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Hieronymus Boschs Jüngstes Gericht: Vision vom Weltenende
In welchem geistigen Klima entstand das Bild?
Als das Werk entstand, das vermutlich von Philipp dem Schönen, Herzog von Burgund und Brabant und späterer König von Kastilien, 1504 bei Bosch in Auftrag gegeben wurde, herrschte im Abendland eine allgemeine Hysterie: Selbst ernannte Propheten sagten das bevorstehende Weltenende voraus. Seuchen, Überschwemmungen oder Missgeburten wurden als Zeichen göttlichen Zorns gedeutet. Ein Zeitgenosse Boschs wagte gar die Prognose, dass von 30000 Menschen am Ende nicht mehr als zwei gerettet würden.
Die Mitteltafel in Boschs Flügelaltar zeigt dazu passend tatsächlich nur wenige, die von Engeln gen Himmel geführt werden. Der Rest der Menschheit scheint verloren. Die Kirche sah es als Hauptaufgabe an, die Menschen auf das Jüngste Gericht vorzubereiten. In zahllosen Büchern und Predigten wurden die endlosen Qualen der Verdammten beschrieben. Boschs Darstellung vom Ende der Welt ist somit ein Dokument des Zeitgeistes um 1500.
Welche Elemente prägen Boschs höllisches Szenario?
Boschs Vision vom letzten Tag der Menschheit und der Herrschaft des Bösen ist kleinteilig und grotesk, fantastisch, anziehend und abstoßend zugleich. Er malt eine Höllenfauna, bestehend aus Kröten, Ottern, Nattern sowie Drachen, und hält einen nicht enden wollenden Vorrat an Mischwesen bereit, bizarr verformte Menschentiere und Maschinen, welche den Menschen auf grausame Weise quälen. Der Künstler bricht dabei bewusst mit traditionellen Darstellungsformen: Der Einfluss Gottes ist reduziert, das Lager der Seligen verschwunden. Eingerahmt von einer Paradies- und einer Höllendarstellung schildert die Mitteltafel keinen dazwischen schwebenden Hoffnungszustand. Am Tag des Jüngsten Gerichts hat das Böse von der Erde bereits Besitz ergriffen. Aus der Vogelperspektive blicken wir auf eine Welt, in der nurmehr Chaos, Anarchie, Dunkel und Verwüstung herrschen. Nirgendwo finden wir Trost, die himmlische Sphäre Gottvaters ist weit entfernt.
Was zeigt der linke Flügel?
In aufgeklapptem Zustand schildert das Werk zur Linken das Leben von Adam und Eva im Paradies, deren Sündenfall und die Vertreibung. Der Garten Eden ist friedlich und leer, in der Mitte steht der Baum der Erkenntnis. Nicht nur das erste Menschenpaar erfährt Gottes gerechte Strafe, auch die abtrünnigen Engel Luzifers werden aus dem Himmel verstoßen.
Was ist auf dem Weltgericht zu sehen?
In dem obersten Feld des Mittelteils hält Christus Gericht. Während Posaunenengel zum letzten Appell blasen und Maria wie auch Johannes das Geschehen schweigend verfolgen, sehen wir die Apostel wild gestikulierend, als seien sie damit keinesfalls einverstanden. Die Sphäre des Himmlischen Gerichts ist der Erde entrückt, Gottes Gerechtigkeit kann die Welt nicht mehr erreichen, des Teufels grausamer Vollzug ist in vollem Gange.
Vor dem Betrachter breitet sich eine von Bränden und Zerstörung heimgesuchte Landschaft aus. Die Welt ist nurmehr ein nachtschwarzes Fegefeuer, Schauplatz von brutalen Massakern und Folterungen. Die Menschheit wird drangsaliert von Dämonen, merkwürdigsten Kobolden und Kopffüßlern oder Zwitterwesen aus Insekten, Schlangen, Reptilien, Fischen und Ratten. Dazwischen blitzt blankes Metall hervor, scharfe Messer und Spieße oder mobile Foltermaschinen mit skurriler Mechanik. Apathisch, vom Schmerz übermannt, haben sich die Menschen mit ihrem Schicksal abgefunden: Sie werden aufgespießt, gepfählt, verstümmelt oder in Obstpressen verrührt.
Wie ist die Hölle auf dem rechten Flügel gestaltet?
Die Darstellung der Hölle auf dem rechten Flügel ist das Schreckensbild ewiger Verdammnis. An der Pforte zur Hölle empfängt der Satan seine Beute. Riesige Ungeheuer verschlingen ihre Opfer – im Reich der Hölle geht es offenbar kaum schlimmer zu als auf Erden.
Wer war Hieronymus Bosch?
Bosch (um 1450–1516), Maler dämonischer Welten und Schreckensvisionen, wurde in 's Hertogenbosch geboren, wo er bis zu seinem Tod arbeitete. Vermutlich leitet sich sein Name von dem niederländischen Provinzstädtchen ab. Fern der Kunstzentren entwickelte er eine eigenwillige Bilderwelt, die Fantasien und Traumbildern keine Grenzen setzte. Seine Sittengemälde sind plakativ und verschlüsselt zugleich, abstrus und satirisch, bisweilen heiter, aber auch zeitkritisch und auf eine verblüffende Weise modern.
Wussten Sie, dass …
die Altarflügel mit Bavo und Jakobus zwei in den Niederlanden und Kastilien verehrte Heilige zeigen? Es ist wohl eine Anspielung auf den Auftraggeber, Philipp von Burgund und Flandern sowie seine Frau Johanna.
Boschs »moderner« Malstil den Surrealisten des 20. Jahrhunderts als Anregung diente?
News der Woche 1.11.2024
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