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Odysseus: Kriegsheimkehrer mit zehnjähriger Verspätung

Was erlebt der Held von Troja auf seiner Heimfahrt?

Auf seiner zehnjährigen Irrfahrt trifft Odysseus mit seinen Gefährten auf eine Vielzahl von gefährlichen Gestalten, eigenartigen Völkern und Ungeheuern. Zunächst stößt er auf das Volk der Lotophagen, die sich von Lotos ernähren. Dessen Genuss nimmt den Gefährten den Willen zur Weiterfahrt. Auf der Insel der Kyklopen traf er auf den einäugigen Riesen Polyphem, der einige von Odysseus' Begleitern auffraß und die übrigen mitsamt Odysseus in seiner Höhle einsperrte. Odysseus blendet den schlafenden Riesen und entkommt. Der tobende Kyklop ruft seinen Vater, den Meeresgott Poseidon, zu Hilfe. Von nun an verfolgt dieser Odysseus mit seiner Rache. Weitere Stationen sind ein kurzer Aufenthalt bei den Laistrygonen, Menschen fressenden Riesen, und die Insel der Zauberin Kirke, die seine Gefährten in Schweine verwandelt und ihn ein Jahr bei sich behält. Von hier aus dringt er in die Unterwelt vor, in der er vielen der vor Troja gefallenen Helden begegnet.

Welchen weiteren Gefahren trotzt der Held?

Seine Reise führt ihn zu den Sirenen, deren verführerischem Gesang er lauscht, ohne ins Verderben gezogen zu werden, da er sich an den Mast des Schiffes binden und den Gefährten die Ohren mit Wachs zustopfen lässt. Eine weitere Gefahr lauert in Gestalt des Strudels Charybdis und des sechsköpfigen Seeungeheuers Skylla, zwischen denen Odysseus sein Schiff hindurch manövriert. Bei der Rast auf einer Insel schlachten seine Gefährten die Rinder des Sonnengottes Helios, was Sturm und Schiffbruch zur Folge hat. Als einziger Überlebender strandet Odysseus auf der Insel der Nymphe Kalypso, wo er sieben Jahre bleibt. Dann verschlägt es ihn auf die Insel der Phäaken, und trotz der Liebe zur Königstochter Nausikaa bricht Odysseus nach Ithaka auf, wo heiratswillige Fürsten seine ihm treue Frau Penelope zu einer Wiederverheiratung drängen. Er kehrt unerkannt als Bettler heim und tötet mithilfe seines Sohns Telemach die Freier.

Ist Odysseus strahlender Held oder Schurke?

Bei Odysseus handelt es sich um einen fiktiven Helden, der mehr oder weniger fantastische Abenteuer zu bestehen hat. Homer macht Odysseus zum »guten« Helden, der zwar lügt und betrügt, doch nicht aus Selbstzweck, sondern aus Notwendigkeit. Spätere Historiker teilten diese Auffassung nur zum Teil. Sie bewerteten sein Handeln als ehrlos und verschlagen. Dennoch war er einer der populärsten Helden der Antike und wurde an mehreren Orten kultisch verehrt.

Hinter seinen Reisen und Taten verbirgt sich wohl auch eine Symbolik, die es zu entschlüsseln gilt. Die Gefahrenbewältigung demonstriert Können wie Geschicklichkeit und zeigt ihn als Führungspersönlichkeit, die neben körperlicher Kraft auch ihre Intelligenz zu nutzen weiß. Gerade die Konfrontation mit dem Kyklopen Polyphem stellt anschaulich die Grenzen der menschlichen Physis und den Sieg durch die Waffe des Geistes dar.

Welchen geschichtlichen Bezug hat die Irrfahrt?

Vieles, was in die »Odyssee« eingeflossen ist, spiegelt die Verhältnisse der Mittelmeerwelt in der Zeit von 1250 bis 800/750 v. Chr. wider. Obwohl auf den Untergang der mykenischen Paläste im 12. Jahrhundert v. Chr. die so genannten Dunklen Jahrhunderte folgten, hielt sich neben der Erinnerung an diese Kultur auch die an mykenische Handelsfahrten, die sich im Osten bis zur Küste Kleinasiens und im Westen bis nach Sizilien und Sardinien erstreckten. An diese Fahrten knüpften die kolonialen Unternehmungen der Griechen an, die im späten 9. Jahrhundert v. Chr. ihren Anfang nahmen. In der »Odyssee« erscheinen neben mythologisch verbrämten Völkern wie den Lotophagen oder den Phäaken auch historisch fassbare Völker. So erkennen wir in den in der »Odyssee« erwähnten Phöniziern die Konkurrenten der Griechen um die Vorherrschaft im Mittelmeerraum.

Wann hat Homer gelebt?

Obwohl Geburtsort und Lebensdaten des blinden Dichters unbekannt sind, weshalb man auch schon an seiner Existenz gezweifelt hat, geht man davon aus, dass er im 8. Jahrhundert v. Chr. gelebt hat. Die Zeit Homers scheint zwar noch von Erinnerungen an die glanzvolle Epoche der mykenischen Paläste geprägt, wie man aus einigen Details und Beschreibungen in der »Ilias« ersehen kann. Doch die in der »Ilias« und »Odyssee« dargestellten Lebensumstände zeigen größtenteils die griechische Welt des 9. und 8. Jahrhunderts v. Chr., obwohl die in den Epen geschilderten (historischen) Ereignisse um 1200 v. Chr. angesiedelt sind.

Wussten Sie, dass …

die Homer zugeschriebenen Epen »Odyssee« und »Ilias« die ältesten Zeugnisse der europäischen Literatur darstellen?

die Gestalt des Odysseus nicht nur in der Antike von großem Interesse war? Der Held erscheint in Dantes »Inferno«, und auch James Joyce thematisiert die »Odyssee« in seinem 1922 erschienenen Roman »Ulysses«.

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