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Musik von der Frühzeit bis zum Mittelalter – Anfänge der Tonkunst
Am Anfang war der Rhythmus. Aus der Sprachmelodie gewonnen, entdeckte ihn der Mensch als ein starkes emotionales Ausdrucksmittel, das Körper und Stimme in Bewegung setzte und dabei eine Magie entwickelte, die ein neues Lebensgefühl weckte: die Ekstase. Tanz und Gesang waren geboren.
Von Anfang an dürfte der kultische Aspekt der Musik eine besondere Rolle gespielt haben. In den alten Hochkulturen Mesopotamiens, Ägyptens und Palästinas lässt sich der Zeremonialcharakter der Musik von ihren profanen Funktionen im Alltagsleben erstmals historisch unterscheiden. Unterstützt von einer Fülle neuer Instrumente, stand die Musik im Dienst kultisch-religiöser Festlichkeiten und damit im Repräsentationsdienst des Staates.
Die funktionale Tradition der Musik gab es auch in Griechenland, doch reduzierte erst die aristotelische Philosophie den Begriff Musik, unter dem ursprünglich Ton-, Dicht- und Tanzkunst zusammengefasst wurden, auf die Tonkunst, erklärte sie zum Inbegriff der Sittlichkeit und der geistigen Zucht. Pythagoras gab den Anstoß für eine musiktheoretische Literatur, die noch im Mittelalter wirksam war. Die griechischen Theoretiker ersetzten die in allen Kulturen übliche Pentatonik mit ihrer halbtonlosen Fünftonleiter durch den Tetrachord, aus dem die siebenstufige Tonleiter hervorging.
Für die christliche Musik des Mittelalters lieferte das Judentum wichtige Impulse, etwa beim unbegleiteten Singen von Psalmen und Hymnen oder im Wechselgesang zwischen Solist und Chor. Bei der Einbindung musikalischer Elemente in die Liturgie wurden regionale Traditionen schließlich durch den gregorianischen Gesang ersetzt. Mit der Jahrtausendwende begann sich die Organum-Technik durchzusetzen, die älteste europäische Form der Mehrstimmigkeit. Zunächst noch umstritten, erweiterte sie recht bald die musikalischen Differenzierungsmöglichkeiten auch außerhalb der sakralen Gebrauchsmusik, etwa in der Motette.
Antike – Verlorengegangene Improvisationskunst
Welchen Stellenwert hatte die Musik in der Antike?
Es kann kein Zweifel bestehen, dass der Musik in der altgriechischen Kultur eine hohe Bedeutung zukam. Dafür sind die mannigfachen Zeugnisse in Philosophie und Literatur, in Malerei und Skulptur zu eindeutig. Wie diese Musik klang, wird man allerdings nie rekonstruieren können. Das Gleiche gilt für die Musik des antiken Roms, das die Kultur des eroberten Hellas übernahm. »Musik ist eine heilige Kunst«, heißt es in »Ariadne auf Naxos« von Richard Strauss. Die Götter höchstselbst haben sie erfunden, glaubte man in der Antike. Von Orpheus, dem Sohn des Apoll und der Muse Kalliope, weiß die Sage zu berichten, er habe als Sänger und Lyraspieler sogar Tiere, Steine und Bäume bezaubert. Opfer- und Weihehandlungen, Siegesfeiern, Wettbewerbe aller Art, die Vorträge der Rhapsoden – allen voran Homer –, die kultischen Aufführungen im Theater, Hochzeiten, Begräbnisse, Gastmähler: Jede öffentliche und private Feierlichkeit wurde im alten Griechenland von Musik begleitet, und Aristophanes rief: »Lasst strömen des Liedes geweihte Musik aus der göttlichen Kehle.«
Wie Aristoteles war auch Platon von der ethischen Kraft, aber auch der staatstragend-propagandistischen Macht der Musik überzeugt; Platon ließ Sokrates es so zusammenfassen: »Nun, so ist gute Dichtung, gute Melodie, gutes Betragen, guter Rhythmus eine Folge der gutartigen Seelenverfassung.«
Gab es Musiktheorie?
Ja, der Mathematiker Pythagoras entwickelte erstmals eine Musiktheorie. Er verkündete: »Alles ist Zahl«, auch die Welt der Musik. So schuf er die mathematischen Grundlagen der Intervallzuordnung, befasste sich mit dem Problem, wie die Instrumente zu stimmen seien, und übertrug die Gesetze der musikalischen Harmonie auf die Bewegungen der Himmelskörper. Die bei diesen Bewegungen entstehenden Töne nannte er »Sphärenmusik«.
Schrieb man gespielte Stücke mit Noten auf?
Nein, man nutzte nur ein skizzenhaftes Notationssystem als Gedächtnisstütze. Doch soweit Musik von Generation zu Generation weitergegeben wurde, gaben die Hörerlebnisse den Ausschlag, nicht anders als im Volkslied. Der Entstehungsprozess des Augenblicks, die Improvisation, war in der Antike also weitaus wichtiger als die Überlieferung. Zu Ausgang der Renaissance entwickelte man die Theorie, die griechische Musik sei monodisch (einstimmig) gewesen. Beweisen lässt sich diese Behauptung nicht. Sie ist nur eine Schlussfolgerung aus der Tatsache, dass mehrstimmiges Musizieren eine feste kompositorische Struktur verlangt, die ohne einen Notentext nicht auskommt.
Übrigens: An Instrumenten gab es keinen Mangel: Harfe, Blasinstrumente aller Art (etwa der Aulos), Leiern in erfindungsreichen Ausführungen (zum Beispiel die Kithara) sowie die unterschiedlichsten Perkussionsinstrumente. Streichinstrumente gab es allerdings noch nicht.
Brachte die griechische Tonkunst eine Neuerung?
Ja, Griechenland hatte jene Tonleiter »erfunden«, die der abendländischen Musik das Fundament gab. Entscheidend dafür war der Wechsel von der in allen Kulturen üblichen Pentatonik, einer halbtonlosen Fünftonleiter, zur siebenstufigen Tonleiter, der als Abschluss die erste Tonstufe noch einmal folgt, jetzt um eine Oktave versetzt. Abgeleitet wurde dieses neue System aus der viersaitigen Phorminx, einer Kastenleier, deren Umfang eine Quart von c bis f bildet, also einen Tetrachord (Folge von vier Tönen), in den ein Halbtonschritt von e nach f eingebunden ist; als diesem Tetrachord ein zweiter angeschlossen wurde, und zwar mit einem analogen Halbtonschritt, hatte Griechenland die abendländische Musik weiterentwickelt.
Prägte Rom eine eigene Musik?
Nein, die Etrusker, die Griechen und die Völker der hellenistischen Staatenwelt waren die Quellen, aus denen sich Rom musikalisch nährte. Wesen der römischen Kultur war es, die Elemente der Völker zu übernehmen, die von den Römern erobert wurden. Auch der improvisatorische Charakter der römischen Musik beruht auf fremder Tradition. Was Rom von seinen Vorbildern unterschied, war der ungleich größere Bedarf an Musik, wie ihn eine auf Repräsentation bedachte Weltmacht nun einmal forderte. Das betraf weniger den kultischen Bereich als die Unterhaltung, deren musikalischen Teil ein Heer von Sklaven bestritt. Hier gab bereits der Geschmack der Masse den Ton an. Doch auch den Klang der römischen Musik kann man nicht rekonstruieren, gibt es doch keine Aufzeichnungen.
Erfanden die Götter Instrumente?
Der Gott Apollo gilt in der griechischen Mythologie als Erfinder des ersten Saiteninstruments. Apollo befestigte zwei Stierhörner an einem Schildkrötenpanzer und spannte Saiten zwischen die Hörner. Ergebnis war das sanft tönende Zupfinstrument Lyra. Auch der Gott Pan erfand ein Instrument: Als er einst der Nymphe Syrinx nachstellte, verwandelte die sich in ein Bündel Schilf. Das Schilfbündel im Arm, seufzte Pan, und in den Schilfrohren entstand ein Ton: die Geburt der Flöte.
Wussten Sie, dass …
die Musik im alten Griechenland eine der sieben freien Künste war? Die sechs anderen waren Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie.
die Seikilos-Stele eines der ältesten Zeugnisse mit Ansätzen zu einer Notation von Musik ist? Der Grabstein aus Kleinasien trägt als eingemeißelte Inschrift einen griechischen Liedtext in phrygischer Tonart.
Die Gregorianik: Eine liturgische Musik
Was ist gregorianischer Gesang?
Mit »gregorianischem Gesang« (oder »gregorianischem Choral«) meint man den liturgischen Gesang der katholischen Kirche ab dem 5. Jahrhundert bis zum Tridentinischen Konzil im 16. Jahrhundert; die Weiterentwicklung in den nachtridentinischen Reformen lässt der Begriff unberücksichtigt.
Die Gregorianik entstand aus den frühchristlichen Gesängen der Spätantike. Sie ist einstimmig, und da sie als Bindeglied zwischen Antike und Mittelalter gilt, nimmt man an, dass auch die griechische und römische Musik einstimmig war. Anderes kam hinzu, etwa die Entdeckung der antiken Musiktheorie oder die Übernahme des griechischen Tonsystems, das in abgewandelter Form die Grundlage für die Kirchentonarten bilden sollte – für jenes tonale Ordnungsprinzip also, das die Musik bis ins 16. Jahrhundert prägte und bis ins 18. Jahrhundert nachwirkte.
Bestimmend für die Ausprägung der Gregorianik, der Papst Gregor der Große (540 bis 604) den Namen gab, wurde die »karolingische Renaissance« des 9. Jahrhunderts, als die der Legende nach von Papst Gregor eingeleitete Vereinheitlichung des liturgischen Gesangs nach 300 Jahren zum Abschluss kam.
Als er durch die Mehrstimmigkeit Konkurrenz bekam und sich vom »cantus mensurabilis«, dem nach verschiedenen Notenwerten »gemessenen« Gesang, abgrenzen musste, nannte man ihn »cantus planus«, also »ebenen« oder »einfachen« Gesang ohne Takt und spezifische Tempi.
Wie alt ist die heutige Notenschrift?
Schon im Frühmittelalter, im 9. Jahrhundert, entstand ein erstes Notensystem zur Niederschrift der Musik. Bis zu dieser Zeit wurden die liturgischen Gesänge der Gregorianik gemäß der altgriechischen Tradition auf mündlichem Wege von Generation zu Generation überliefert.
Mit der erstmaligen schriftlichen Fixierung von Musik setzte eine jahrhundertelange Entwicklung ein, die über die Choral-, Modal- und Mensuralnotation schließlich zu unserer heute gebräuchlichen Notenschrift führte. »Neumen« (griechisch »neuma«, »Wink«) nennt man die ersten mittelalterlichen Notenzeichen, die als Striche, Punkte und Häkchen eine rudimentäre Orientierungshilfe für den Verlauf der Melodie boten, aber weder Tonhöhe noch Rhythmus angaben. Es war ein Behelfssystem, das an die Aufzeichnungsversuche der Griechen erinnert, spätestens dann aber überfordert war, als die Mehrstimmigkeit Praxis zu werden begann.
Wird ein gregorianischer Choral begleitet?
Nein. Beim gregorianischen Gesang wird auf eine instrumentale Mitwirkung ganz verzichtet, es handelt sich um eine rein vokale liturgische Musik. Rhythmus im heutigen Sinn ist diesem Stil unbekannt, doch orientiert man sich an der »Musikalität« der ausschließlich verwendetenlateinischen Sprache, die eine Art freier Rhythmik ausformt. Die Melodien vermeiden große Intervalle; der Gesang kreist um einen Hauptton, ohne dass sich daraus eine Leitfunktion ähnlich der späteren Tonika ergäbe.
Mit dem gregorianischen Gesang ist eine klare Rollenverteilung zwischen Solist (Kantor) und Chor (Schola, Gemeinde) verbunden, je nach den Erfordernissen der Liturgie von Messe und Stundengebet. Dabei lassen sich zwei verschiedene Arten des Gesangs unterscheiden: der rezitativische oder psalmodierende und der melodische oder geschmückte Gesang. Im rezitativischen Sinn unterstützt die Gregorianik die Gebete und die Lesung der Evangelien, Episteln und Psalmen; im melodischen Sinn hingegen ist sie für die Hymnen und Psalmen zuständig oder, allgemein gesagt, für die Choräle. Besondersgepflegt wurde diese Sakralmusik in den »scholae cantorum «, den Singschulen der Karolingerzeit, die es zum Beispiel in Metz, Rouen, Tours und Fulda gab.
Wie entwickelte sich die Gesangsform weiter?
Seit dem 9. Jahrhundert legte sich über die Choräle mit ihrem verbindlichen Regelwerk (Initium, Tenor, Meditatio, Tenor, Finis) gleichsam eine zweite Schicht: Die traditionelle Struktur wurde bewahrt, gleichzeitig aber durch Ausschmückungen und Paraphrasierungen ergänzt – ein Verfahren, das einem so genannten Tropus (»Wendung«, »Weise«) gleichkommt. Dabei werden Melismen, also textlose Melodieteile, einem Choral vorangestellt, eingeschaltet oder angehängt.
Ebenso bedeutend wurde die Sequenz, die ebenfalls auf der Idee des Tropus beruht. Diese auch als »Melodia« oder »Neuma« bezeichnete Gesangsform erweitert das Schlussmelisma des liturgischen Alleluja; die Melodie wird wiederholt, aber ein anderer, gleichsilbiger Vers unterlegt. Von der Kirche wurden diese Neuerungen zwar nicht offiziell abgesegnet, aber geduldet. Im 9. Jahrhundert hatte die Gregorianik eine solche Dominanz erreicht, dass für andere kirchenmusikalische Traditionen kaum mehr Platz blieb. Neben dem gregorianischen Gesang hat sich allein der ambrosianische bis heute erhalten.
Wussten Sie, dass …
Notker dem Stammler (um 840–912) großer Einfluss auf die Weiterentwicklung des gregorianischen Chorals zugeschrieben wird? Was ihm an mündlicher Sprachfertigkeit fehlte – sein Beiname bezieht sich auf einen angeborenen Sprachfehler – machte er durch schriftliche Ausdrucksfähigkeit mehr als wett: Neben theologischen Schriften und Gedichten verfasste er auch Hymnen, die er selbst vertonte.
die wichtigsten kirchenmusikalischen Traditionen neben dem gregorianischen der aus Spanien stammende mozarabische und der gallikanische Gesang aus dem englischen Sprachraum waren?
das Zweite Vatikanische Konzil durch die Einführung muttersprachlicher Gesänge in der Liturgie den gregorianischen Gesang allmählich verdrängte?
Von der Ars antiqua zur Ars nova: Neue Musik für das Abendland
Was sind Ars antiqua und Ars nova?
Das Jahr 1325 stellt den Scheitelpunkt zwischen zwei aufeinanderfolgenden mittelalterlichen Musikrichtungen dar, der Ars antiqua und der Ars nova, der »alten« und der »neuen Kunst«. Diese musikhistorischen Begriffe deuten auf einen grundlegenden Gegensatz hin, in Wirklichkeit aber waren beides Entwicklungsschritte, die traditionelle Mehrstimmigkeit allmählich aus ihrer liturgischen Abhängigkeit zu lösen.
Mit dem Wandel von der Einstimmigkeit des gregorianischen Chorals zur Polyphonie machte die mittelalterliche Musik einen ganz entscheidenden Schritt. Dabei bildete die vor allem in der Pariser Schule von Notre-Dame gepflegte »Organum-Technik« eine Zwischenstufe. Zunächst wurde die zweite Stimme parallel zur ersten geführt, dann als selbständige Gegenstimme im Diskant eingesetzt und verziert, bis schließlich Perotinus Magnus (ca. 1165–1220) aus dem Organum die Drei- und Vierstimmigkeit ableitete.
Warum musste eine neue Notenschrift her?
Weil die musikalischen Strukturen immer komplexer geworden waren – eine verbesserte Notenschrift war unumgänglich, weil die Neumen zur grafischen Fixierung nicht mehr ausreichten. Schon um die Jahrtausendwende hatte der Benediktinermönch Guido von Arezzo die Notationstechnik mit der Einführung eines Systems von vier Linien im Abstand einer Terz revolutioniert und die Benennung der Töne nach Buchstaben erweitert.
Mit römischen Quadratnoten oder gotischen Hufnagelnoten, die die Neumen ersetzten, war die Tonhöhe jetzt eindeutig zu bezeichnen. So wurden in der Choralnotation die Quadratnoten rhythmisch frei eingesetzt, während die im 13. Jahrhundert folgende Modalnotation Ligaturen (Notenverbindungen) einführte, die sechs rhythmische Modi fixieren konnte.
In welcher Stadt schlug das musikalische Herz des Mittelalters?
In der französischen Hauptstadt Paris. In der Nachfolge der Notre-Dame-Schule prägte die Ars antiqua ab 1260 das Musikleben,bis sie um 1325 von der Ars nova – ein Begriff, den der Musiktheoretiker und Komponist Philippe de Vitry 1325 in einem Traktat prägte – abgelöst wurde. »Alte Kunst«, das hieß: die Organum-Technik zu vervollkommnen und die Motette als wichtigste Gattung der mehrstimmigen Vokalmusik auszubauen, und zwar sowohl in ihrer geistlichen wie in ihrer weltlichen Form; nicht zuletzt aber gab sie erste Anstöße für die Mensuralnotation, die eine weitere Differenzierung des Rhythmus ermöglichte.
Zu den wenigen Komponisten der Ars antiqua, die nicht nur namentlich bekannt sind, zählt Adam de la Halle (ca. 1240–1287), der nach seiner klerikalen und musikalischen Ausbildung in Paris an den Hof Karls von Anjou, König von Sizilien, nach Neapel kam. Hier entstand sein bedeutendstes Werk, das »Jeu de Robin et de Marion«, ein erstes weltliches Singspiel, das neben fünf dreistimmigen Motetten und 16 Rondeaux überdauert hat.
Was zeichnete die Ars nova aus?
Ein ganz neues rhythmisches System. Mit der Ars nova entfaltete die Musik Frankreichs im 14. Jahrhundert ihre große Blüte. Jetzt ermöglichte die verbesserte Mensuralnotation nicht nur eine eindeutige und mehrfach abgestufte Festlegung der Tonlänge, sondern ein ausgebautes rhythmisches System. Die Erfindung von Mensurzeichen und kleineren Notenwerten ging mit der Möglichkeit einher, Synkopen zu notieren; die Rhythmik gewann zunehmend an Struktur, weil die Länge frei wechselnder Notenwerte einem festen Grundmaß zugeordnet wurde.
Isorhythmische Gestaltungsmittel kamen vor allem der Motette zugute; hier wurde eine Vokalstimme durch eine mehrfach wiederholte rhythmische Phrase gegliedert, die sich wiederum mit melodischen Abschnitten verknüpfen ließ. Balladen, Rondeaus, Chants royaux und Chansons in den Formen des Lai und Virelai zählten zu den künstlerischen Schwerpunkten der Ars nova.
Wer war der erste bedeutende Komponist des Abendlandes?
Guillaume de Machaut (um 1300–1377). Er war ein führender Vertreter der Ars nova, Hofmann Johanns von Luxemburg, Kanoniker und Universalgelehrter in Reims sowie ein Erneuerer der höfischen Dichtung. Mit 142 Werken tritt er aus dem Dunkel der Anonymität. Seine mehrstimmige Notre-Dame-Messe aus dem Jahr 1364 zählt nicht nur zu den frühesten ihrer Art, sondern auch zu den ersten, die von einem einzelnen Komponisten überliefert sind. Auch seine 23 Motetten sind meist isorhythmisch aufgebaut; seine 40 Balladen, die zwei- bis vierstimmig angelegt sind, kombinieren in allerlei Varianten Vokal- und Instrumentalstimme. Von den 20 Rondeaus dürfte das mit der Anfangszeile »Ma fin est mon commencement« den kompositorischen Erfindungsreichtum gut dokumentieren; so wird die Melodie der Oberstimme auch von der Unterstimme vorgetragen, aber – wie es der Text nahelegt – rückläufig, im Krebs.
Auch wenn die Sakralmusik ihre machtvolle Stellung natürlich weiterhin behaupten sollte, ihr Ausschließlichkeitsanspruch war gebrochen. Guillaume de Machauts Werk beförderte die Emanzipation der weltlichen Musik. Und die Ars nova öffnete das Tor zur Renaissance.
Wussten Sie, dass …
die Ars nova im 14. Jahrhundert anfangs auf heftigen Widerstand stieß, so auch bei Papst Johannes XXII., der die Aufführung der neuen Musik in Gotteshäusern sogar per Bulle untersagen ließ?
dieses Verbot Guillaume de Machaut aber wenig kümmern musste, da er sein Auskommen durch weltliche Musik sicherte, die er an Fürstenhöfen darbot?
die guidonische Hand, eine Merkhilfe für den Tonartenwechsel, bei der jedes Fingerglied der linken Hand eine Tonstufe repräsentiert, auf Guido von Arezzo zurückgeht?
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