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GEMA vs. YouTube – Ein Dauerstreit und sein rühmliches Ende?

„Dieses Video ist in Deinem Land nicht verfügbar“: Wer hat sich nicht schon mal über die Sperrtafel mit dem roten, traurig dreinblickenden Smiley geärgert, wenn die Vorfreude über den bevorstehenden Hörgenuss ein abruptes Ende fand? Das soll jetzt anders werden: Die Videoplattform YouTube und die Rechte-Verwertungsgesellschaft GEMA haben sich unlängst auf einen Lizenzvertrag geeinigt, der in Zukunft einen uneingeschränkten Zugang zu den YouTube-Videos garantieren soll. Um was ging und geht es dabei genau? Eine Chronik einer nahezu unendlichen Geschichte.

Mit der Verlagerung der Mediennutzung ins Internet ergaben sich Probleme bei der Durchsetzung des deutschen Urheberrechts.

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Streitkern

Ganze sieben Jahre hat der Rechtsstreit zwischen dem Videoportal YouTube und der deutschen Rechteverwertungsgesellschaft GEMA die Gerichte beschäftigt – und in der Konsequenz den YouTube-Nutzern eine Vielzahl an Musikvideos durch die Sperrung vorenthalten. Im Zentrum stand und steht die Frage nach dem Rechtsstatus von YouTube: Ob es sich bei dem Portal im engeren Sinne um ein Musikportal handelt, das die Inhalte dauerhaft zur Verfügung stellt und damit aus GEMA-Sicht ein Musikdienst ist. Mit der Rechtsvorstellung ist eine generelle Verantwortlichkeit für die dort eingestellten Inhalte verknüpft, argumentiert die GEMA.

Die Google-Tochter YouTube nimmt für sich dagegen lediglich den Status einer Inhalte verbreitenden Plattform in Anspruch. YouTube argumentiert, es trage aktiv nichts zur Schaffung öffentlicher Zugänglichkeit bei und sei daher für Tantiemen-Ansprüche der dort vertretenen Künstler nicht haftbar: Sobald ein Nutzer dort ein Video hoch lade, sei es schon für die Öffentlichkeit zugänglich - ohne Zutun von YouTube. Daher müsse prinzipiell ausschließlich derjenige, der ein Video hoch lädt, eine Abgabe an die GEMA zahlen, nicht aber die Plattform selber. Die Plattform stelle lediglich „Werkzeuge zur Verfügung“.

Die Frage bei, ob und in welcher Höhe YouTube für Musikuploads seiner User Entgelte an die GEMA zu entrichten hat, trieb dabei im Kern die Gerichte um.

Für deutsche YouTube-Nutzer brachte der jahrelange Streit um die Vergütung von Inhalten vor allem viele gesperrte Links mit sich.

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Auswege und rechtssichere Inseln

Das Bemühen um ein Umgehen der gesperrten Inhalte mit kostenlos downloadbaren Addon-Unblockern und Proxies ließ zwar zunächst viele verärgerte User aufatmen, trug jedoch nicht essentiell zur Lösung des Dauerstreits bei. Nach erfolgreichem und legalem Umgehen der Sperre konnten die User dann auch auf legalem Weg wie bisher ihre gewünschten Medieninhalte auch bei Bedarf mit Hilfe eines YouTube-Converters herunterladen, um sie auch offline ohne Internetverbindung abspielen zu können. Beim YouTube Converter handelt es sich um einen Downloader, der als Webseite, Plug-in bzw. Browser-Erweiterung oder herunterladbare kostenpflichtige wie kostenfreie Software zur Verfügung steht und mit der Webadresse des betreffenden Videos „gefüttert“ wird. Da Converter nur rechtmäßige Kopien erstellen, wähnten sich die YouTube-Fans in den sieben Jahren der Dauerstreitigkeiten auf der rechtlich sicheren Seite, solange sie diese Kopien nur für private Zwecke nutzten – zumal es sich bei YouTube um eine legale Seite im Netz handelt.

Dennoch war vielen Nutzern angesichts des schwelenden Dauerstreits zwischen GEMA und YouTube mehr als mulmig dabei zumute. Viele sehnten sich eine baldige Beilegung des Rechtsstreits herbei, der sich jedoch immer mehr zu einem Streit ohne Ende zu entwickeln schien. Wie war es dazu gekommen?

Die Vorgeschichte

Als Vertreter der Musikindustrie hat die GEMA ein berechtigtes Interesse, Lizenzgebühren für das Bereitstellen von Musikvideos im Internet zu erzielen. Nachdem sich YouTube nach mehrmaliger Aufforderung nicht bereit erklärte, den von der GEMA geforderten Preis zu zahlen, begann sich die GEMA im Jahr 2009 quer zu stellen. Sie forderte fortan 0,375 Cent für jeden werbefinanzierten Stream urheberrechtlich geschützter Videos. YouTube sah das nicht ein und weigerte sich, selbst diesen Cent-Bruchteil zu bezahlen. Daraufhin klagte die GEMA, bekam Recht und erwirkte gerichtlich eine Unterlassung, geschützte Inhalte abspielen: Zahlreiche Musikvideos wurden daraufhin in Deutschland gesperrt. YouTube reagierte darauf mit der Schaltung eines entsprechenden Hinweises bei Anklicken des Videos. Eine Sperrtafel mit dem Hinweis „Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar, da es Musik enthalten könnte, für die die GEMA die erforderlichen Musikrechte nicht eingeräumt hat“ wurde fortan eingeblendet – sehr zum Leidwesen der User, die fortan zwischen die Fronten der beiden Streitparteien gerieten.

Der jahrelange Rechtsstreit zwischen GEMA und YouTube führte dazu, dass zeitweise über sechzig Prozent der 1.000 beliebtesten Clips für deutsche Nutzer gesperrt waren.

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Verhärtete Fronten

Die GEMA stritt eine Verantwortlichkeit der Sperrung ab und behauptete, trotz des fehlenden Lizenzvertrags bislang nicht aktiv geworden zu sein. Mehr als 60 Prozent der beliebtesten YouTube-Videos waren in der Folgezeit in Deutschland aus lizenzrechtlichen Gründen nicht mehr verfügbar, der Groll gegen die GEMA wuchs. Sie wiederum wehrte sich gegen den Sperrhinweis, da er zu tendenziell sei und nahelege, dass die Schuld bei der Verwertungsgesellschaft läge und ihr damit der Schwarze Peter zugeschoben würde - was ihr im ganzen Land Feinde mache.

Im Gegenteil: Die GEMA sei sehr wohl bereit, YouTube die erforderlichen Rechte einzuräumen – nur: Zu Konditionen, die Googles Videoportal nicht gefielen. Nachdem YouTube die Verhandlungen mit der GEMA abgebrochen hatte, strengte die GEMA eine Abmahnung gegen das im Sperrtext enthaltene Druckmittel zu Stimmungsmache gegen die Verwertungsgesellschaften an.

Streit ohne Ende?

Im Februar 2014 bestätigte dann das Landgericht München die Rechtswidrigkeit der YouTube-Sperrtafeln und gab damit der GEMA-Sicht Recht. Anlass war die nach Meinung der GEMA willkürliche Sperrung von Livestreams aus der Ukraine auf YouTube gewesen. Die Urteilsbegründung: Die Sperrtafeln auf YouTube seien rechtswidrig, herabwürdigend und würden die GEMA fälschlicherweise anschwärzen. Der Streit ging in die nächste Runde: Nach der angestrengten Abmahnung setzte sich die GEMA ein zweites Mal gerichtlich durch: Im Mai 2015 wurde mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts München der bisherige Sperrtext verboten. Der Zusatz, dass dies der GEMA geschuldet sei, muss ab sofort von YouTube gestrichen werden. Entsprechend musste es nun heißen: „Dieses Video ist in Deutschland leider nicht verfügbar, da es Musik enthalten könnte, über deren Verwendung wir uns mit der GEMA bisher nicht einigen konnten. Das tut uns leid.“

Mit Urteil vom 28.01.2016 wies dann das OLG München die Berufung der GEMA gegen YouTube/Google in einem Schadensersatzprozess zurück. Die GEMA wollte eine Auskunftspflicht über die Anzahl der Abrufe bestimmter Musikstücke erwirken, verbunden mit einer anschließenden Zahlung von Schadensersatz entsprechend der erteilten Auskunft. Von 1,6 Millionen Euro war die Rede. Nach Klageabweisung kündigte dann die Gema, bis zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe zu gehen und gegen die Entscheidung Berufung einlegen zu wollen.

Seit der im Oktober erfolgten Einigung zwischen GEMA und YouTube könne die deutschen YouTube-Fans aufatmen.

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Durchbruch und juristischer Status Quo

Einer Überraschung kam es dann gleich, als im Oktober die Nachricht durchsickerte, dass sich beide Parteien über eine Kompromissformel hatten einigen können, über Einzelheiten des Deals jedoch Stillschweigen vereinbarten. Der ausgehandelte Lizenzvertrag trat am 1. November in Kraft. Wie viel Geld nun pro Musikvideo-View an die GEMA fließt ist nicht bekannt. Jedenfalls zeigten sich beide Seiten mit der Lösung hoch zufrieden. Teil der Einigung ist deshalb auch eine rückwirkende Vergütung für Nutzungen in der Zeit zwischen 2009 und 2016.

Jedoch: Da nichts über Details bekannt ist und es kein höchstrichterliches Urteil in der Auseinandersetzung geben wird, herrschen weiterhin Rechtsunsicherheit für andere Plattformbetreiber oder neue Dienste-Anbieter.