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Clubhouse: Kurzfristiger Hype oder hohes Potenzial?

Ob über Politik, Wirtschaft oder etwa Gesellschaft – mit der Social-Media-App Clubhouse können Nutzer weltweit Live-Gesprächen zu ganz unterschiedlichen Themen zuhören oder sich an Diskussionen beteiligen. Da dieses rein audiobasierte Format bisher selten ist und von vielen Berühmtheiten genutzt wird, gewinnt die App immer mehr an Beliebtheit. Aber ist der Hype berechtigt? Warum kann nicht einfach jeder teilnehmen? Und welche Kritikpunkte gibt es?
ABO, 16.02.2021

Clubhouse ist eine Audio-App, bei der die Nutzer Gesprächen einfach nur zuhören oder sich aktiv an Diskussionen beteiligen können. Im Gegensatz zu den meisten Konkurrenz-Angeboten kann man Beiträge nicht schriftlich kommentieren oder “Likes” vergeben.

Unsplash.com, Dimiry Maskin

Clubhouse ist eine kostenlose Audio-Plattform, mit der Nutzer selbst digitale „Räume“ zu einem bestimmten Thema eröffnen und darin Live-Vorträge zu unterschiedlichen Themen halten können. Andere Benutzer können den Gesprächen wie bei einem Podcast zuhören oder sich an Diskussionen beteiligen. Die Gesprächsrunden leitet ein Moderator, der Zuhörern erlauben kann zu sprechen und sie auch wieder stummschaltet. Wer etwas sagen möchte, kann sich mit einem digitalen Handzeichen melden.

Besonders und exklusiv

Clubhouse wurde von den US-Amerikanern Paul Davison und Rohan Seth gegründet und im Frühjahr 2020 vom Softwareunternehmen Alpha Exploration Co. veröffentlicht. Die App ist bisher nur für IPhone-Geräte verfügbar, denn noch arbeiten die Entwickler daran, sie auch für Android-Nutzer nutzbar zu machen und zudem die Funktionsweise zu verbessern.

Was die App im Gegensatz zu anderen Social-Media-Plattformen so besonders macht, ist ihr Prinzip: Denn Menschen aus aller Welt können miteinander und mit Experten über verschiedene Themen sprechen, sich dabei fortbilden, ihre Meinung öffentlich machen und Ideen entwickeln – und zwar nur über die Stimme. Bei dem rein audio-basiertem Format gibt es also weder die Möglichkeit eine Kamera zu benutzen, noch – wie sonst oft üblich - Kommentare zu schreiben. Das macht die Kommunikation oft noch spontaner und offener.

Aber nicht nur das unterscheidet die Plattform von bisher üblichen Apps. Auch der Zugang ist nicht so einfach wie bei Instagram, Facebook und Co. Denn es bekommen nur diejenigen Zugriff auf Clubhouse, die von einem bereits registrierten Nutzer explizit eingeladen wurden. Und nicht jedes Mitglied lädt einfach Fremde ein. Denn wer einen neuen Nutzer hinzufügt, ist für diesen auch quasi „verantwortlich“ und muss mit Konsequenzen fürchten, wenn das neue Mitglied sich auffällig verfällt und gegen Regeln verstößt.

Ein iPhone sollte es schon sein...

Was sagen die Deutschen?

Das besondere Prinzip und die Exklusivität machen Clubhouse zu einem neuen Hype: Während es Ende Dezember 2020 weltweit rund 600.000 Clubhouse-Nutzer gab, gehen Experten heute von einigen Millionen Menschen aus, die die App wöchentlich verwenden. Darunter sind hauptsächlich junge Erwachsenen aus aller Welt. Besonders interessant wird die App aber auch, weil einige prominente Menschen sie nutzen - wie zum Beispiel Politiker, Sänger sowie Moderatoren und sogenannte „Influencer“, die in den sozialen Medien sehr bekannt sind.

Aber wie sieht die Resonanz in Deutschland aus? Das haben Forscher um Tobias Kollmann von der Universität Duisburg-Essen  in einer Kurzstudie untersucht. Dafür befragten sie zunächst insgesamt 5.000 Deutsche, ob sie die App kennen. Schließlich sollten 500 bereits aktiver Clubhouse-Nutzer zusätzlich Fragen zu ihrer Nutzung, ihrer Erfahrung, ihren Interessen an der App und die Erwartungen für die Zukunft beantworten.

Es zeigte sich: Mit rund 45 Prozent hat fast jeder Zweite der Befragten bereits von der App gehört – insbesondere jüngere Menschen im Alter von 18 bis 39 Jahren. Aber auch unter den über 65-Jährigen hat jeder Dritte Clubhouse schon wahrgenommen. Benutzt haben sie allerdings nur rund drei Prozent der 5.000 Studienteilnehmer - die meisten davon hatten einen hohen Bildungsabschluss und lebten in Großstädten. „Clubhouse ist bislang noch ein gesellschaftliches Randphänomen“, erklärt Kollmann zumindest in Bezug auf die deutsche Bevölkerung. „Die vermeintliche digitale Kommunikationselite scheint auf dieser Plattform noch weitgehend unter sich zu sein.“

Nur ein kurzfristiger Hype?

Auch wenn der Hype in Deutschland noch nicht sehr stark ist, hat fast jeder Zweite der befragten 500 Nutzer bisher positive Erfahrungen mit Clubhouse gemacht hat. Jeder Dritte der Probanden ist noch nicht sicher, wie Clubhouse zu bewerten ist. „Über die erste Begeisterung hinaus muss noch ein Lernprozess mit der neuen Kommunikationsform stattfinden, wie man sich dort verhält und wie man miteinander im Jedermann-Talk umgeht”, erläutert Kollmann.

Aber was interessiert die Nutzer am meisten an der App? Laut der Studienergebnisse verfolgen die befragten Clubhouse-Nutzer vor allem Gespräche zu den Themen Politik und Gesellschaft. Nur jeder Zehnte war an Business-, Sport- oder Unterhaltungsthemen interessiert. „Das Medium bietet im Superwahljahr ein großes Potenzial für politische Informationen und Debatten“, sagen die Forscher. „Politische Kommunikation wandelt sich immer stärker hin zu einer Dialogorientierung. Clubhouse bietet diesen niedrigschwelligen Ansatz und könnte daher eine größere Bedeutung erlangen”, sagt Kollmanns Kollegin Janina Mütze.

Dass Clubhouse aber wirklich zukünftig gegen große Social-Media-Anbieter wie Twitter oder Facebook bestehen kann, glaubt etwa jeder Zweite der befragten Clubhouse-Nutzende nicht. „Das könnte insbesondere an der noch fehlenden Reichweite, dem Datenschutz und den noch unzureichenden Funktionalitäten liegen”, folgert Kollmann.

Es gibt auch Kritik

Tatsächlich steht die App auch in der Kritik: So bietet Clubhouse zwar die Möglichkeit, frei mit anderen Menschen zu reden. Gleichzeitig kann es durch diese freie Meinungsäußerung und die fehlende Kontrolle auch schnell zu zum Beispiel rechtsextremen oder sexistischen Äußerungen oder Diskriminierungen kommen, die nicht direkt gemeldet werden können. Denn solche Inhalte aus einem Gespräch herauszufiltern und später zu belegen, ist schwieriger als bei reinen Textbeiträgen.

Außerdem kritisieren Experten, dass nur eingeladene Menschen auf die App zugreifen können. So werden viele Menschen ausgeschlossen, die vielleicht auch gerne an den Gesprächen teilnehmen würden. Durch das rein auditive Format können zudem keine gehörlosen Menschen die Gespräche verfolgen oder an den Diskussionen mitmachen.

Außerdem warnen beispielsweise Stiftung Warentest oder der Verbraucherzentralen-Bundesverband, dass die Daten der Clubhouse-Nutzer nicht ausreichend geschützt sind. Die App verstößt demnach gegen die Datenschutz-Grundverordnung, da unter anderem kein Ansprechpartner für Datenschutzanfragen genannt wird und die Daten der Nutzer ohne bestimmten Zweck gesammelt werden.

Zudem teilen die Nutzer automatisch auch private Kontaktdaten von ihrem Smartphone mit der App, da sie bei der Nutzung Zugriff auf das digitale Adressbuch bekommt. So werden also etwa Telefonnummern von Freunden, die Clubhouse gar nicht benutzen, an die App weitergegeben. Auch umstritten ist, dass die App die Gespräche kurzzeitig aufzeichnet und erst löscht, wenn der Raum wieder geschlossen wird.

Erst, wenn die Entwickler diese Mängel beheben können, könnte Clubhouse womöglich langfristig von Bedeutung sein. Gerade jetzt, wo Talkshows und öffentliche Diskussionsrunden nur eingeschränkt möglich sind.

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