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Erdgas: Wie abhängig sind wir von Russland?
Erdgas ist zurzeit einer der wichtigsten Energieträger in Deutschland: Etwa die Hälfte der deutschen Haushalte werden damit beheizt. Am Strommix hatte es hierzulande im Jahr 2021 immerhin noch einen Anteil von fast zehn Prozent und auch in der Chemieindustrie wird es benötigt. Aber was ist Erdgas genau?
Natürliches Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan und geringen Anteilen anderer Kohlenwasserstoffe wie Ethan und Propan, letztere werden vor der industriellen Nutzung aber größtenteils entfernt. In seinem Grundzustand kommt es meist in unterirdischen Gasfeldern vor, die größten befinden sich derzeit in Katar und Russland. In der Nordsee gibt es ebenfalls ein großes Erdgas-Reservoir, das von Norwegen genutzt wird.
Auch in Deutschland gibt es natürliches Erdgas, hierzulande kommt es aber weniger in großen Gasfeldern vor, sondern ist in tonartigen Gesteinsschichten eingeschlossen. In diesem Fall spricht man von Schiefergas. Da diese Vorkommen aktuell aber nur teilweise erschlossen sind, ist Deutschland stark auf den Import von Erdgas angewiesen. Nur so kann der derzeitige Bedarf gedeckt werden.
Woher kommt unser Erdgas?
Deutschland importiert Erdgas im Moment hauptsächlich aus drei Ländern. Fast ein Drittel der Lieferungen kommen aus Norwegen, knapp über zehn Prozent aus den Niederlanden. Den Löwenanteil übernimmt aber Russland: Etwa 55 Prozent des nach Deutschland gepumpten Erdgases kommt dort her. Wenn sich die politische Lage mit Russland weiter zuspitzt, könnte die Erdgasversorgung in Deutschland deshalb eventuell zum Problem werden.
Problematisch ist aktuell auch der Füllstand der deutschen Gasspeicher: Dieser liegt bei unter 42 Prozent, was verhältnismäßig niedrig ist. Nach einem Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums verbraucht Deutschland bei einer einmonatigen Kältewelle zwischen 40 und 50 Prozent seiner Erdgas-Lagerkapazität – aktuell könnte es also eng werden. Die niedrigen Füllstände hängen übrigens auch damit zusammen, dass Russland im Moment nur das vertraglich vereinbarte Minimum an Erdgas liefert. Sowohl die Nachfrage als auch die Pipeline-Kapazitäten liegen höher.
Wie kommt das Erdgas nach Deutschland?
Zurzeit werden hauptsächlich drei Pipeline-Routen genutzt, um russisches Gas nach Mitteleuropa beziehungsweise Deutschland zu bringen. Die aktuell geringste Kapazität unter diesen besitzt die Jamal-Pipeline, die Erdgas aus der gleichnamigen russischen Halbinsel über Weißrussland und Polen nach Deutschland befördert. Auch sie wurde bereits Teil einer politischen Debatte, als der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko als Reaktion auf Sanktionen mit einer Blockade der Pipeline drohte.
Die zweitgrößte Lieferstrecke besteht aus der sogenannten Bruderschaft-Pipeline, die von Russland in die Ukraine führt, und der Transgas-Pipeline, die von dort aus weiter nach Mitteleuropa verläuft. Für die Ukraine sind die Transit-Gebühren der Erdgasstrecke eine wichtige Einnahmequelle, weshalb die Pipelines im Rahmen des aktuellen Konflikts eine nicht unbedeutende Rolle einnehmen.
Gerade deshalb ist auch die bereits gebaute, aber noch nicht in Betrieb genommene Pipeline Nordstream 2 für Russland aktuell von großer Bedeutung. Sie soll die Kapazität der bereits genutzten Nordstream 1 erweitern, welche von Russland aus durch die Nordsee nach Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern führt. Politiker befürchten, dass Russland die Kapazitäten von Nordstream 2 nutzen könnte, um weiteren Druck auf die Ukraine auszuüben. Denn wenn das Gas durch Nordstream 2 strömt, wird die Ukraine-Pipeline entbehrlich – und der Ukraine entgehen damit wichtige Einnahmen.
Wie wahrscheinlich ist ein Lieferstopp des russischen Erdgases?
Obwohl Russland mit einem Exportstopp von Erdgas ein großes politisches Druckmittel haben könnte, ist es allerdings unter anderem laut dem Redaktionsnetzwerk Deutschland eher unwahrscheinlich, dass sie dies tatsächlich durchziehen. Das hängt vor allem damit zusammen, dass auch Russland auf den Erdgashandel angewiesen ist. Immerhin ist der Rohstoffexport eine der wichtigsten Einnahmequellen der russischen Föderation. Ein Bruch der Lieferverträge würde wohl auch langfristige Schwierigkeiten im Handel mit sich bringen – die Erdgassituation bleibt dennoch ein wichtiger Aspekt im Ukraine-Konflikt.