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Fußball-Europameisterschaft: Wie KI die Bandenwerbung verändert

Bandenwerbung bei Großereignissen ist nichts Neues. Doch bei der aktuellen Fußball-Europameisterschaft werben die größten Unternehmen der Welt erstmals mit einer technischen Lösung, bei der die Reklame sich länderspezifisch anpasst. Wie ist das möglich? Und warum wird in Deutschland für eine Versicherung geworben und in einem anderen Land für eine Fast-Food-Kette?
THE, 12.07.2024
Stadionatmosphäre

© Dmytro Aksonov, iStock

Die Fußball-EM bringt nicht nur Menschen zusammen und sorgt für europaweite Aufmerksamkeit, sie bietet auch immer wieder eine gute Werbefläche für bekannte Sponsoren, wie Coca-Cola, Adidas oder Lidl. Und dieses Jahr ist die Werbung sogar besonders ausgefuchst, denn mithilfe von Künstlicher Intelligenz projiziert die UEFA Werbebanner auf die Banden des Spielfelds, die für jede Länderübertragung anders aussehen. Je nach Land, in der die Zuschauer sitzen, bekommen sie dadurch unterschiedliche Werbeanzeigen zu sehen.

Aber wie ist das möglich? Im Stadion ist für die Fans nur jeweils eine bestimmte Auswahl der Werbung zu sehen – teilweise angepasst an den Austragungsort. Doch im TV sehen die Zuschauer in Großbritannien, Spanien oder auch außereuropäischen Ländern etwas anderes. Teilweise wird dabei die Bandwerbung nur übersetzt, Chinesen bekommen also beispielsweise die Coca-Cola-Werbung auf Chinesisch angezeigt. Doch zumindest die Deutsche Bahn wirbt dank dieser Technik speziell hierzulande – Zuschauer in anderen Ländern sehen diese Bandenwerbung nicht.

Wie funktioniert die virtuelle Bandenwerbung?

Das Konzept für eine solche angepasste Werbung ist nicht neu. Auch in anderen Sportarten wie der Formel 1 oder im Eishockey setzt man virtuelle Bandenwerbung bereits ein. Möglich ist dies durch eine von Künstlicher Intelligenz gesteuerte Einblendung – sie überdeckt im TV-Bild einfach die real im Stadion sichtbare Bandenwerbung. Dabei passieren allerdings immer wieder technische Fauxpas. Beispielsweise flitzt ein Spieler in die Werbebande hinein und verschwindet daraufhin teilweise vom Bildschirm.

Um derartige Ausrutscher zu verhindern, muss die KI solche Personen, die sich vor den Bandenflächen bewegen, schnell erkennen und aus dem Bild herausrechnen. Zudem muss sie identifizieren, welchen Bereich des Spielfeldes die Kamera gerade filmt, um so die Werbung perspektivisch korrekt über den Bandenflächen einzublenden.

Damit diese beiden Verarbeitungsschritte in der nötigen Qualität und Geschwindigkeit durchgeführt werden können, nutzte man früher eine sehr aufwändige Hardware. Diese bestand aus einen Kamerakopf, um die Kamerabewegung präzise zu verfolgen. Um Vorder- und Hintergrund im gefilmten Bild zu unterscheiden, strahlten die Banden außerdem ein Infrarotsignal aus. Dieses Signal ließ sich, ähnlich wie bei einem Greenscreen, in der Kamera als zusätzlicher Farbkanal aufzeichnen, um spätere Verdeckungen zu analysieren.

Beispiel für virtuelle Werbung auf Stadionbanden
Fiktives Beispiel für Stadionbandenwerbung: links Originalwerbung, nur für Zuschauende im Stadion sichtbar, rechts virtuelle Fernsehwerbung, nur für Zuschauende im Fernsehen sichtbar.

Von lernfähiger Software generiert

Doch in den letzten Jahren hat der Forschungsbereich viele Fortschritte gemacht. „Statt einer Hardware ist jetzt eine Software am Werk, die das eigentliche Sendesignal im Bereich der Bande perspektivisch korrekt überblenden kann und so eine zielgruppenspezifische Werbung auf Banden ermöglicht“, erklärt Bastian Leibe von der RWTH Aachen. Die virtuelle Werbung muss man hier nur noch in das bereits aufgezeichnete Signal eingefügen.

Die neue Art der Werbung wirkt auf einige Menschen vielleicht gruselig. Schließlich trägt sie die Gefahr, dass Bilder und Videos durch die immer bessere bildverarbeitende KI-Verfahren immer realistischer manipuliert werden, nun auch ins Fußballstadion. „Wir kommen allmählich an einen Punkt, wo wir nicht mehr allem trauen können, was wir sehen“, so Leibe. Diese Erkenntnis kann auch das lustigste Fußballevent etwas vermiesen.

Unproblematisch oder gezielte Täuschung?

Viele Wissenschaftler empfehlen deshalb, KI-generierte Inhalte explizit als solche kennzeichnen, um so Täuschungsversuche und Verwirrung zu vermeiden. Aus diesem Grund teilen ARD und ZDF am Anfang und Ende der Fußball-Übertragungen mit, dass virtuelle Werbung eingesetzt wird. Diese Maßnahme ist auch im Rundfunkstaatsvertrag verankert. Der Vertrag schützt außerdem davor, dass „am Ort der Übertragung ohnehin bestehende Werbung ersetzt wird“. So will man verhindern, dass virtuelle Werbung an zusätzlichen Orten, wie beispielsweise auf dem Fußballrasen oder der Tribüne eingeblendet wird.

Doch auch wenn diese Werbeform ausschließlich den Geldbeuteln der werbenden Unternehmen nutzt, während weder die Spieler noch die Fans etwas davon haben, hält der Sportökonom Christoph Breuer diese Art der Werbung für unproblematisch. „Es wird ja nicht mehr Werbung gezeigt, sondern nur geschickter“, sagt er gegenüber der dpa. „Auf dieser Basis halte ich das Vorgehen für eine faire Maßnahme zur Steigerung der Wertschöpfung.“

Wie geht es weiter?

Ob virtuelle Bandenwerbung in Zukunft problematisch wird, könnte davon abhängen, in welche Richtung sie sich weiterentwickelt. Laut Leibe könnte Werbung direkt auf den Trikot der Spieler möglich werden. „Natürlich löst sich dadurch auch die ‚Wir sind alle gemeinsam im Stadion‘-Kultur langsam auf“, konstatiert der Forscher. „Wir sind ja nicht mehr alle zusammen beim Spiel, wir sehen jeweils ganz andere Dinge – aufgrund von Pixel-Überblendung“.

Zudem könnte die virtuelle Werbung immer regionalisierter werden. „In ein paar Jahren sitzen wir in einer Aachener Kneipe, schauen ein internationales Fußballspiel und die Werbung wird in erster Linie Unternehmen aus der Region zeigen“, glaubt Hoos. Die Steigerung dieser Entwicklung könnten personalisierte Werbeanzeigen, wie im Internet, sein. „Irgendwann sitzt man zu Hause, wartet auf den Beginn eines Spiels und die eingeblendete Werbung kommt dann aus dem Nachbarzimmer: „Die Kühlschranktür kann man auch schließen“, scherzt Leibe.