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Friedrich Nietzsche: Ein genialer Provokateur
War Nietzsche ein Wunderkind?
Zumindest konnte er als Junggenie gelten. Noch während des Studiums der evangelischen Theologie und Klassischen Philologie erhielt der sächsische Pfarrerssohn Friedrich Nietzsche (1844–1900) einen Ruf an die Universität Basel und knüpfte Kontakte zur Prominenz des deutschen Kulturlebens, darunter Rainer Maria Rilke. Eine lange Freundschaft verband ihn mit Richard Wagner, mit dem er aber später wegen dessen Hinwendung zum Christentum brach.
Nietzsche hatte alle intellektuellen Voraussetzungen für eine glänzende akademische Karriere. Doch sein unangepasster Geist war nicht geschaffen für das Leben eines normalen Philosophieprofessors an einer deutschen Universität. Exzentrisch und oftmals ungeschickt, wie er war, verdarb er es sich auch mit den Wohlmeinenden. Dahinter steckte auch seine Ablehnung von Mitleid und christlicher Nächstenliebe. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – er aufgrund körperlicher und seelischer Labilität immer wieder auf Hilfe angewiesen war.
Wie endete die Karriere des Philosophen?
Im Wahnsinn. Eine wohl durch Syphilis ausgelöste Hirnparalyse mündete 1889 in eine Krisis und fortschreitende geistige Umnachtung. Die letzten Lebensjahre verbrachte der Vereinsamte in Weimar bei seiner Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche. Ihre manipulativen Eingriffe in seine Schriften leisteten später fatalen Missverständnissen Vorschub.
Was machte ihn bekannt?
Bereits mit seiner Publikation »Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik« (1872), einer dem Einfluss Arthur Schopenhauers und Richard Wagners verpflichteten Polemik gegen das gängige Verständnis der griechischen Antike, machte sich Nietzsche die Fachwelt zum Gegner. Er warnte in seiner Schrift davor, dem Vorbild des »despotischen Logikers« Sokrates zu folgen und alles zu zerdenken. Vielmehr leitete er den kulturellen Fortschritt aus dem Zusammenwirken zweier Prinzipien ab: dem dionysischen, das seinen Ausdruck in kollektivem Rausch, Tanz, Ekstase findet, und dem apollinischen als »Vergöttlichung der Individuation«.
Seinen Beinamen »der Unzeitgemäße« verdankte Nietzsche seinen »Unzeitgemäßen Betrachtungen« (1873–1877), in denen er die »Bildungsphilister« beschimpfte und den zeitgenössischen Historismus als »historische Krankheit« schmähte.
In welcher Form verfasste Nietzsche seine Schriften?
Die unsystematische Darstellungsform in seinen Aphorismen- und Aufsatzsammlungen »Menschliches, Allzumenschliches« (1876), »Morgenröthe – Gedanken über die moralischen Vorurteile« (1881) und »Die fröhliche Wissenschaft« (1882) entsprach in idealer Weise Nietzsches Notizen in Skizzenbüchern und begünstigte wie nirgends sonst die Entfaltung seiner sprachlichen Meisterschaft.
Auch Nietzsches wohl bekannteste philosophische Dichtung, »Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen« (1883 bis 1885), griff auf die Aphorismenform zurück und avancierte zu einem der gewagtesten und einflussreichsten Werke der Zeit. Die berühmte Prämisse »Gott ist tot« konfrontiert den Menschen mit der Notwendigkeit, dem Weltgeschehen, das sich ohne Transzendenz und Ziel beständig wiederholt, einen Sinn zu geben – ein Affront gegen die Tradition des abendländischen Denkens, insbesondere gegen Kants Idealbild der Vernunft und gegen die christliche Heilserwartung. An die Stelle verbindlicher metaphysischer Wahrheit tritt bei Nietzsche ein heiter-amoralischer Pessimismus.
Wie kam das letzte Werk zustande?
Ein Fragment blieb Nietzsches geplantes Hauptwerk »Der Wille zur Macht«, von dem er selbst nur den ersten Teil herausgab (»Der Antichrist«, 1895). Der im Jahr 1901 postum erschienene, von den Nazis begeistert aufgenommene Rest trug die Handschrift seiner Schwester, die – munter fälschend und dazuerfindend – aus nachgelassenen Manuskripten der 1880er Jahre schöpfte: Grundgedanke ist auch dort eine Welt, die sich ohne Aussicht auf Erlösung in der ewigen Wiederkehr des Gleichen erschöpft.
Welche Wirkung hatte Nietzsche?
Es gab große Bewunderer, etwa die Autoren Stefan George, Franz Kafka, Robert Musil, Georg Trakl und nicht zuletzt Thomas Mann. Sein religiös-moralischer Nihilismus wurde von den Naturalisten, das Rauschhaft-Ekstatische von den Expressionisten gewürdigt. Doch aufgrund von Reizwörtern wie »Übermensch« oder »Wille zur Macht«, die fatal an die fehlgeleitete Rezeption Nietzsches durch den Nationalsozialismus erinnerten, wofür seine Schwester mit verantwortlich zeichnete, hat man Nietzsche nach 1945 lange abgelehnt.
Wussten Sie, dass …
die von Nietzsche vergeblich umschwärmte Schriftstellerin und Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé (1861 bis 1937) auch Rainer Maria Rilke faszinierte?
Nietzsche nach Antritt einer Professur in Basel seine deutsche Staatsbürgerschaft aufgab und seither staatenlos war?
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