Wissensbibliothek

Sozialismus und Kommunismus: Wege aus dem Elend?

Warum gab es in den großen Städten so viel Elend?

Die Ursachen dafür lagen in der Industrialisierung und dem großen Bevölkerungswachstum im 19. Jahrhundert. Die ländlichen Regionen boten nur wenigen Menschen ausreichenden Broterwerb, weshalb eine Landflucht einsetzte. Doch auch in den Städten kam es zu einem Überangebot an Arbeitskräften. Viele Menschen waren daher bereit, unter schlechten Bedingungen für einen Hungerlohn zu arbeiten. Der größte Teil der Arbeiterschaft lebte in Armut, unter schlechten hygienischen Bedingungen und immer im Kampf um die Existenzsicherung der Familie.

Wie organisierten sich die Arbeiter?

Interessenvereine wurden gegründet, in denen sich der Widerstand gegen die Verhältnisse formierte, wie 1837 der Bund der Gerechten, ein Zusammenschluss wandernder Handwerker. Aus ihm entstand 1847 der Bund der Kommunisten. 1863 gründete sich der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein, ein Vorläufer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. 1869 erfolgte unter Führung von August Bebel die Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, die sich auf Marx und Engels berief. Aus dem Zusammenschluss beider Organisationen ging 1875 die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands hervor.

Wer schuf das Fundament des Kommunismus?

Die deutschen Philosophen und Politiker Karl Marx (1818–1883) und Friedrich Engels (1820–1895) entwickelten Mitte des 19. Jahrhunderts die grundlegende Theorie des Kommunismus. Zu ihren bedeutendsten Schriften gehören ihr Kommunistisches Manifest von 1848 und Marx' politisch-ökonomisches Hauptwerk »Das Kapital«.

Nach Marx hätten sich in der Geschichte stets wenigstens zwei Klassen gegenübergestanden: die herrschende und die von ihr abhängige Klasse (z. B. Freie und Sklaven, Feudalherren und Leibeigene). Doch erst im Zeitalter der Industrialisierung hätten die unterdrückten Klassen die Fähigkeit erworben, selbst eine Gesellschaft zu leiten. Hinzu komme, dass erst jetzt das Proletariat groß genug sei und das Potenzial zu einer Revolution besäße. Mit der Zerschlagung der kapitalistischen Strukturen würden die Produktionsmittel (z. B. Fabriken) in gesellschaftlichen Besitz übergehen, und es würde sich eine klassenlose Gesellschaft bilden.

Wie definierte sich der russische Kommunismus?

In Russland gab Wladimir I. Lenin dem Marxismus eine neue Stoßrichtung: Er forderte – im Gegensatz zu Marx, nach dem die Revolution von der arbeitenden Klasse ausgeht – eine Diktatur der kommunistischen Partei, Diktatur des Proletariats genannt, die eine kommunistische Gesellschaftsordnung durchsetzen sollte. Seine Begründung: Russland sei ein rückständiges Land, die arbeitende Klasse sei nicht in der Lage, die Gesellschaft auf revolutionäre Weise umzugestalten – die Initialzündung müsse von der Partei ausgehen.

Josef Stalin, Lenins Nachfolger, entwickelte den Stalinismus, die Diktatur der Parteiführung, die er nutzte, um mit brutalen und repressiven Methoden gegen politische Gegner vorzugehen sowie andere »Klassen« (Groß- und Mittelbauern), »Abweichler« und »Volksfeinde« zu liquidieren.

Wie sah der Kommunismus in China aus?

China passte die Ideen des Marxismus an die Bedürfnisse der herrschenden Parteieliten an. Nach der Gesellschaftstheorie des Maoismus (nach dem Führer der kommunistischen Partei Mao Zedong) könnten auch nach der Einführung des Kommunismus aufgrund von gesellschaftlichen Widersprüchen Klassenkämpfe fortbestehen, so dass immer wieder revolutionäre Maßnahmen unabdingbar seien. Außerdem müsse jede Generation ihre eigenen revolutionären Erfahrungen machen; nur so könne es in einer Gesellschaft zum Fortschritt kommen.

Übrigens: Die Spielart des Sozialismus in Jugoslawien (nach 1945), nach dem Parteiführer, Josip Broz Tito, Titoismus genannt, löste sich von der hegemonialen UdSSR. Besonders bei der Organisation der Wirtschaft ging Tito ganz eigene Wege (z. B. »Arbeiterselbstverwaltung«).

Was bedeutet Kommunismus?

Der Begriff bezeichnet eine gesellschaftspolitische Utopie, die das Ziel einer klassenlosen Gesellschaft mit sozial gleichgestellten Mitgliedern hat. Die Produktionsmittel befinden sich im Besitz des Volkes und nicht in den Händen weniger. Bedeutende Theoretiker und Politiker des Kommunismus waren Karl Marx, Friedrich Engels und Wladimir I. Lenin. In die Realität konnte diese Gesellschaftstheorie nicht umgesetzt werden. In den Staaten mit einer kommunistischen bzw. sozialistischen Gesellschaftsordnung (z. B. der Sowjetunion) übernahm die kommunistische Partei die dominierende Stellung. Das führte zu Einparteiendiktatur, zentraler Lenkung der Wirtschaft und Unterdrückung Andersdenkender.

Wussten Sie, dass …

1878 im deutschen Kaiserreich das Sozialistengesetz erlassen wurde, das die Betätigung der Sozialistischen Arbeiterpartei und aller anderen sozialistischen Gruppierungen, auch Gewerkschaften, verbot?

das Sozialistengesetz der Entwicklung der sozialistischen Parteien jedoch keinen dauerhaften Abbruch tat? Im Gegenteil: Nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes war der Aufstieg der Sozialisten in Deutschland nicht mehr aufzuhalten.

Palm_tree_at_the_hurricane,_Blur_leaf_cause_windy_and_heavy_rain
Wissenschaft

Mehr Klarheit beim Klima

Computersimulationen gehören zu den wichtigsten Werkzeugen der Klimaforschung. Sie werden ständig weiter entwickelt – auch mit Künstlicher Intelligenz. von THOMAS BRANDSTETTER Die Computersimulationen der Klimaforscher haben gigantische Ausmaße angenommen. Auf Supercomputern mit einer Unmenge an Daten versuchen die...

Wissenschaft

Gesichtstemperatur könnte biologisches Alter verraten

Kalte Nase, warme Wangen: Diese Merkmale deuten einer Studie zufolge auf ein höheres biologisches Alter hin. Mit Hilfe eines KI-Modells haben Forschende Wärmebildaufnahmen der Gesichter von mehr als 2800 Personen ausgewertet und festgestellt, dass die Temperaturmuster im Gesicht nicht nur altersabhängig sind, sondern auch...

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Fremdwörterlexikon

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon