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Schweine: Anpassungsfähige Paarhufer
Was machen Wildschweine in der »Rauschzeit«?
Sie paaren sich. In der Rauschzeit, wie die Paarungszeit der Wildschweine fachgerecht genannt wird, liefern sich die Keiler heftige und lautstarke Kämpfe, bei denen sie einander mit den Hauern die Schulter aufzureißen versuchen. Dass es dabei nicht öfter zu tödlichen Verletzungen kommt, verhindern Schilde aus einer mehrere Zentimeter dicken Bindegewebsplatte und dichte Haare, die sich vor der Brunst auf beiden Seiten des Rumpfes ausbilden.
Etwa vier Monate nach der Rauschzeit (bei uns von September bis Februar und dann wieder von April bis Juli) kommen vier bis zwölf lebhafte Junge zur Welt; stirbt der erste Wurf, weil er zu früh geboren wurde, so kann die Bache im selben Jahr noch einmal werfen. Daher sieht man in den Wildparks gelegentlich auch in der zweiten Jahreshälfte Frischlinge. Sobald die Kleinen stark genug sind, schließt sich die Mutter mit ihnen wieder der Rotte an, in der bis zu 20 Weibchen mit ihren Jungtieren zusammenleben. Die großen Keiler sind in der freien Natur außerhalb der Paarungszeit Einzelgänger.
Übrigens: Der Urahn unserer Hausschweine, das Eurasische Wildschwein (Sus scrofa), lebt in den Wäldern und Feuchtgebieten der gemäßigten und tropischen Zonen Europas, Asiens und Nordafrikas. Da viele Wildgehege an Menschen gewöhnte Wildschweine halten, die man in Ruhe bei ihrem Treiben beobachten kann, ist eine Beschreibung der in unseren Breiten bis zu 200 Kilogramm schweren Tiere und ihrer markant ockergelb und graubraun gestreiften Frischlinge kaum nötig. Wildschweine werden mit neun bis 18 Monaten geschlechtsreif und erreichen ein mittleres Alter von nur zwei Jahren, da die Sterblichkeit vor allem im ersten Jahr sehr hoch ist.
Fressen Wildschweine alles?
Ja, zumindest, wenn es natürlichen Ursprungs ist. Die Allesfresser vertilgen Eicheln, Bucheckern, Pilze, Adlerfarn und Wegerich – und leider auch Saat und Feldfrüchte. Selbst allerlei fleischliche Kost wie etwa Maulwürfe, Schnecken, Insektenlarven, Aas und Mäuse verschmähen sie nicht. Manche Wildschweine entwickeln beim Mäusefang sogar ein erstaunliches Geschick.
Wann ist ein Schwein ein »Überläufer«?
Unter einem »Überläufer« verstehen Fachleute ein etwa einjähriges Wildschwein, dessen Frischlingsstreifen kaum noch zu erkennen sind. Wenn Jäger oder Förster über das »Schwarzwild«, also Wildschweine, sprechen, verwenden sie ein ganz eigenes Vokabular, das zum Teil auch in die Alltagssprache Eingang gefunden hat. So weiß fast jeder, dass die Eber beim Wildschwein Keiler, die Säue Bachen und die Ferkel Frischlinge heißen. Das Blut, das ein angeschossenes Wildschwein vergießt und anhand dessen der Jäger oder sein Hund das Tier wieder aufspüren, nennt man »Schweiß«. Und die aus dem Maul ragenden Unterkiefereckzähne sind die »Gewehre«, die kleineren oberen Eckzähne die »Haderer«; beide werden auch als »Hauer« bezeichnet. Nicht nur Wild-, sondern auch Hausschweine wälzen sich zur Hautpflege gerne in der »Suhle«, einem Tümpel oder einer morastigen Stelle.
Wie wachsen die Zähne des Hirschebers?
Die krummdolchartigen oberen Eckzähne beim Männchen der Schweinart Babyrousa babyrussa wachsen durch die Schnauze nach oben, durchstoßen etwa auf halber Strecke zwischen Nasenspitze und Augen die Nasenhaut und krümmen sich dann nach hinten. Diese Zähne werden bis zu 30 Zentimeter lang und sind nur locker im Kieferknochen verankert. Auch die unteren Eckzähne werden sehr mächtig und wachsen schräg nach hinten aus dem Maul heraus. Diese geweihartigen Gebilde haben dem Tier den Namen Hirscheber eingetragen.
Übrigens: Das Fleisch der bis zu 100 Kilogramm schweren und etwa einen Meter langen Tiere gilt als Delikatesse. Wilderei und Lebensraumverlust haben diese bizarren Regenwaldbewohner, die in kleinen Gruppen umherziehen, gut schwimmen können und selbst Meeresarme überqueren, an den Rand des Aussterbens gebracht.
Hat das Pustelschwein Pickel im Gesicht?
Ja, deshalb heißt es auch Pustelschwein (Sus verrucosus). Das Schwein, das in elf Unterarten unter anderem auf Java, Bawean und Madura vorkommt, trägt auf jeder Kopfseite drei markante Warzen: eine vor, eine unter dem Auge und eine am Unterkiefer. Diese kann bei alten Keilern so groß werden, dass sie als schlaffe Blase am Kiefer schlackert. Das Haar der stark vom Aussterben bedrohten Tiere ist rötlich oder gelblich mit schwarzen Spitzen, der Kopf lang gestreckt. Da Pustelschweine selten in Zoos gehalten oder in freier Wildbahn untersucht wurden, weiß man über ihre Lebensgewohnheiten nur wenig.
Seit wann werden Schweine gezüchtet?
Die gezielte Schweinerassenzucht setzte in der Mitte des 18. Jahrhunderts zunächst in England ein, als man im Rahmen der Industrialisierung und Verstädterung von der Selbstversorgung allmählich zum Handel mit Schweinen und Schweinefleisch überging. Zu diesem Zweck benötigte man frühreife, fettreiche und transportfähige Tiere. 1874 wurden im Deutschen Reich Marschschweine (Jütländisches Schwein, Holsteinisches Schwein, Westfälisches Schwein), Landschweine (Bayerisches Schwein, Württembergisches Schwein, Mährisches Schwein), gekreuzte Hausschweine (Düsselthaler Schlag, Hundisburger Schwein, Glan-Schwein etc.) und englische Rassen (Large White, Middle White, Small White) gehalten.
Im 20. Jahrhundert rückte die Umzüchtung zum reinen Fleischschwein in den Vordergrund und viele alte Rassen verschwanden. 1968 waren bereits 95 Prozent aller eingetragenen Tiere sog. Veredelte Deutsche Landschweine. Zwar wurden in den 1980er Jahren etliche alte Rassen wiederentdeckt – unter anderem, weil sie gegen manche Schweinekrankheiten resistent sind und einen wichtigen Genpool zur Überwindung von Überzüchtungseffekten darstellen –, aber viele regionale, an die unterschiedlichen Klimata und Futterbedingungen angepasste Züchtungen wie das Lincolnshire Curly Coat (ein robustes Tier mit dichter, krauser Wolle) sind unwiederbringlich verloren. 1995 gehörten in Westdeutschland knapp 59 Prozent aller Tiere im Herdbuchbestand der deutschen Landrasse an; mit knapp 27 Prozent an zweiter Stelle lag das stressanfällige, oft kreislauf- und fertilitätsgestörte, aber fettarme Piétrain-Schwein, das in kürzester Zeit möglichst viel Muskelfleisch ansetzt.
Schützt die Fleischbeschau vor Krankheiten?
Ja, auf jeden Fall, denn viele Säugetiere, darunter auch der Mensch, die Ratte und das Schwein, können an Trichinose erkranken, einer von Schweinen übertragenen Krankheit. Verursacher der schwer zu behandelnden Erkrankung, die sich durch Darmbeschwerden, Fieberschübe, Ödeme und Muskelschmerzen bemerkbar macht und bei Herz- oder Lungenkomplikationen zum Tode führen kann, ist der parasitische Fadenwurm Trichinella spiralis.
Wie sichern Warzenschweine ihre Erdhöhle?
Sie verschließen sie mit ihrem Kopf! Anders als die meisten Schweine sind Warzenschweine ausschließlich tagaktiv. Die kleinen Verbände aus einem oder zwei Weibchen mit ihren Jungen, denen sich tagsüber manchmal ein Keiler anschließt, ziehen sich in der Abenddämmerung in Erdhöhlen zurück, die sie – trotz ihrer guten Grabfertigkeit – nicht selber anlegen, sondern von den ungefähr gleich großen Erdferkeln (Orycteropus afer) übernehmen. Die Kleinen kriechen mit dem Kopf voran in die Erdhöhle hinein und wenden im Inneren, die Erwachsenen schieben sich rückwärts in den Bau. Das letzte Tier versperrt schließlich mit seinem massigen Kopf den Höhleneingang.
Woher hat das Nabelschwein seinen Namen?
Von einer Rückendrüse, die, wenn die Tiere sie nicht gebrauchen, zwischen den Haaren versteckt und in die Haut eingesenkt ist; sie sieht dann einem Nabel ähnlich. Nabelschweine, die auch Pekaris genannt werden, können das Fell so abspreizen, dass die Drüse freigelegt wird und sie den weißen, milch- bis wachsartigen Inhalt auf Bäume und Grasbüschel versprühen können. Sie reiben sich aber auch an Gegenständen und verteilen das Sekret bei der gegenseitigen Körperpflege auf ihrem Fell, was offenbar die Bindung zwischen den Rottenmitgliedern stärkt.
Wie schleifen Pekaris ihre messerscharfen Hauer?
Indem sie die Hauer aneinander reiben. Dass dieser Vorgang funktioniert, liegt in der Anatomie des Gebisses begründet. Das Gebiss von Pekaris erinnert nämlich eher an dasjenige von Raubtieren, denn die oberen Eckzähne sind nicht wie Hauer nach oben gerichtet, sondern wie Reißzähne nach unten und ragen auch nicht aus dem Maul heraus. Ihre Vorderseite reibt sich beim Zubeißen an der Rückseite der ebenfalls gut entwickelten unteren Eckzähne, so dass sie einander ständig schleifen und dadurch geschärft werden.
Diese gefährlichen Waffen setzen die Allesfresser nicht zur Ernährung ein, sondern zur Verteidigung: Mutig stellen sie sich ihren Verfolgern – Kojoten, Pumas, Jaguaren, aber auch Menschen und Hunden – entgegen und drohen zunächst, indem sie die Ohren anlegen, das Maul aufreißen, laut mit den Zähnen klappern oder die Kiefer hart aufeinander schlagen lassen. Sie sollen sogar vereinzelt berittene Jäger umstellt haben und an den Pferden hochgesprungen sein, um ihre schmerzhaften Bisse an den Mann zu bringen. Nutzen alle Drohgebärden nichts, können Pekaris auch ganz schnell die Flucht ergreifen.
Wozu dienen die Ohren des Pinselohrschweins?
Sie versuchen damit, ihren Rivalen zu imponieren. Die langen, spitzen Ohren des Kamerun-Pinselohrschweines (Potamochoerus porcus pictus), das in den Sumpfwäldern am Unterlauf des Niger zu Hause ist, tragen pinselartige Haarbüschel an den Enden und werden als Ausdrucksmittel eingesetzt. So imponieren die Männchen ihren Artgenossen, indem sie sich seitlich stellen, einen Buckel machen, der den weißen Aalstrich zur Geltung bringt, und den Kopf mit waagerecht ausgestreckten Ohren zur Seite drehen.
Was bedeutet »Perlen vor die Säue werfen«?
Etwas Wertvolles für jemanden zu tun, der es nicht zu würdigen weiß. Dass solche beliebten Haustiere wie die Schweine auch in der Sprache ihre Spuren hinterlassen haben, versteht sich fast von selbst. So hatte »Schwein« im Sinne von Glück sicherlich schon jeder einmal – aber warum Schwein? Die Wendung bezieht sich wahrscheinlich auf eine mittelalterliche Sitte: Bei Wettkämpfen erhielt der Schlechteste als Trostpreis ein Schwein. Wer also das Schwein bekam, erhielt einen Preis, für den er eigentlich nichts geleistet hatte.
Wenig gebührlich benimmt sich, wer rast wie eine gesengte Sau, die wilde Sau spielt, die Sau rauslässt oder jemanden zur Sau macht. Wer eine Sau durchs Dorf treibt, also mit Nachrichten Aufmerksamkeit zu erregen versucht, darf ebenfalls nicht auf das Verständnis seiner Mitmenschen hoffen. Und nicht zuletzt ist »Schwein« ein verbreitetes Schimpfwort.
Wussten Sie, dass …
Bartschweine oft von Straußwachteln (Rollulus roulroul) begleitet werden? Die kleinen Wachteln picken die von den wühlenden Bartschweinen ausgegrabenen und aufgescheuchten Würmer auf und lesen Zecken von ihrer Haut ab. Sobald die aufmerksamen Vögel Warnrufe ausstoßen, ergreifen die Schweine die Flucht.
Zwergwildschweine (Sus salvanius) mit einer Länge von 66 Zentimetern gerade einmal die Maße eines gut genährten Feldhasen haben? Das Riesenwaldschwein (Hylochoerus meinertzhageni) dagegen erreicht eine Körperlänge von über zwei Metern und ein Gewicht von 275 Kilogramm.
Wie findet die Sau den Trüffel?
Mit ihrer hochempfindlichen Nase! Trüffel verströmen nämlich den Sexuallockstoff Androsterol, so dass die Sau glaubt, einem jungen Eber auf der Spur zu sein. Drei Wochen dauert die Ausbildung eines Ferkels zum Trüffelschwein; es lernt, bei Fuß zu gehen und nur dem Trüffelduft zu folgen. Problematisch ist der Moment, in dem man dem Tier seinen Fund abnehmen muss: Anders als ein Trüffelhund verspeist das Schwein die Knollen gerne selbst, obwohl sie schwer verdaulich sind. Vermutlich gehört dies zur Fortpflanzungsstrategie der Pilze: Wildschweine fressen die reifen Fruchtkörper und scheiden die Sporen an anderer Stelle unverdaut wieder aus, so dass dort ein neues Trüffelpilzmyzel entstehen kann. Trüffelpilze haben bis zu 15 Zentimeter große, kartoffelartige Fruchtkörper, die etwa 30 Zentimeter unter der Erde wachsen – oft in der Nähe von Eichen und Pappeln, mit denen sie in Symbiose leben. Um an die wertvollen Delikatessen zu gelangen, für die Feinschmecker teils über 1000 Euro pro Kilogramm bezahlen, werden oft auch trainierte Hunde eingesetzt. In Frankreich hingegen baut man traditionell auf weibliche Hausschweine.
Wussten Sie, dass …
in Asien bereits vor 11 000 bis 8000 Jahren, in Mitteleuropa seit etwa 6000 Jahren Schweine domestiziert wurden? Eine regelrechte Züchtung spezieller Rassen setzte aber erst ein, als man die Schweineherden nicht mehr regelmäßig über die Äcker und in den Wald trieb, sondern die Tiere in Koben hielt.
Schweine als Glücks-, Fruchtbarkeits- und Wohlstandssymbole schon im Altertum geschätzt wurden? Den Germanen war der Eber heilig, die Griechen opferten ihrer Ackerbaugöttin Demeter Schweine.
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