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Jesus von Nazareth: Ein Prophet mit weitreichender Botschaft

Wie verbrachte Jesus seine Kindheit?

Aufgewachsen ist Jesus vermutlich in Nazareth. Dieser Ort wird in den Evangelien mehrfach als sein Heimatort genannt. Die Evangelisten Matthäus und Lukas berichten allerdings, dass Jesus in Bethlehem geboren sei. Danach seien seine Mutter Maria und sein Vater Josef, ein Zimmermann, mit dem Kind nach Nazareth in Galiläa gezogen. Mit Sicherheit ist Jesus in einer religiösen Umgebung aufgewachsen, die Evangelien berichten von seiner Mizwa, die er im Alter von etwa zwölf Jahren beging. Wahrscheinlich gehörte Jesus als junger Mann der großen religiösen Bewegung der Pharisäer an. Darauf weisen einige der theologischen Diskussionen mit den konkurrierenden Sadduzäern hin, die in den Evangelien erwähnt werden. Weiterhin soll Jesus von Pharisäern gewarnt worden sein, dass er von den Römern als Unruhestifter gesucht würde.

Wie kam Christus zu seinen Jüngern?

Im Alter von etwa 30 Jahren traf Jesus auf Johannes den Täufer, von dem er sich taufen ließ und dessen religiöser Reformbewegung er sich anschloss. Johannes der Täufer predigte und verkündete das baldige Gericht Gottes und rief die Menschen zur Umkehr auf.

Vermutlich gewann Jesus die ersten Anhänger am See Genezareth. Er berief zunächst Fischer zu seinen Jüngern, darunter Petrus und Andreas, die in dem Ort Kapernaum am westlichen Ufer des Sees lebten. Petrus besaß dort mit seiner Frau und seiner Mutter ein Haus. Die Jünger betrachteten Jesus als ihren Lehrer und trugen nach seinem Tod seine Botschaft vom nahenden Reich Gottes weiter.

Wie zuverlässig sind die Evangelien?

Die Angaben der Evangelien bezüglich der Wege, die Jesus gezogen sein soll, sind historisch nicht zuverlässig, sondern symbolisch zu verstehen. Weder die überlieferte Zahl zwölf als Anzahl der Jünger geht auf Jesus selbst zurück noch die Bezeichnung »Apostel« (griechisch »Sendbote«). Die Zahl Zwölf soll auf die Zahl der Stämme Israels bei der Einwanderung in das gelobte Land verweisen.

War Jesus Christus der Sohn Gottes?

Die Bezeichnungen »Messias« (»Gesalbter«, griechisch »christos«) oder »Sohn Gottes« hat Jesus nicht für sich selber verwendet. Wohl aber haben ihn seine Anhänger, folgt man den Evangelien, so verstanden. So antwortet Petrus auf die Frage Jesu, was die Leute sagten, wer er sei: »Du bist Christus, der Sohn Gottes!«

In welchem Kontext stehen die Worte Jesu?

Die Predigten des Jesus von Nazareth fanden in einer Zeit statt, in der viele Prediger über das bevorstehende Reich Gottes und das Ende der Welt sprachen und dazu aufriefen, sich auf das Kommen Gottes vorzubereiten. Seine Kernsätze entsprechen der religiösen Tradition des Judentums: Das Doppelgebot der Liebe (»Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst«) und die »Goldene Regel« (»Was du willst, das dir die anderen tun, das tue ihnen«) waren nicht neu. Er diskutierte mit Pharisäern und Sadduzäern über die Auslegung der alttestamentlichen Gesetze. Die moderne historisch-kritische Forschung hat gezeigt, dass ein großer Teil der überlieferten Worte Jesu vermutlich gar nicht aus seinem Munde stammen, sondern das Produkt späterer theologischer Entwicklungen sind.

Wussten Sie, dass …

die volkstümliche Anrede »Rabbi«, mit der Jesus im Evangelium angesprochen wird, nahe legt, dass er tatsächlich Rabbiner war?

Jesus möglicherweise erst mit Johannes' gewaltsamem Tod begann, zu lehren und zu predigen?

Jesus in seinen Predigten in der Erwartung, das Ende der Geschichte sei gekommen, zur Buße aufrief?

Welche geschichtlichen Zeugnisse gibt es über das Leben von Jesus?

Weder die Geburt noch das genaue Todesjahr Jesu sind historisch gesichert. Eine der wenigen außerchristlichen Quellen ist der römische Geschichtsschreiber Tacitus (55 bis 115), der in seinem Bericht über den Brand Roms unter Kaiser Nero die dabei ausgelöste Christenverfolgung erwähnt. Er vermerkt, dass der Name »Christen« auf einen Mann namens »Christus« zurückgehe, der unter Pontius Pilatus zum Tode verurteilt worden war. Aber diese Bemerkung kann auch auf im Volk kursierende Gerüchte zurückgehen. Der jüdische Historiker Flavius Josephus berichtet von der Hinrichtung eines weisen Mannes namens Jesus.

Warum wurde der Prediger hingerichtet?

Offenbar wurde er von der römischen Besatzungsmacht als politischer Rebell gefürchtet. Historisch zutreffend ist die Angabe, dass Jesus zuletzt in das Zentrum des religiösen Lebens, in die Stadt Jerusalem gezogen ist. Ob er dort tatsächlich so triumphal einzog, wie es die Berichte der Evangelien wiedergeben, ist nicht belegt. Mit Sicherheit aber kam es dort zu seiner Festnahme und anschließenden Verurteilung. Die Art der Hinrichtung, die Kreuzigung, lässt darauf schließen, dass er als politischer Unruhestifter angeklagt und verurteilt wurde. Die Verhängung der Todesstrafe war ausschließlich der römischen Besatzungsmacht vorbehalten. Die religiöse Seite seiner Festnahme war eine Angelegenheit des jüdischen Synedrions, des obersten jüdischen Gerichts. In den letzten Jahren hat sich die Annahme gefestigt, dass der angebliche Ruf der jüdischen Menge vor dem Gericht, »Kreuzige ihn!«, den geschichtlichen Tatsachen nicht entspricht.

Warum entlastet das Evangelium Pilatus?

Offenbar wollten die Verfasser der Evangelien in einer Zeit, in der in Rom bereits christliche Gemeinden entstanden waren, die römische Besatzungsmacht von dem Vorwurf eines ungerechtfertigten Todesurteils entlasten. Entsprechend ist auch die Bemerkung des Pilatus, des römischen Statthalters, zu verstehen, er wasche seine Hände in Unschuld, denn er könne keine Schuld des Angeklagten feststellen.

Was machten die Jünger nach der Kreuzigung?

Die Anhängerschaft Jesu wurde nach dessen Hinrichtung zunächst in eine tiefe Krise gestürzt. Ein großer Teil seiner Anhänger floh nach Galiläa und in ihre Heimatorte. Wie es dazu kam, dass sie wieder nach Jerusalem zurückkehrten, ist nicht ohne weiteres nachzuvollziehen. Entscheidend war offensichtlich, dass nur drei Tage nach dem Tod ihres religiösen Führers das leere Grab entdeckt wurde. Jedenfalls berichten dies die Evangelien – mit Ausnahme des ältesten, des Markusevangeliums, dessen Berichte über die Auferstehung erst später hinzugefügt wurden.

Die Evangelien betonen immer wieder, dass schon früh von seiner Auferstehung erzählt wurde und er einzelnen Jüngern in Visionen erschien. So wird über Petrus berichtet, er sei aus Galiläa nach Jerusalem zurückgekehrt, weil eine Jesusvision ihn zur Umkehr bewegt habe. Er sammelte die Anhänger Jesu in Jerusalem und begann, unter den Juden zu missionieren. Über die Anfänge der neuen Glaubensgemeinschaft wissen wir aus historischen Berichten nur wenig. Offenbar bildete die so genannte Urgemeinde eine enge Gemeinschaft.

Wie entwickelte sich die christliche Lehre?

Die Apostelgeschichte des Lukas idealisiert die ersten Christen folgendermaßen: »Alle gläubig Gewordenen hatten alles miteinander gemeinsam. Sie verkauften ihren Besitz, ihre Habe und verteilten sie an alle, je nachdem einer bedürftig war. Täglich weilten sie einmütig im Tempel, brachen reihum in den Häusern das Brot und nahmen Speise zu sich in Fröhlichkeit und Schlichtheit des Herzens. Sie priesen Gott und waren […] beliebt.« Auch scheinen bereits die ersten Christen neue Mitglieder durch die Taufe aufgenommen zu haben. Wie Jesus blieben seine Anhänger zunächst dem jüdischen Glauben treu. Doch der Inhalt ihres Glaubens veränderte sich zusehends. Stand in der Predigt Jesu das Kommen des Gottesreiches noch im Zentrum, so wurde für die ersten Christen ein anderer Inhalt zentral: Jesus sei der kommende Messias, an dessen Wiederkehr und Heilsgewalt man glauben solle. Die neue Botschaft führte zur Trennung von der jüdischen Tradition. Inzwischen hatten sich in Griechenland, Kleinasien und sogar in Rom eigene Gemeinden gebildet. Als der Tempel in Jerusalem durch die Römer zerstört und viele Juden deportiert wurden, hatte die ehemalige Endzeitsekte längst eine neue Identität gefunden. Sie löste sich vom Symbol des zentralen Tempels in Jerusalem und feierte eigene Gottesdienste, in denen des Todes und der Auferstehung als Grund für die eigene Erlösung gedacht wurde.

Wie lässt sich das tatsächliche Geburtsjahr Jesu ermitteln?

Was die Lebensdaten Jesu angeht, so sind die Evangelien nicht genau. Angeblich wurde Jesus in Bethlehem unter einer besonderen Sternkonstellation geboren – dem »Stern von Bethlehem«. Astronomische Rekonstruktionen ergeben das Jahr 7 oder 6 vor der Zeitenwende als Geburtsjahr. Der zweite Hinweis, dass Jesus zur Zeit einer Steuerschätzung unter Kaiser Augustus geboren sei, lässt keine Rückschlüsse zu, denn ein solcher Erlass ist nicht bekannt. Wohl aber wurde, als Samaria und Judäa dem römischen Statthalter in Syrien unterstellt wurden, eine Zählung und Vermögensschätzung in diesen Provinzen vorgenommen. Dieses Ereignis fällt in das Jahr 6 nach der Zeitenwende.

Wussten Sie, dass …

Jesus bei seinem provokanten Einzug in Jerusalem, dem religiösen und staatlichen Zentrum Israels, wohl tatsächlich seinen eigenen Tod einkalkulierte?

Geißelungen zum üblichen Vorspiel bei römischen Hinrichtungen gehörten?

Jesus den bei römischen Kreuzigungen üblichen Betäubungstrank aus Myrrhe abgelehnt haben soll?

die Vergöttlichung des von der römischen Besatzungsmacht zum Tode verurteilten Aufständischen durch seine Jünger bei den gläubigen Juden Ärger erregte? Es kam zu einem Predigtverbot durch die jüdischen religiösen Autoritäten.

Northoff, Gehirn, Zeit, Wahrnehmung
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