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Ein Plädoyer für Linkshänder

Etwas "mit links zu erledigen", "mit dem linken Fuß aufgestanden" zu sein, ein "linkisches Benehmen" an den Tag zu legen oder noch deutlicher, jemanden als "linke Bazille" zu bezeichnen – all diese Formulierungen zeigen deutlich, wie sehr wir unsere "Herzensseite" diskriminieren - so sehr, dass sich die Bevorzugung von rechts gegenüber links bis tief in den Sprachgebrauch  gegraben hat. Das beweist auch das Gegenbeispiel: So findet sich "rechts" sich in "rechtschaffend", "rechtens" und "gerecht" wieder, ist damit also deutlich positiver besetzt. Spätestens der Tag der Linkshänder am 13. August ist nun der optimale Anlass für ein lange fälliges Plädoyer pro links.

von wissen.de-Autorin Susanne Böllert

Rechts ist die Norm, Links das Anormale

Buchstaben malen mit links
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Instinktiv geben wir der Regel den Vorzug vor der Ausnahme.  Rechts – das ist die Norm, das Normale. Links ist das Anormale. Unter dieser vorschnellen Wertung leiden verständlicherweise die Linkshänder, die - je nach Schätzung - fünf bis zehn Prozent der Menschen ausmachen. Scheren, Collegeblocks, Fotoapparate, Bohrmaschinen, ja sogar Schusswaffen – sie alle sind für Rechtshänder ausgelegt und stellen für Linkshänder lauter kleine Tücken des Alltags dar. Zuletzt klagten die Linkshänder gegenüber Apple, das iPhone sei für sie kaum zu nutzen, denn unweigerlich verdeckten sie bei seinem Gebrauch die Antenne und störten damit den Empfang.

 

Die Umprogrammierung des Hirns

Doch am meisten leiden unter der gesellschaftlichen "Rechtslastigkeit" die Linkshänder, die man von ihrer vermeintlich falschen Händigkeit geheilt hat. So haben eigentlich linkshändige Kinder, die in der Schule gezwungen wurden, mit rechts zu schreiben, häufig ein Leben lang an dieser aufgezwungenen Umprogrammierung ihres Hirns zu knacken. Denn um nichts anderes handelt es sich dabei. Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisschwächen, Sprachprobleme bis hin zum Stottern, Rechtschreibschwächen bis hin zur Legasthenie und daraus resultierend Minderwertigkeitsgefühle und Verunsicherung können Folgen eines erzwungenen Umlernens von links auf rechts sein.

 

Exkurs ins Hirn

Kein Kompetenzgerangel
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Um das zu verstehen, ist ein Exkurs in die menschliche Steuerungszentrale hilfreich. Dann sehen wir, dass Hirn und Motorik spiegelverkehrt zueinander in Beziehung stehen: Die Bewegungen, die wir mit der linken Körperhälfte ausführen, steuert unsere rechte Hirnhälfte; die Tätigkeiten, die wir mit links machen, dagegen die rechte.

Ist ein gebürtiger Linkshänder nun aber gezwungen, mit rechts seine Suppe zu löffeln, seine ersten Buchstaben zu malen und der Oma die "schöne", also die rechte Hand zur Begrüßung zu reichen, kommt es sofort zu einem Kompetenzgerangel im Gehirn. Die eigentlich dominante Hälfte darf ja nicht zum Zuge kommen, während die schwächere Seite den schwierigen Prozess des Schreibenlernens und die gesamte sonstige Feinmotorik steuern muss. Ein Missverhältnis, das zwangsläufig zu permanenter Überforderung führt.

 

Das Sprachzentrum liegt links

Wie aber lässt sich erklären, weshalb bei der Mehrheit der Menschen die linke Gehirnhälfte und damit die rechte Hand dominieren? Und wie kann es sein, dass im Tierreich die Vorliebe für die eine oder die andere Tatze, Pfote oder Kralle nahezu ausgeglichen ist? An diesen Fragen haben sich Verhaltens-, Gen- und Molekularforscher bislang die Zähne ausgebissen – und sind am Ende zu dem Schluss gekommen, dass beide Fragestellungen wohl zusammenhängen könnten.   

Schon in den 1860er Jahren hat der Arzt Paul Broca nach der Untersuchung zahlreicher Patienten mit Hirnverletzungen geschlussfolgert, dass bei dem Großteil der Menschen das Sprachzentrum in der linken Hirnhälfte angesiedelt sein müsse. Und tatsächlich wissen Neurologen heute, dass bei 95 Prozent der Rechtshänder das Areal für die Sprachsteuerung in der linken Hemisphäre angesiedelt ist. Auch bei zwei Dritteln der Linkshänder findet die Kommunikationsverarbeitung vor allem auf der rechten Seite statt.

Und die inzwischen in der Wissenschaft weitgehend akzeptierte Prämisse, dass die menschliche Sprache sich weniger aus den Tierrufen unserer Vorfahren, sondern vielmehr aus einem immer komplexer werdenden System aus Gesten entwickelt hat, erklärt dann auch, wieso umgeschulte Linkshänder häufig Sprachschwierigkeiten entwickeln: Die Areale für Motorik und Händigkeit sowie für Sprache liegen in derselben Hemisphäre.

 

Schuld ist ein mutiertes Gen

Letztendlich, so der Erkenntnisstand heute, ist die deutliche Überzahl der menschlichen Rechtshänder wohl auf eine simple Genmutation zurückzuführen. Irgendwann im Laufe der Evolution muss sich das Sprachzentrum in der linken Hirnhälfte stärker herausgebildet haben und damit automatisch auch das anliegende Areal für die Motorik. So lässt sich erklären, wieso sich unter den sprachlosen Tieren, selbst unter unseren nächsten Verwandten, den Affen, die Bevorzugung von links und rechts die Wage hält, während beim sprachbegabten Menschen eindeutig rechts dominiert.

 

Linkshänder stehen auf der nächsten Stufe der Evolution

Übrigens gehen neueste Forschungsansätze davon aus, dass die Diskriminierung der Linkshänder nicht nur ungerecht, sondern auch noch völlig ungerechtfertigt ist. Die Linkshändigkeit soll demnach nämlich Teil einer weiteren evolutionären Stufe sein und die Linkshänder seien diejenigen, die das zukünftige Zusammenspiel der beiden Hirnhälften bereits heute vorbildlich praktizierten. Für diese These spricht zumindest, dass die Fraktion der Linkshänder überdurchschnittlich viele Genies hervorgebracht hat. Von Ludwig van Beethoven, Johann Wolfgang von Goethe über Michelangelo Buonarroti und Leonardo da Vinci bis Isaac Newton und Albert Einstein hielten sie alle die linke für die schönere Hand - und mit der vollbrachten sie bekanntlich so einiges.

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