingesetzt werden kann. Man spricht auch von Potenzieren. Je stärker die Potenzierung, desto stärker die Wirkung, so der Grundsatz der Homöopathie. Manche Mittel sind so stark verdünnt, dass sie kein einziges Molekül der mutmaßlich heilenden Substanz mehr enthalten.

Keine belegte Wirksamkeit

Auf den ersten Blick erscheinen diese Grundsätze nicht wirklich intuitiv und ziemlich gegensätzlich zu den Methoden der gewöhnlichen Medizin. Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen seriöser klinischer Studien wider, die die Wirkung homöopathischer Mittel untersucht haben. Keine von ihnen konnte belegen, dass Homöopathie effektiv gegen Krankheiten wirkt. Zwar gibt es auch einige Studien die der Homöopathie ein positives Zeugnis ausstellen, doch diese gelten unter Experten als qualitativ mangelhaft.

Einige Wissenschaftler und Ärzte stellen sogar in Frage, ob weitere Studien zur Wirkung homöopathischer Mittel überhaupt sinnvoll sind. Viele Mittel enthalten nach der Verdünnung schließlich keinerlei Wirkstoff mehr, dessen Wirksamkeit in einer Studie überprüft werden könnte. „Homöopathie zu untersuchen, das ist vor dem Hintergrund unseres heutigen Wissens fast so, als wollte man sicherstellen, dass sich hinter dem Mond kein Pumuckl versteckt“, sagt Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Warum schwören Menschen auf Homöopathie?

Doch wenn Homöopathie eigentlich keinen Effekt hat, wieso schwören dann so viele darauf und sind von der Wirksamkeit der Globuli überzeugt? Das hängt vor allem mit dem Placebo-Effekt zusammen. Wenn ich fest davon überzeugt bin, dass die Arnica-Globuli meine Prellung weniger schmerzhaft machen, dann kann allein diese Erwartungshaltung tatsächlich meine Schmerzen lindern. Viele von uns haben einen ähnlichen Effekt schon öfter als Kind erlebt: als Mama und Papa liebevoll auf die Schürfwunde gepustet und gesagt haben, dass alles wieder gut wird. Natürlich dürfte das Pusten logisch betrachtet nichts bringen, doch irgendwie hat die Wunde danach trotzdem viel weniger gebrannt.

Wie das Beispiel mit den liebevoll tröstenden Eltern zeigt, verstärkt es den Placebo-Effekt, wenn eine vertrauenswürdige Person einem die Wirksamkeit einer Behandlung zusichert. Und gerade bei ausgebildeten Homöopathen ist das Verhältnis zum Patienten häufig sehr eng. Anders als gewöhnliche Hausärzte, die aufgrund von Zeitnot oft nur kurz angebunden sind und einem ein Rezept für Antibiotika in die Hand drücken, lassen sich Homöopathen Zeit. Allein das Erstgespräch dauert in der Regel eine Stunde und beinhaltet viele Fragen zum Leben des Patienten, auch zu Arbeit und Familie.

So fühlt sich der zu Behandelnde ernster genommen und besser beraten als beim Hausarzt. Schon dadurch vertraut er dem Homöopathen, wenn er sagt, dass die Arnica-Kügelchen helfen werden. Hat man dann einmal die (Placebo-)Erfahrung gemacht, dass Globuli helfen, vertraut man auch zukünftig auf ihre heilsame Wirkung.

Sollte die Krankenkasse zahlen?

Man könnte hinsichtlich Globuli also einfach mit Sprichwörtern wie „Leben und leben lassen“ oder „Wer heilt, hat recht“ argumentieren. Wer an die Wirkung glaubt und bei harmloseren Erkrankungen wie einer Erkältung eine homöopathische Behandlung vorzieht, der soll das tun. Doch da wäre ein Problem: Wer bezahlt für Globuli und Co.?

Aktuell gehören homöopathische Mittel bei vielen Krankenkassen zu den übernommenen Leistungen. Das heißt, wenn ein Arzt Globuli verschreibt, können Patienten das Rezept in der Apotheke zu denselben Konditionen einlösen wie zum Beispiel ein Antibiotikum. „Es ist einfach ein Mittel der Kundenbindung. Homöopathie ist beliebt und die Kunden gehen eher zu der Kasse, die Homöopathie bezahlt“, sagt Windeler.

Viele Menschen finden das allerdings ungerecht. Ihr Argument: Sie möchten mit ihren Krankenkassenbeiträgen keine Behandlungen zahlen, deren Wirksamkeit klinisch nicht belegt ist. Dem hat sich nun auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angeschlossen. Auf X (ehemals Twitter) schrieb er: „Homöopathie macht als Kassenleistung keinen Sinn. Die Grundlage unserer Politik muss die wissenschaftliche Evidenz sein.“ Deshalb will Lauterbach Homöopathie nun als Kassenleistung streichen.

Eine Frage des Prinzips

Doch was würde sich ändern, wenn Patienten künftig selbst für ihre homöopathischen Mittel aufkommen müssten? Tatsächlich nicht so viel, denn schon heute bezahlen die meisten Kunden ihre homöopathischen Produkte selbst. Laut IQVIA Pharmascope wurden zuletzt nur rund zwei Prozent aller homöopathischen Mittel mit einem Kassenrezept in der Apotheke erworben. Das entspricht 0,1 Prozent der Summen, die gesetzliche Krankenkassen für Arzneimittel ausgeben. Hinzu kommen zwar noch Honorarausgaben für homöopathisch behandelnde Ärzte, doch selbst diese dürften Kassenpatienten nicht übermäßig belasten.

Dass Lauterbach sich nun gegen Homöopathie als Kassenleistung ausgesprochen hat, ist also weniger eine Frage der Finanzen, sondern eher eine des Prinzips. Denn wenn Globuli bei der Krankenkassen-Abrechnung genauso behandelt werden wie tatsächliche Medikamente, kann schnell der Eindruck entstehen, beide Varianten seien gleichwertig. Viele stehen in dieser Hinsicht hinter Lauterbach und finden es gut, dass „Pseudowissenschaften“ nicht länger als faktenbasierte Medizin vermarktet werden sollen.

Andere, darunter die Deutsche Homöopathie Union (DHU), sehen Lauterbachs Vorstoß allerdings kritisch. Die DHU sorgt sich, dass auf diese Weise die freie Entscheidung der Patienten sowie der Wettbewerb unter den Kassen eingeschränkt würde. Auch fürchten sie um die Zukunft kleiner homöopathischer Hersteller.

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