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Flugtaxis: Wird es bald Passagier-Drohnen geben?

Autonom navigierende Drohnen gibt es längst – doch wie sieht es mit selbstfliegenden Lufttaxis aus? Sind solche Flugvehikel eine Lösung für den Stadtverkehr der Zukunft? Das haben Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) untersucht. Sie wollten wissen: Welche Voraussetzungen müssen automatisierte Flugtaxis erfüllen? Wie sieht es mit Start- und Landeplätzen in der Stadt aus? Und wie effizient, bezahlbar und sicher wären solche fliegenden Passagier-Transporter?
NPO / DLR, 10.05.2024

Drohnen haben es vorgemacht: Die kleinen, mit mehreren Rotoren ausgestatteten Flugvehikel bewegen sich wendig und stabil durch die Luft, sind einfach fernsteuerbar und können sogar eigenständig einer geplanten Flugroute folgen. Mit ihnen lassen sich günstig und schnell Luftaufnahmen machen, sie können Anlagen, Zäune oder auch Felder abscannen oder Rettungskräften bei Katastrophenfällen helfen, Verletzte aufzuspüren. Selbst kleine Lasten können die Quadrocopter tragen.

EHang 184 Passenger Drone
An Ideen mangelt es nicht: Passagier-Drohne auf der CES in Las Vegas

Drohnen als Flugtaxis?

Warum also nicht auch Menschen? Wegen ihrer sicheren Fluglage und einfachen Steuerbarkeit gelten rotorgetriebene Drohnen in größerem Maßstab schon länger als mögliche Vehikel auch für Flugtaxis. So haben eine ganze Reihe von Unternehmen und Startups bereits Multicopter entwickelt, die groß und leistungsfähig genug sind, um bis zu vier Personen in die Luft zu bringen. Luftfahrtunternehmen wie Boeing und Airbus haben sogar schon eigene Abteilungen für Lufttaxis eingerichtet. Die „fliegenden Autos“ der Science-Fiction könnten damit bald Realität werden.

Auch in Deutschland arbeiten Wissenschaftler bereits an Konzepten für Lufttaxis im Stadtverkehr.  Im Forschungsprojekt HorizonUAM (Urban Air Mobility) haben gleich zehn Institute des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Konzepte für Fluggeräte, Flugkorridore, Haltepunkte und die Flugkontrolle solcher fliegenden Taxis untersucht.

Hexacopter mit Schwenkrotoren

Eine der Fragen: Wie sollte ein Vehikel, das einen Personentransport im städtischen Luftraum von A nach B ermöglicht, idealerweise aussehen? „Wir haben verschiedene Vorentwürfe für senkrecht startende Lufttaxis angefertigt“, berichtet Bianca Schuchardt vom DLR-Institut für Flugführung und Projektleiterin von HorizonUAM. Als sicherste und stabilste Option erwies sich dabei ein elektrisch angetriebener Hexacopter mit sechs schwenkbaren Rotoren. "Zu diesem Konzept wurde auch ein detailliertes Kabinendesign angefertigt, das wir hinsichtlich Sicherheit, Passagierkomfort und Betriebsabläufen für den UAM-Betrieb optimierten", so Schuchardt.

Wie gut dieses Flugtaxi-Design ankommt, testeten die Forschenden in einem eigens dafür aufgebauten Kabinensimulator. 30 Probandinnen und Probanden erlebten darin den Flug mit einem Lufttaxi mittels Mixed-Reality. Es zeigten sich: Prinzipiell könne sich Menschen mit einem ferngesteuerten Lufttaxiflug ohne Piloten an Bord durchaus anfreunden. Vor allem, solange keine unvorhergesehenen Dinge auf dem Flug passierten, fühlten sich die Testpersonen sicher. Kam es jedoch überraschenden Manövern oder Komplikationen, wäre zumindest ein "Betreuer" an Bord günstiger.

DLR-Designstudie eines Tiltrotor-Lufttaxis mit sechs schwenkbaren Rotoren
Tiltrotor-Lufttaxis mit sechs schwenkbaren Rotoren: Ausgelegt ist dieses Konzept für vier Passagiere und eine Reichweite bis 100 Kilometer. Die Nutzlast beträgt etwa 360 Kilogramm und die Reisefluggeschwindigkeit 200 Stundenkilometer.

Vertidrome und Flugrouten

Der nächste Punkt ist die nötige Infrastruktur: Damit Lufttaxis im städtischen Raum überhaupt zum Einsatz kommen können, brauchen sie Haltepunkte. Neben größeren Vertiports, beispielsweise an Flughäfen, sind dafür auch kleinere innerstädtische Start- und Landeplätze, sogenannte Vertistops nötig. Wie dies aussehen könnten, hat das DLR-Team für Hamburg an einem 1:4-Modell getestet. "Wir platzierten dafür einen Vertidrom mit einem einzelnen Landepad, dem sogenannten Vertistop, in der Binnenalster“, berichtet Schuchardt. „Ein Vertidrom mit mehreren Pads für Start und Landung, also ein Vertiport, haben wir für den Flughafen Hamburg entworfen“

Aber auch die Flugstrecken können nicht willkürlich gewählt werden: Sie sollten möglichst so verlaufen, dass die Lufttaxis nicht den regulären Flugverkehr am Flughafen stören, aber auch nicht über besonders ruhige oder für andere Infrastruktur benötigte Zonen fliegen. „In der Modellstadt ließ sich die nachgestellte Flugstrecke durch Hamburg günstig entlang der bestehenden S-Bahn-Trassen legen. Sensible Gebiete oder solche mit höherem Flugverkehrsaufkommen, wie beispielsweise rund um das Hamburger Klinikum, wurden dabei ausgespart", erklärt Schuchardt.

Mit Towersimulator und Drohnentests

Und wie sieht es mit der autonomen Steuerung und Routenkontrolle aus? Das haben die DLR-Forschenden gemeinsam mit Fluglotsen in einem Towersimulator erprobt, aber auch in Drohnentests mit neu entwickelten automatisierten Navigations- und Kontrollsystemen. Diese sollen sicherstellen, dass Lufttaxis von selbst Sicherheitsabstände zu Gebäuden und anderen Flugobjekten einhalten und sensible Bereiche meiden. Das Team erprobte auch bereits den Einsatz und die Absicherung durch künstliche Intelligenz.

In ihren Schnellzeitsimulationen hat das DLR-Team innerhalb Hamburgs 20 verschiedene Positionen für Vertidrome untersucht. In 24 Stunden könnten dort 2.800 Flüge mit insgesamt 275 Lufttaxis absolviert werden.

Visualisierung eines Vertidroms, der in der Hamburger Binnenalster platziert wurde.
Visualisierung eines Vertidroms, der in der Hamburger Binnenalster platziert wurde.

Wie teuer wird es?

Bei allen Flugtaxi-Konzepten stellt sich jedoch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit: Wann rentiert sich ein urbaner Lufttaxi-Service? Und wie viel sind Passagiere bereit, für einen Flug zu zahlen? Auch das nahmen die DLR-Teams unter die Lupe. Dafür entwickelten und untersuchten sie verschiedene Einsatzszenarien: den innerstädtischen Lufttaxi-Verkehr, Flughafen-Shuttles und den Regionalverkehr.

Das Ergebnis: Um die Betriebskosten zu decken und gleichzeitig einen Gewinn zu erzielen, müssten die Betreiber von Lufttaxis und Shuttle-Services je nach Gegebenheiten Ticketpreise zwischen vier und acht Euro pro Kilometer veranschlagen. Ob die Fluggäste in spe bereits sind, dies zu zahlen und ob sie überhaupt einen solche Lufttaxi-Service nutzen würden, hängt dabei unter anderem von der Größe der Stadt, der Einwohnerzahl und dem Bruttoinlandsprodukt des Landes ab, wie die Wissenschaftler ermittelten.

Erste Pilotprojekte laufen schon

Dennoch gäbe es durchaus eine Nachfrage nach fliegenden Taxis: Bei der Analyse von 990 städtische Gebiete mit mehr als 500.000 Einwohnern weltweit identifizierten die Forschenden mehr als 200 Großstädte als grundsätzlich geeignet. Neben Metropolen wie New York, Tokio oder London gehörte auch Hamburg dazu. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Nachfrage mit einer steigenden Zahl an Haltepunkten und deren leichter Erreichbarkeit klar zunimmt“, berichtet Schuchardt.

Noch sind einige Fragen zu Lufttaxis offen, aber grundsätzlich scheinen Lufttaxis durchaus machbar und sinnvoll. Tatsächlich gibt es bereits einige Pilotprojekte mit Prototypen solcher Flugtaxis, unter anderem in Singapur und New York. In China ist sogar schon ein erstes Flugtaxi für en kommerziellen Betrieb zugelassen worden. Einen Vorgeschmack auf womöglich kommende Zeiten könnte es zudem bei den Olympischen Spielen in Paris im Sommer 2024 geben:  Dort sollen erstmals elektrische Lufttaxis als Shuttles zum Einsatz kommen.

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