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Politische Willensbildung: Wer die Wahl hat, hat die Qual

Nach welchen Prinzipien wird in Deutschland gewählt?

Wahlen in Deutschland müssen dem Grundgesetz zufolge allgemein sein; ausgeschlossen sind nur wenige Personenkreise, die z. B. das Mindestalter noch nicht erreicht haben. Daneben gilt das Prinzip der Stimmengleichheit – alle Stimmen wiegen gleich schwer. Weiterhin müssen die Volksvertreter unmittelbar von der Bevölkerung bestimmt werden, also nicht wie in den USA durch Wahlmänner. Die Wahlen sind geheim; jeder kann seine Entscheidung für sich behalten. Und schließlich sind Wahlen in Deutschland frei: Niemand kann zum Urnengang gezwungen werden.

Da die Bundesrepublik eine parlamentarische Demokratie ist und nach dem Grundgesetz (GG) alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, wählt die Bevölkerung ihre Vertreter für den Bundestag, die Länderparlamente, die Kreistage sowie für die Stadt- und Gemeinderäte direkt. Nicht direkt gewählt werden der Bundespräsident, der Bundeskanzler, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht.

Was sind Erst- und Zweitstimme?

Bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag gilt ein sog. modifiziertes Verhältniswahlrecht. Jeder Wahlberechtigte hat zwei Stimmen: Mit seiner Erststimme wählt er einen Kandidaten aus dem Wahlkreis, mit der Zweitstimme die von ihm favorisierte Partei. Die Zweitstimme ist für das Endergebnis wichtiger, denn auf dem Zweitstimmenanteil einer Partei beruht die Zahl ihrer Mandate. Erst- und Zweitstimmen können für unterschiedliche Parteien abgegeben werden (Stimmensplitting).

Wer kommt in den Bundestag?

Die Hälfte der 598 Bundestagssitze wird über die direkte Wahl an jene Kandidaten vergeben, die in den 299 Wahlkreisen die meisten Stimmen erhalten. Die andere Hälfte wird über das Verhältniswahlrecht verteilt: Auf ihren Landeslisten benennen die Parteien ihre Kandidaten für das jeweilige Bundesland. Hat eine Partei z. B. 10 % der Zweitstimmen errungen, stehen ihr 59,8 Sitze zu. Die Direktmandate werden von dieser Sitzzahl abgezogen, der Rest der Mandate gemäß dem Stimmenanteil in den Bundesländern auf die Landeslisten verteilt.

Erringt eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate, als ihr nach den Zweitstimmen zustehen, werden ihr Überhangmandate zugestanden. Im Bundestag sitzen dann tatsächlich mehr als 598 Abgeordnete.

Was besagt die Fünfprozentklausel?

Die deutsche Wahlgesetzgebung sieht seit 1949 für die Bundestagswahl eine Fünf-Prozent-Sperrklausel vor: Nur Parteien, die mindestens 5 % der Zweitstimmen oder aber drei Direktmandate auf sich vereinigen können, sind nach der Wahl im Parlament vertreten.

Diese Bestimmung soll verhindern, dass im Bundestag viele kleine Splitterparteien sitzen, die die Regierungsbildung und die Abstimmungsverfahren erschweren. Damit zog man die Konsequenz aus der Instabilität der Weimarer Republik, in deren Parlament teilweise über zehn Parteien vertreten waren.

Kann jeder eine Partei gründen?

Ja, aber er muss dabei Regeln beachten. Das Grund- und das Parteiengesetz legen fest, dass jede Person eine Partei gründen kann, diese aber – im Unterschied etwa zu Vereinen – politische Ziele verfolgen und ein politisches Programm haben muss.

Parteien können zwar Schwerpunkte setzen (wie die Grünen bei ihrer Gründung auf Umweltpolitik), müssen jedoch zu allen wichtigen politischen Themen Stellung beziehen. Entspricht das Programm oder die innere Ordnung einer Partei nicht der demokratischen Grundordnung, so kann sie vom Bundesverfassungsgericht verboten werden. Eine Partei muss spätestens sechs Jahre nach ihrer Gründung an einer Wahl teilnehmen, sonst wird sie aus dem Parteienregister gestrichen. Voraussetzung für die Teilnahme an Wahlen sind Unterschriften von wenigstens 0,5 % aller Wahlberechtigten.

Machen nur Parteien Politik?

Nein, auch große Interessengruppen wie Gewerkschaften, Wirtschafts-, Wohlfahrts- und Berufsverbände beeinflussen die Politik. Mithilfe von Lobbyisten (hauptberuflichen Interessenvertretern) versuchen sie auf Politiker einzuwirken, damit diese in ihrem Sinne entscheiden und handeln.

In wichtigen Gremien sitzen Vertreter der Verbände, um einen Ausgleich zwischen den oftmals stark unterschiedlichen Positionen herbeizuführen. Verbände können durch ihren Einfluss in Gesellschaft und Wirtschaft erheblichen Druck auf die Parteien ausüben.

Darf das Volk auch direkt entscheiden?

Das Grundgesetz sieht keine Form der direkten Demokratie wie Volksbegehren oder Volksentscheid vor. Allerdings gibt es in vielen Bundesländern vor allem auf Gemeindeebene Elemente der direkten (plebiszitären) Demokratie.

Beim Volksbegehren handelt es sich um einen dem Parlament vom Volk vorgelegten Gesetzesentwurf oder um die Forderung, einen bestimmten Gesetzesentwurf auszuarbeiten. Bei einem Volksentscheid müsste die Mehrheit der Wahlberechtigten zustimmen, bevor ein Gesetz in Kraft treten kann. Bündnis 90/Die Grünen legten in der Legislaturperiode 1998–2002 einen Gesetzesentwurf zur Einführung von Volksbegehren und Volksentscheiden vor, der jedoch von der CDU/CSU blockiert wurde.

Wie sieht die deutsche Parteienlandschaft aus?

Seit 2005 sind im Bundestag fünf Parteien vertreten: SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Linkspartei. Die CDU/CSU und die SPD werden auch als Volksparteien bezeichnet, da sie die Meinung großer Bevölkerungsteile vertreten.

Die Schwierigkeit der Volksparteien besteht vor allem darin, dass sie drängende Reformen vor sich her schieben, um keine Wähler zu verprellen. Diese Unbeweglichkeit, das Gefühl, die Interessen der Wähler würden nicht ernst genommen, sowie die Tatsache, dass sich die Programme der Volksparteien kaum noch unterscheiden, führten zu einer Politikverdrossenheit. Viele Wahlberechtigte gehen einfach nicht mehr zur Wahl.

Welche Partei ist die stärkste im Bundestag?

CDU und CSU, kurz auch Union genannt. Sie bilden im Bundestag eine Fraktionsgemeinschaft. Insgesamt erhielten CDU/CSU bei der Bundestagswahl 2005 226 Mandate (24 weniger als 2002). Zweitstärkste Partei ist die SPD mit 222 Sitzen (29 weniger). Bündnis 90/Die Grünen errangen 51 (4 weniger), die FDP kam auf 61 (14 mehr) und die PDS auf 54 (52 mehr) Sitze. Aufgrund von 16 Überhangmandaten sind im 16. Deutschen Bundestag 614 Abgeordnete vertreten. Von knapp 62 Mio. Wahlberechtigten blieben 22,35 % den Urnen fern.

Was sind Bürgerinitiativen?

Als Bürgerinitiativen bezeichnet man informelle Zusammenschlüsse von Bürgern zur Durchsetzung bestimmter Interessen, z. B. im Umwelt- oder Verkehrsbereich. Bürgerinitiativen üben in der Regel Druck (etwa durch Protestaktionen) auf staatliche Organe aus. Sie machen ihre Interessen öffentlich, in der Hoffnung, dass sich ihnen weitere Bürger anschließen. Bürgerinitiativen lösen sich im Allgemeinen auf, wenn sie ihr Ziel erreicht haben. Große Ausnahme ist die Partei Bündnis 90/Die Grünen, die Ende der 1970er Jahre aus Umweltinitiativen entstanden ist.

Wofür steht die ...

CDU (Christlich Demokratische Union)? Wie ihre bayerische Schwesterpartei CSU (Christlich-Soziale Union), mit der sie im Deutschen Bundestag eine Fraktion bildet, gilt sie als konservativ. Beide setzen sich für christliche und demokratische Grundwerte, soziale Marktwirtschaft und die Integration Deutschlands in die Europäische Union ein.

SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands)? Die klassische Arbeiterpartei hat sich mit ihrem Godesberger Programm 1959 auch anderen Schichten geöffnet. Sie setzt sich traditionell für soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit ein. Bei der Bundestagswahl 1998 setzte sie auf den Slogan »Die neue Mitte«, was eine Abkehr vom Bild der linken Partei bedeutete. Zu ihren traditionellen Unterstützern zählen die Gewerkschaften. Auch die SPD setzt sich für die Integration Deutschlands in die EU ein.

Partei Bündnis 90/Die Grünen? Ende der 1970er Jahre als »Umweltpartei« aus Bürgerinitiativen hervorgegangen und 1993 mit Bürgerrechtsgruppen der ehemaligen DDR zusammengeschlossen, setzt sie sich auch heute stärker als andere Parteien für Umweltbelange ein. Gleichzeitig kämpft sie für soziale Gerechtigkeit, für mehr direkte Demokratie und gegen die Diskriminierung von Randgruppen.

FDP (Freie Demokratische Partei)? Als liberale Partei steht sie für mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der Bürger, weniger Bürokratie und eine Deregulierung der Wirtschaft. Nach alten liberalen Grundsätzen vertraut die FDP auf die Selbstregulierung der Wirtschaft und fordert so wenig Einmischung des Staates in wirtschaftliche Belange wie möglich.

Linkspartei? Die frühere Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) ist die Nachfolgepartei der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Sie vertritt teils radikale linke Positionen und sieht sich als Interessenvertretung der ostdeutschen Bevölkerung. Vor der Wahl von 2005 schloss sie sich mit der Wahlalternative für Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) – einer Neugründung linker ehemaliger SPD-Mitglieder und Gewerkschafter – zu einem Wahlbündnis zusammen, aus dem bis 2007 eine gemeinsame Partei entstehen sollte.

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