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Quallen: Zauberhafte Wasserbewohner
Sind Quallen immer durchsichtige, frei schwimmende Gebilde?
Nein. Das, was man gemeinhin unter einer »Qualle« versteht, ist bei vielen Arten nur eine von zwei Lebensformen, die sog. Meduse. Quallen zeigen nämlich einen Generationswechsel: Auf jede sich geschlechtlich fortpflanzende Medusengeneration folgt ein sog. Polypenstadium mit ungeschlechtlicher Vermehrung. Diese fest am Boden verankert lebenden Wesen teilen sich durch Einschnürung. Die dabei entstehenden scheibenförmigen, schwimmfähigen Wesen entwickeln sich wieder zum tentakelbesetzen Medusenstadium des Tieres.
Bei Schirmquallen schnüren sich von oben nach unten Scheiben vom Polypenkörper ab. Wenn sich die oberste Scheibe, die den Mund und die Tentakel trägt, löst, werden diese eingeschmolzen; an ihrer Stelle bilden sich Randlappen. Das Ganze um 180° gedreht, die Lücken zwischen den Randlappen mit Velarlappen, Sinneszellen und neuen Tentakeln aufgefüllt – schon ist die Meduse fertig. Den nächsten abgeschnürten Scheiben wachsen ebenfalls Randlappen, bevor sie sich nach und nach ablösen. Die Medusen bilden Eier und Samenzellen, wobei manche Arten die befruchteten Eier bis zur Entwicklung der Larven in ihrem Körper behalten. Die bewimperte Larve selbst ist zunächst im Wasser frei beweglich, bis sie sich mit einem Ende am Grund festsetzt und zum Polyp wird.
Welche Quallen sind lebensgefährlich?
Die Würfelquallen. Sie sind an den Stränden Australiens und im indopazifischen Raum zu Recht sehr gefürchtet: Die »Stiche« der »Seewespen« (Chironex fleckeri und Chiropsalmus quadrigatus) beispielsweise können, wenn sie nicht sofort sachkundig behandelt werden, innerhalb von zwei Minuten zum Tod durch Atemstillstand oder Herzversagen führen. Das in einer Qualle enthaltene Gift reicht aus, um 60–70 Menschen umzubringen. Wo die etwa zehn Zentimeter großen Tiere in Massen auftauchen, können sie ganze Badestrände unbenutzbar machen.
Würfelquallen haben einen fast quadratischen Querschnitt und einen relativ hohen Schirm. An den vier Ecken sitzen die Fangfäden, die bei manchen Arten zu mehreren gebündelt sind. Dank kräftiger Muskeln kann sich der Schirm blitzschnell zusammenziehen, so dass das Tier mit einer Geschwindigkeit von bis zu fünf Kilometern in der Stunde davonschießt. Die meisten der 16 bekannten Arten sind in flachen, tropischen Gewässern zu finden; auf hoher See – wohin sie wohl nur von der Strömung verfrachtet werden – trifft man Würfelquallen nur selten an. Der einzige in Europa heimische Vertreter, Charybdea marsupialis, lebt im Mittelmeer, wo er zum Glück Wassertiefen von 500–1000 m bevorzugt.
Was sind Staatsquallen?
Kolonien von Quallen, die frei auf dem offenen Meer herumschwimmen. Die einzelnen, vegetativ durch Knospung entstandenen Quallen trennen sich nicht, sondern bleiben miteinander verbunden. Die Einzeltiere gestalten sich im Sinne einer differenzierten Arbeitsteilung ganz spezifisch zu Organen um, so dass gleichsam ein übergeordnetes Wesen entsteht. Weil solche Nesseltierkolonien ähnlich wie ein geregeltes Gemeinwesen funktionieren, nennt man sie Staatsquallen.
Staatsquallen bieten trotz ihrer giftigen Tentakel verschiedenen Organismen einen Lebensraum und dienen manchen Hochseebewohnern als Nahrung. So vergesellschaften sich Jungfische gern mit den Quallen. Zwischen den Tentakeln finden sie nicht nur Schutz vor Fressfeinden, sondern sie laben sich auch an den Nahrungsresten ihrer lebenden Herberge und reißen sogar gelegentlich Teile der Staatsquallen ab, um sie zu fressen. Nicht nur der häufig an der Wasseroberfläche dahintreibende Mondfisch (Mola mola) ernährt sich bevorzugt von Segelquallen, auch Hochseeschnecken verschmähen diesen Leckerbissen nicht.
Wozu brauchen Quallen Tentakel?
Um zu jagen. Gewöhnlich suchen Quallen mit ihren Tentakeln das erreichbare Oberflächenwasser nach Fischen und Krebsen ab, die sie mit ihren stark giftigen, in Batterien auf den Tentakeln angeordneten Nesselkapseln betäuben. Die Nesselkapseln springen bei Berührung einer Sinnesborste auf und schießen in Sekundenbruchteilen kleine harpunenartige, mit Widerhaken versehene Stilette, klebrige oder umwickelnde Fäden oder auch pfeilartige Geschosse mit Nervengift in ihr Opfer bzw. ihren Angreifer. Da sie nur einmal abgeschossen werden können, bilden sich die »Patronen« ständig nach. Ziehen sich die Tentakel zusammen, wird die Beute zur Mundöffnung der Nährpolypen hinaufbefördert. Kommt ein Mensch mit den Tentakeln in Kontakt, können stundenlanges schmerzhaftes Hautbrennen oder sogar Herz-Kreislauf-Beschwerden die Folge sein – selbst bei Berührung toter angeschwemmter Tiere oder Tentakel-Bruchstücken.
Die Tentakel können übrigens beachtliche Längen erreichen: diejenigen der Portugiesischen Galeere (Physalia physalis) sind bis zu 50 Meter lang.
Weshalb sind Tiefseequallen nicht durchsichtig?
Um sich in ihrem dunklen Lebensraum zu tarnen. Ein Beispiel ist die Quallenart Periphylla periphylla, die vornehmlich in Tiefen unter 1000 Meter zu Hause ist. Ihre rote Farbe, die auch ihren Magen umgibt, tarnt sie in der Tiefe des Meeres perfekt, denn sie wirkt dort nahezu schwarz. Hinzu kommt, dass diese Farbe wahrscheinlich dafür sorgt, dass kein Licht aus ihrem Magen nach außen dringt, wenn sie Beutetiere gefressen hat, die infolge von Biolumineszenz leuchten. Allerdings hat das Farbpigment auch die Fähigkeit zu leuchten – ob zur Abwehr von Feinden oder zum Anlocken von Beutetieren, ist nicht bekannt. Periphylla periphylla zu fangen und näher zu untersuchen, ist gerade wegen dieses roten Farbstoffs recht schwierig. Unter Lichteinfluss verändert er sich nämlich, wobei die Schirme der Quallen zerstört werden und die Tiere sterben.
Wussten Sie, dass …
es auch Süßwasserquallen gibt? Sie stammen ursprünglich aus Ostasien und wurden 1880 nach Europa eingeschleppt; sie sind nur etwa drei Zentimeter groß und haben keine Tentakel.
die meisten, aber nicht alle Quallen in Nord- und Ostsee ungefährlich sind?
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