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Manns Buddenbrooks: Aufstieg und Niedergang einer Familie
Wo spielt der Roman?
»Man saß im —Landschaftszimmer‹, im ersten Stock des weitläufigen alten Hauses in der Mengstraße, das die Firma Johann Buddenbrook vor einiger Zeit käuflich erworben hatte … Im Verhältnis zur Größe des Zimmers waren die Möbel nicht zahlreich … Durch eine Glastür ... blickte man in das Halbdunkel einer Säulenhalle hinaus, während sich linker Hand die hohe, weiße Flügeltür zum Speisesaale befand.« Dies ist der Schauplatz des berühmtesten Familienromans deutscher Sprache.
Wie spiegeln die Charaktere die Zeit?
Der 1901 erschienene Roman von Thomas Mann verbindet den gesellschaftlichen Wandel mit der Wesensart der einzelnen Familienmitglieder: Während der Firmengründer, der zu Beginn der Handlung rund 70-jährige Konsul Johann Buddenbrook, noch den Fortschrittsoptimismus und den Geschmack des frühen Biedermeiers verkörpert, ist sein gleichnamiger Sohn ein kühler Praktiker und Skeptiker; allerdings kündigt sich in seinem vorübergehenden geschäftlichen Misserfolg schon der Niedergang an.
Welche Rolle spielen die Enkel?
Im Mittelpunkt des Romans stehen die Charaktere und Lebensläufe der Enkelgeneration. Thomas, ein »später, komplizierter Bürger«, »modern und fragwürdig« (so in den »Betrachtungen eines Unpolitischen« charakterisiert), konsolidiert die Vermögensverhältnisse und bringt es zum Senator. Er fällt jedoch einem faulenden Zahn zum Opfer, und sein Bruder Christian, der seelisch schwer angeknackst ist, führt das unstete Dasein eines Bohemiens. Die liebenswerte, aber kindliche Antonie (genannt Tony) erlebt zwei gescheiterte Ehen. Als Einzige ist sie von Anfang bis Ende präsent und zudem die entschiedenste Verfechterin der Familientradition. Im Siechtum und frühen Hinscheiden ihrer Schwester Clara setzt sich die Tendenz des Niedergangs fort; er vollendet sich im Tod des jungen Hanno Buddenbrook, eines übersensiblen, lebensuntauglichen Träumers: Er stellt somit das genaue Gegenteil seines von beherztem Schaffensdrang erfüllten Urgroßvaters dar.
An den von der Mutter ererbten künstlerischen Ambitionen Hannos wird deutlich, dass der Verfall keineswegs nur ein negatives Phänomen ist: Der fortschreitenden Unfähigkeit der Akteure zur Bewältigung des Daseins steht eine Differenzierung ihres Bewusstseins gegenüber: ein Merkmal verfeinerter Lebensart, die in der heraufziehenden Ära des platten Materialismus obsolet wird.
Sind die Vorbilder für den Roman in Manns Familie zu suchen?
Nicht nur. Manns ironischer Abgesang auf einstige Noblesse gilt als abschließender Höhepunkt des realistischen bürgerlichen Romans im Stile Balzacs und Flauberts. Parallelen zur eigenen Familiengeschichte, vor allem die detailgetreue Schilderung lokaler Verhältnisse, verführten anfangs zur Interpretation als Schlüsselroman. Bald jedoch wurde klar, dass die »Buddenbrooks« den Horizont von »Lübeck als geistiger Lebensform« (so der Titel einer Rede Manns 1926) bei weitem übersteigen.
Behandelte Thomas Mann das Thema dieses Romans auch in anderen Texten?
Das Thema des Künstlertums als Gegenentwurf zur bürgerlichen Leistungsethik – verkörpert in Christian und Hanno Buddenbrook – hat Thomas Mann zeitlebens intensiv beschäftigt, bekanntestes Beispiel ist die in ähnlichen Kreisen angesiedelte Novelle »Tonio Kröger« (1903). Die Ironie, die der Verfasser auf literarischer Ebene souverän beherrschte – man denke etwa an die grandios inszenierte Begegnung der hanseatisch-distinguierten Konsulin Buddenbrook mit dem grobschlächtigen bajuwarischen Schwiegersohn in spe –, erwies sich im wirklichen Leben als nur mäßig tauglich.
Wussten Sie, dass …
Mann für seinen Romanerstling 1929 bereits den Nobelpreis für Literatur erhielt?
Thomas' Bruder Heinrich zunächst der erfolgreichere Schriftsteller war? Später kehrte sich das Verhältnis um.
Thomas Manns Frau Katja Pringsheim die Enkelin der Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Hedwig Dohm war?
Gibt es Parallelen zwischen Leben und Werk?
Durchaus. Aus einer Lübecker Kaufmannsfamilie stammend, realisierte Thomas Mann durch seine Heirat mit der großbürgerlichen Münchner Jüdin Katja Pringsheim die Synthese zwischen (diszipliniertem) Künstlertum und gehobener Bürgerlichkeit. Anders als sein Bruder Heinrich gelangte er erst spät zu gesellschaftlichem Engagement. Ebendieses brachte ihn nach 1933 in Konflikt mit den nationalsozialistischen Machthabern. Im amerikanischen Exil zeigte er sich stets besorgt, das Gegenbild Deutschlands als Kulturnation in der Weltöffentlichkeit wachzuhalten. Seine späteren Romane, wie »Der Zauberberg« (1924) oder »Doktor Faustus« (1947), zeigen im Gegensatz zum Frühwerk (»Der Tod in Venedig«, 1912) eine stärkere intellektuelle Tendenz, mit Ausnahme der »Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull« (1954). Dort herrscht wieder der aus den »Buddenbrooks« vertraute heiter-ironische Ton.
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