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Braun verbietet Rot
Mit der Begründung, dass die Auslandsleitung der Partei auch vor "hoch- und landesverräterischen Unternehmungen gegen Deutschland und seine rechtmäßige Regierung" nicht zurückschrecke, wird die SPD am 22. Juni 1933 von Reichsinnenminister Wilhelm Fric verboten.
In der Verbotsverfügung heißt es: "Insbesondere sollen sämtliche Mitglieder der SPD, die heute noch den Volksvertretungen und Gemeindevertretungen angehören, von der weiteren Ausübung ihrer Mandate sofort ausgeschlossen werden. Den Ausgeschlossenen werden selbstverständlich die Diäten gesperrt. Der Sozialdemokratie kann auch nicht die Möglichkeit gewährt werden, sich in irgendeiner Form propagandistisch zu betätigen. Versammlungen der Sozialdemokratischen Partei sowie ihrer Hilfs- und Ersatzorganisationen werden nicht mehr erlaubt werden, ebenso dürfen sozialdemokratische Zeitungen und Zeitschriften nicht mehr herausgegeben werden. Das Vermögen der Sozialdemokratischen Partei und ihrer Hilfs- und Ersatzorganisationen wird, soweit es nicht bereits in Verbindung mit der Auflösung der Freien Gewerkschaften sichergestellt worden ist, beschlagnahmt. Mit dem landesverräterischen Charakter der Sozialdemokratischen Partei ist die weitere Zugehörigkeit von Beamten, Angestellten und Arbeitern, die aus öffentlichen Mitteln Gehalt, Lohn oder Ruhegehalt beziehen, zu dieser Partei selbstverständlich unvereinbar."
Auf Beschluss des SPD-Vorstandes vom 4. Mai waren zunächst sechs seiner Mitglieder ins Ausland gegangen. Die Differenzen zwischen der Berliner Führung und der Auslandsleitung, die am 2. Juni offiziell den Sitz des Parteivorstandes nach Prag verlegte, hatte sich u.a. an der Teilnahme der Fraktion an der Reichstagssitzung vom 17. Mai entzündet.
Auf gemeinsamen Sitzungen mit Abgesandten der Berliner Gruppe am 9. Juni in Prag und am 13. Juni in Bodenbach suchte die Prager Auslandsleitung (Otto Wels, Hans Vogel, Friedrich Stampfer, Siegfried Crummenerl, Otto Hertz, Erich Ollenhauer und Siegfried Aufhäuser) ohne Erfolg eine Verständigung. Die Prager wollen vom Ausland aus den Kampf gegen das Hitler-Regime führen, die Berliner im Interesse der vielen Parteimitglieder möglichst lange legal weiterarbeiten.
Am 19. Juni tagte im preußischen Landtag eine Reichskonferenz der SPD, an der die Berliner Mitglieder des Parteivorstandes, die Vorsitzenden der Reichstags- und Landtagsfraktion und die Bezirkssekretäre teilnahmen. Sie wählten einen neuen Vorstand aus Franz Künstler, Paul Löbe, Erich Rinner, Johannes Stelling und Max Westphal. Er erklärte sich zur Führung der Partei und lehnte jede Verantwortung für alle Äußerungen des Prager Exilvorstandes ab. Doch auch diese Erklärung nützte nichts mehr: Stelling wird ermordet; Löbe und die übrigen Vorständler mit Ausnahme des nach Prag abgereisten Rinner verhaftet und erst Ende 1933 aus der Haft entlassen.