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Neue Materialien und Nanotechnologie: Intelligent und klein

Wie macht man Atome sichtbar?

Zum Beispiel mit Rastertunnelmikroskopie, mit der sogar einzelne Atome »gesehen« werden können. Das Rastertunnelmikroskop (STM, für englisch Scanning Tunneling Microscope) wurde Anfang der 1980er Jahre vom schweizerisch-deutschen Physikerteam um Gerd Karl Binnig und Heinrich Rohrer erfunden. 1987 wurden diese beiden dafür mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.

Das Messprinzip nutzt den quantenmechanischen »Tunneleffekt«. Dieser Effekt beruht darauf, dass sich ein quantenmechanisches Teilchen, z. B. ein Elektron, niemals an einem ganz bestimmten Ort befindet; statt dessen kann man immer nur eine Wahrscheinlichkeit für den Raumbereich angeben, in dem es sich aufhält. Das bedeutet aber, dass Elektronen über weite Bereiche »verschmiert« sind – mit der Konsequenz, dass sie sogar »verbotene« Gebiete durchqueren können, um auf der anderen Seite wieder aufzutauchen: Sie »durchtunneln« diese Region.

Im Tunnelmikroskop durchtunneln die Elektronen den winzigen Abstand zwischen einer nur wenige Atome großen Sondenspitze und der Oberfläche der untersuchten Probe. Dabei entsteht ein sehr kleiner, aber messbarer Strom. Tastet man die Oberfläche mit der Sonde Punkt für Punkt ab, so lässt sich aus den gemessenen Stromwerten ein Abbild der Oberfläche rekonstruieren.

Übrigens: Das Rastertunnelmikroskop erlaubt es auch, einzelne Atome oder Moleküle gezielt aus der Probenoberfläche zu lösen und an anderer Stelle wieder abzulegen – man kann also mit Atomen »schreiben« oder winzigste Strukturen erzeugen.

Welche sind die feinsten Filter?

Nanosiebe, oft auch Molekularsiebe genannt. Diese Filter haben Poren im Nanometerbereich (ein Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter). Bei Zeolithen, hochporösen Mineralien aus Aluminium-Silicium-Sauerstoffverbindungen, liegt die Porengröße zwischen 0,3 und 2 Nanometern. Ähnliche Durchmesser bieten Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Maßgeschneiderte Filter aus Silicium, die ähnlich wie Speicherchips mit Ätzverfahren hergestellt werden können, besitzen Porendurchmesser von bis zu 50 Nanometern. Zum Nanosieb werden diese Materialien jedoch erst, wenn sie sehr viele Poren aufweisen.

Bei den künstlich erschaffenen Nanoröhren liegen die Poren meistens nebeneinander und sind durch undurchlässige Materialien, etwa Silicium, voneinander getrennt. Die Besonderheit natürlicher Nanosiebe, wie z. B. der Zeolithe, ist, dass sich bei diesen Materialien sehr viele Poren neben- und hintereinander befinden: Auf diese Weise wird ein extrem feinmaschiges dreidimensionales Sieb gebildet. Durch die riesige Zahl an Poren besitzen Nanosiebe eine sehr große »innere« Oberfläche.

Wozu dienen Nanosiebe?

Eingesetzt werden Nanosiebe beispielsweise bei der Wasserreinigung. Wassermoleküle passieren die Siebe ungehindert, aber bereits größere Moleküle, z. B. Schadstoffe oder Viren (die meist größer als 10 Nanometer sind) werden zurückgehalten. Auch elektrisch geladene Teilchen (also Ionen) können ganz oder teilweise herausgefiltert werden: Nanosiebe sind ideale Ionenaustauscher. Wasser, das auf diese Weise gereinigt wurde, ist biologisch und chemisch extrem sauber und weich – was z. B. auch Ablagerungen an Wasserrohren stark vermindert. Die zur Wasserenthärtung eingesetzten Nanofilter müssen allerdings sehr oft gereinigt werden, meist unter Zuhilfenahme von Säuren und Laugen.

In ähnlicher Weise helfen Nanosiebe bei der Dialyse. Dort vermeiden sie die bisher notwendige zusätzliche Trennung des Bluts in Plasma und Blutkörperchen, indem sie nur das Plasma passieren lassen.

Übrigens: Aufgrund ihrer großen inneren Oberfläche sind Nanosiebe auch sehr gut als Katalysatoren geeignet. Einsatz finden sie z. B. in der Mineralölindustrie beim »Cracken« von Kohlenwasserstoffen: So entsteht aus Erdöl Benzin.

Wird es in Zukunft Computerchips aus Plastik geben?

Ja, obwohl das auf den ersten Blick im Widerspruch dazu steht, dass Kunststoffe als elektrische Isolatoren eingesetzt werden, z. B. als Umhüllungen von Kabeln; selbst die Platinen, auf denen klassische integrierte Schaltungen aufgebracht sind, bestehen aus isolierendem Kunststoffmaterial. Mittlerweile ist es jedoch möglich, Kunststoffe herzustellen, die nicht isolieren, sondern ähnlich wie Metalle den elektrischen Strom leiten.

Somit ließen sich auf einfache Weise die ersten elektrischen Schaltkreise herstellen: Leitfähige Polymere könnten nämlich wie Druckfarbe im Muster eines Schaltkreises einfach auf einen Träger aufgedruckt werden, um danach von selbst auszuhärten. Diese Technik könnte die bisher übliche aufwendige Siliciumtechnik ersetzen, bei der integrierte Schaltungen durch Belichten und anschließendes chemisches Ätzen von metallbeschichtetem Silicium hergestellt werden. Ein weiteres Plus gegenüber der herkömmlichen Silicium-Elektronik ist die hohe Flexibilität: Mit leitfähigen Kunststoffen sind biegsame Schaltungen möglich. Damit ließen sich in Zukunft Produkte wie aufrollbare Bildschirme oder »intelligente« Kleidungsstücke realisieren.

Wie lässt sich die Farbbrillanz von Flachbildschirmen steigern?

Mit OLEDs. Dies steht für das englische »Organic Light Emitting Diode«, also organische Leuchtdiode, wobei »organisch« bedeutet, dass das lichterzeugende Material aus Kunststoff (Polymer) besteht. Eine OLED ist aus mehreren Schichten aufgebaut: einer Trägersubstanz (meistens aus Glas), einer darauf befindlichen, kaum 200 Nanometer dicken Polymerschicht sowie zwei elektrisch leitenden Lagen, die die Polymerschicht oben und unten begrenzen. Liegt zwischen den begrenzenden Lagen eine elektrische Spannung an, so wandern Elektronen von der einen Schicht zur anderen. Bei ihrem Weg durch das Polymermaterial regen sie dessen Atome zum Leuchten an. Dabei lässt sich über die Kunststoffsorte die Farbe des ausgesandten Lichts variieren. Im Handel erhältlich sind OLEDs als Displays für Digitalkameras und Handys. Auch der Einsatz als Computermonitor steht unmittelbar bevor. Prototypen haben bereits gezeigt, dass diese Displays eine ausgezeichnete Farbbrillanz besitzen und, anders als herkömmliche Flachbildschirme, auch von der Seite ohne Farbfehler betrachtet werden können.

Was sind Fullerene?

Fullerene sind Kohlenstoffmoleküle in Form einer geschlossenen Kugel oder einer Röhre, wobei sich die Kohlenstoffatome – und das ist die Besonderheit – an der »Oberfläche« dieser Gebilde zu einem Gitter anordnen, während der Innenbereich hohl bleibt. In den am besten untersuchten Fullerenen aus sechzig bis siebzig Kohlenstoffatomen erkennen Sportenthusiasten unschwer einen Fußball. Ihren Namen haben die Fullerene jedoch in Erinnerung an Richard Buckminster Fuller, einem Architekten ähnlich aussehender, kugelförmiger Häuser (etwas respektloser spricht man auch von »Buckyballs«). Erzeugt wurden Fullerene erstmals von Richard Smalley und seinen Mitarbeitern im Jahre 1985. Für diese Entdeckung und ihre Erforschung wurden Robert F. Curl jr., Sir Harold W. Kroto und Richard E. Smalley 1996 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.

Fullerene entstehen, wenn Kohlenstoff bei hoher Temperatur in einer sauerstofffreien Atmosphäre »verbrannt« wird, etwa in einem elektrischen Lichtbogen – bei Anwesenheit von Sauerstoff würde der Kohlenstoff wie ein Brikett verbrennen. Dabei lagern sich Kohlenstoffatome aneinander und wachsen zu Ketten unterschiedlicher Länge. Einige davon wachsen auch »in die Breite« und bilden so allmählich die kugelförmige Struktur des Fullerens. Durch gezielte Anlagerung weiterer Kohlenstoffatome an ein solches, etwa bei der Herstellung im Labor, kann ein Buckyball fast beliebig verlängert werden. So entstehen lange Schläuche, die sog. Nanoröhren.

Wozu können Fullerene genutzt werden?

Im Inneren von Fullerenen können andere Atome oder kleinere Moleküle eingeschlossen werden, man spricht dann von »Käfigmolekülen«. Diese gelten u. a. als ideale Speicher für Wasserstoff, was sie für die Fahrzeugindustrie als künftiges Tankmaterial interessant macht. Auf ähnliche Weise sollen auch Medikamente in den Körper transportiert werden. Zusammen mit Molekülen, die bestimmte Zelltypen identifizieren können – etwa Blut oder auch Tumore – lassen sie sich zielgenau im Körper freisetzen.

Allerdings hat die Anwendung von Nanoteilchen auch deutliche Schattenseiten. Weil Fullerene so klein sind, oft sogar kleiner als Viren, können sie leicht in den Körper eindringen. Sie werden beispielsweise eingeatmet oder über die Haut aufgenommen und reichern sich in den Zellen des Körpers an. Dort lösen sie eventuell die Immunabwehr aus, ohne jedoch vom Immunsystem wirksam bekämpft werden zu können. Die Folge sind Vergiftungserscheinungen oder allergische Reaktionen mit bisweilen sehr schweren Folgen wie Lungenödemen.

Wer ist der »Erfinder« der Nanotechnologie?

Der US-amerikanische Ingenieur Karl Eric Drexler ist einer der Pioniere der Nanotechnologie. Bereits Mitte der 1980er Jahre prägte er den Begriff »Nanotechnologie«. In zahlreichen, umstrittenen Veröffentlichungen vertrat er die Auffassung, dass Proteine aussichtsreichste Kandidaten für zukünftige Nanomaschinen sind. 1986 gründete er das »Foresight Institute« (»Institut für den Blick in die Zukunft«).

Kritiker werfen ihm eine allzu rosige Sicht sowohl auf die Realisierbarkeit als auch den potenziellen Nutzen von Nanomaschinen vor – vor allem, wenn sie auch noch, wie von Drexler prophezeit, reproduktionsfähig wären. Michael Crichtons Thriller »Prey« (»Beute«, 2002) griff genau dieses Motiv auf und stellte den Menschen als leichte Beute für außer Kontrolle geratene Schwärme von »Nanoraubtieren« dar.

Wussten Sie, dass …

man sich tatsächlich vorstellt, Roboter in Miniaturausführung zu bauen? Sie sollen nur nanometergroß sein (ein Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter) und werden daher »Nanniten« genannt. Solche Nanomaschinen könnten in der Lage sein, im menschlichen Körper »Reparaturen« vorzunehmen, so dass ernste Erkrankungen erst gar nicht entstehen könnten. Andere Einsatzgebiete wären Bereiche schwer zugänglicher Maschinen, etwa im Inneren von Motoren oder Kraftwerken.

Wussten Sie, dass …

das kleinste »Fußballfeld« der Welt nur 2 x 1,5 Mikrometer misst? Es würde damit 2000-mal auf die Querschnittsfläche eines menschlichen Haares passen. Chemnitzer Wissenschaftler erzeugten diese Nanostruktur im Mai 2006 mithilfe eines Rasterkraftmikroskops.

man mit einem Aerogel aus Siliciumdioxid sogar eine durchsichtige Wärmeisolierung konstruieren kann? Solche Aerogele können z. B. für Fenster eingesetzt werden.

Was ist ein Aerogel?

Eine Gemisch aus Luft und einem festen Trägergerüst. Ausgangspunkt bei der Herstellung ist ein flüssiges Gel, ähnlich wie Gelatine. Bildet Siliciumdioxid (Quarz) das Gerüst, bezeichnet man sie als Silica-Aerogele. Aber auch andere Substanzen werden eingesetzt, etwa Kohlenstoff. Die flüssige Komponente des Ausgangsstoffs kann Wasser oder Methanol sein.

Das Volumen eines fertigen Aerogels besteht nur zu 5 % aus dem Trägermaterial, der Rest sind luftgefüllte Poren mit wenigen Nanometern Durchmesser. Diese Poren machen Aerogele zu hervorragenden Isolatoren.

Wissenschaft

Tobias Erb

(*1979) ist Biochemiker am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. Mit seiner Forschungsgruppe untersucht er Stoffwechsel-Mechanismen. Der Fokus liegt dabei auf der Umwandlung von Kohlendioxid durch Bakterien, Algen und Pflanzen – und wie sich dieser Prozess synthetisch verbessern lässt.

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