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Nervenzellen: Blitzschnelle Übermittler
Was leistet unser Nervensystem?
Ob beim Atmen oder Gehen, bei Hunger oder Schmerz, bei Freude oder kreativem Schaffen: Unser Nervensystem steuert und reguliert Körper- und Empfindungsaktivitäten durch ununterbrochene Überwachung, Auswertung und Beantwortung von Botschaften aus dem Innern des Körpers und seiner Umgebung. Seine Reaktion äußert sich in entsprechenden Befehlen an die Muskeln oder an die Körperdrüsen. Geschützt und ernährt von den so genannten Gliazellen arbeiten hochspezialisierte Nervenzellen, die Neuronen, in Gewebegruppen zusammen und bilden in ihrer Gesamtheit das Nervensystem. Dabei erfolgen der Empfang und die Weitergabe elektrischer Signale und Impulse mit rasender Geschwindigkeit über miteinander verschaltete Neuronen.
Wie viele Nervenzellen haben wir?
Mehrere 100 Milliarden von Nervenzellen. Im gesamten Nervensystem – dazu gehören Gehirn und Rückenmark (auch Zentralnervensystem genannt) und die peripheren Nerven – sind zwei Hauptgruppen von Nervenzellen zu finden: Neuronen und Gliazellen. Die Gliazellen bilden das die Nervenzellen umgebende Nervenstützgewebe (Neuroglia). Sie dienen nicht zur Weiterleitung von Nervenimpulsen, sondern zum Schutz der Neuronen vor Bakterien und der Zufuhr von Nährstoffen und anderen Substanzen aus den Blutkapillaren. Die Neuronen übernehmen die Nachrichtenübermittlung innerhalb des Nervensystems und bilden das Netzwerk, das uns Menschen denken, fühlen und erinnern lässt.
Wie sind Neuronen aufgebaut?
Das typische Neuron besteht aus einer langen, dünnen Zelle. Während Neuronen von Gehirn und Rückenmark nur eine Länge von etwa einem Millimeter erreichen, können sich einige periphere Neuronen über einen Meter erstrecken, z. B. vom Lendenbereich bis zu den Zehenmuskeln.
Die meisten Neuronen sind nach derselben Grundstruktur aufgebaut und verfügen über die drei Zellteile Zellkörper, Dendrit und Axon (Neurit). Der Zellkörper ist der dickste Teil der Zelle und enthält die üblichen Bestandteile Zellkern und Organellen. An den Zellkörper schließen sich zwei Fortsätze an, die als Dendrit und Axon bezeichnet werden. Ein Dendrit ist ein kurzer, stark verzweigter Fortsatz, der die von anderen Neuronen ankommenden Signale empfängt und zum Zellkörper weiterleitet.
Das Axon, auch Nervenfaser genannt, leitet ein Signal vom Neuron entweder zu einem anderen Neuron oder zu einem Erfüllungsorgan, z. B. einem Muskel. Das Axon ist eine lange Ausstülpung des Zellkörpers und teilt sich an seinem Ende in viele Verzweigungen auf. Diese so genannten Endknöpfe stehen in engem, aber berührungslosem Kontakt mit den Dendriten anderer Neuronen. Die Kontaktstellen werden als Synapsen bezeichnet. Die Axone mancher Neuronen sind von einer isolierenden Myelinhülle (Markscheide) umgeben, die die Übermittlungsgeschwindigkeit innerhalb des Axons um das etwa 50-fache erhöht. Je nach Struktur sowie Anzahl und Anordnung der Ausstülpungen des Zellkörpers werden multipolare, bipolare und unipolare Neuronen unterschieden.
Wie teilen sich die Neuronen die Arbeit?
Bezüglich ihrer Funktion im Nervensystem unterscheidet man drei Arten von Neuronen: sensorische, motorische und Interneuronen. Sie arbeiten in allen Bereichen der Reizaufnahme, der Reizweiterleitung und Impulsverarbeitung zusammen.
Sensorische Neuronen: Dieser Neuronentyp leitet Impulse von Rezeptoren in Haut, Sinnesorganen, Muskeln und Gelenken an das Zentralnervensystem weiter. Ein Teil der sensorischen Neuronen ist durch direkte Reize wie Kälte, Druck oder Licht erregbar. Meistens erfolgt die Erregung jedoch durch Reize aus dem Körperinnern. Die Zellkörper der sensorischen Neuronen befinden sich in Schwellungen, die als hintere Wurzelganglien bezeichnet werden und die direkt außerhalb des Rückenmarks liegen. Die Axone der sensorischen Neuronen reichen bis ins Rückenmark hinein, wo einige direkt verschaltet sind, andere sich tief bis in das Mark des Zentralnervensystems erstrecken.
Motorische Neuronen: Die Motoneuronen leiten Impulse vom Zentralnervensystem zum Erfüllungsorgan, z. B. zu Muskeln oder Drüsen, die zur Kontraktion bzw. Sekretion angeregt werden. Obwohl ein Teil der Motoneuronen im Gehirn liegt, von wo sie ihre Befehle über das Rückenmark schicken, befinden sich die meisten Neuronen mit ihren Zellkörpern innerhalb der grauen Substanz des Rückenmarks, von wo aus sich ihre Axone in die peripheren Nerven der Muskeln erstrecken.
Interneuronen: Dieser Neuronentyp, auch Schaltneuronen genannt, macht 90 Prozent der gesamten Neuronen aus. Interneuronen sind damit die am häufigsten vorkommenden Neuronen des Zentralnervensystems; im Gehirn finden sich allein mindestens 100 Milliarden dieser Nervenzellen. Interneuronen sind zwischen sensorische und motorische Neuronen geschaltet und befähigen das Nervensystem zur Weitergabe, Bewertung und Analyse von Nervenimpulsen.
Nach welchem Prinzip arbeiten Neuronen?
Neuronen sind erregbare Zellen, die die Informationen in Form elektrischer Signale aufnehmen. Dabei arbeiten sie nach dem »Ein-Aus-Prinzip«. Hier spielt es keine Rolle, ob der Reiz aus der Umgebung, aus dem Körperinnern oder auch von einem anderen Neuron kommt. Ist der Reiz stark genug und erreicht die so genannte Reizschwelle, führt er zu einer Veränderung des elektrischen Potenzials innerhalb des Neurons und somit zu einer Reizübertragung.
Befindet sich ein Neuron im Ruhezustand, dringen positiv geladene Natriumionen vom Innern der Zellmembran nach außen, wobei das Zellinnere eine negative Ladung, die Zellmembran eine positive Ladung aufweist (Ruhepotenzial). Empfängt das Neuron einen Reiz in Höhe der Reizschwelle, kehren sich die Ladungsverhältnisse um (Depolarisation). Positiv geladene Ionen der äußeren Membran strömen ins Zellinnere und laden es kurzfristig positiv. Diese Ladung breitet sich auf dem Neuron aus und verursacht eine Störung des elektrischen Gleichgewichts, die Aktionspotenzial genannt wird. So pflanzt sich die Erregung entlang des Axons mit hoher Geschwindigkeit fort. Ist das Ende des Aktionspotenzials erreicht, so kehrt das Neuron bis zur nächsten Stimulation zu seinem Ruhepotenzial zurück. Der Verlauf der Nervenimpulse ist daher vergleichbar mit dem Strom, der in Batterien oder elektrischen Schaltkreisen fließt, obwohl es hier die negativ geladenen Ionen sind, die das Gleichgewicht zwischen positiv und negativ stören und so einen elektrischen Strom verursachen. Wird eine Batterie stimuliert, der Schalter also auf »Ein« gestellt, bewegen sich die negativ geladenen Ionen in Richtung der positiven Ionen, stören das Gleichgewicht und erzeugen elektrische Energie.
Welche Geschwindigkeiten erreichen Nervenimpulse?
Die Erregungsüberleitung zum Nachbarneuron kann eine Geschwindigkeit von bis zu 140 Metern pro Sekunde erreichen. Dagegen legen die langsamsten Nervenimpulse etwa einen halben Meter in der Sekunde zurück. Auf ihrem Weg von Neuron zu Neuron müssen die Nervenimpulse den winzigen Spalt zwischen zwei benachbarten Nervenzellen überspringen. Diese Lücke wird als synaptischer Spalt bezeichnet.
Die Verdickung am Ende des Axons wird als präsynaptischer Endknopf bezeichnet. Dieses Endstück liegt dem Dendriten eines Empfängerneurons direkt gegenüber, berührt es aber nicht. Die Ankunft eines Nervenimpulses am präsynaptischen Endknopf veranlasst dort die Freisetzung chemischer Überträgersubstanzen, der so genannten Neurotransmitter.
Ihre einzelnen Moleküle dringen in den Synapsenspalt und überqueren ihn innerhalb von Millisekunden. Bei Ankunft des Neurotransmitters auf der Membran des Dendriten löst er dort eine Depolarisierung aus und erzeugt so einen Nervenimpuls. Nach Beendigung der Übertragung erfolgt die Inaktivierung des Neurotransmitters durch Enzyme. Neurotransmitter können eine Empfängerzelle nicht nur erregen, sondern auch hemmen. Beide Funktionen sind wichtig für die Kontroll- und Steuerungsfunktion des Nervensystems. Man geht von der Existenz von über 60 verschiedenen Überträgerstoffen aus. Über diese Substanzen läuft ein wichtiger Teil der Kommunikation innerhalb des Nervensystems ab.
Wussten Sie, dass …
allein das Gehirn über mehr als 100 Milliarden Nervenzellen verfügt?
die Bildung sämtlicher Nervenzellen bereits in der 22. Schwangerschaftswoche abgeschlossen ist? Während des ganzen weiteren Lebens werden keine zusätzlichen Nervenzellen mehr entstehen.
die Geschwindigkeit eines Nervenimpulses auch von der Temperatur abhängig ist? Bei Kälte ist die Leitungsgeschwindigkeit niedriger als bei Wärme.
die Multiple Sklerose durch die Schädigung der schützenden Markscheide entsteht? In der Folge liegen die Nervenfasern frei und können die Nervenimpulse nur noch schwer oder auch gar nicht mehr weiterleiten.
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