wissen.de Artikel
Im Himmel wird gebaut
Über uns schwebt eine riesige Baustelle. Wenn der Himmel es erlaubt und man genau hinschaut, dann kann man in schöner Regelmäßigkeit dieses komplexe technisch-wissenschaftliche Vorhaben der Menschheit beobachten.
Die Raumstation ISS – was nicht anderes bedeutete als International Space Station – kreist in etwa 350 Kilometern Höhe mit einer Bahnneigung von 51,6 Grad in 90 Minuten um die Erde. Wenn sie eines Tages fertig gestellt sein wird, dann soll sie aus 100 einzelnen Konstruktionselementen bestehen, die Größe eines Fußballfeldes haben und auf de Erde etwa 450 Tonnen wiegen. Aber bis dahin sind noch rund 45 Montageflüge notwendig.
1984 hatte der damalige US-Präsident Ronald Reagan die NASA mit der Konstruktion der „Space Station Freedom“ beauftragt. Finanziert werden sollte das Projekt durch internationale Beteiligung. Es hat vier Jahre gedauert bis die kanadische CSA und die Europäische Raumfahrtagentur ESA andockten. Kurz darauf folgte Japan. Dennoch blieben die Kosten so hoch, dass der amerikanische Kongress eine Überarbeitung der Pläne verlangte. Die Mission nannte sich anschließend „International Space Station Alpha“. Doch stimmten die Einsparungen die NASA recht unzufrieden. Auch Russland hatte zu dieser Zeit Finanzierungsprobleme mit seiner geplanten zweiten Raumstation „Mir II“. So beschlossen die beiden ehemaligen Konkurrenten zukünftig gemeinsame Sache im All zu machen. Am 29. Januar 1998 unterzeichneten schließlich Vertreter von 15 Ländern in Washington ein Abkommen zum gemeinsamen Bau und Betrieb der ISS.
Noch im selben Jahr brachte die russische Proton-Trägerrakete das Zentralemodul Zaryra nach oben, das Antrieb und Stromversorgung sichern soll. Wenige Tage später folgten die Amerikaner mit dem Verbindungselement „Unity“. Es war ein spannender Moment als die beiden ersten Module im Dezember 1998 hoch oben zusammengefügt wurden. Zwei Jahre später dockte das zweite Modul der Russen an. Es nennt sich „Zwezda“ und ermöglicht den Astronauten in der ISS zu „wohnen“. Es folgte das Trägerelement „Z1“, das mit vier Gyroskopen für die Bestimmung der Außenkräfte sorgt sowie ein riesiges Sonnensegel, mit dem der Energiebedarf der Raumstation gedeckt wird. Auch Weltraumlabore und Roboterarme, ein Logistikmodul und Luftschleusen wurden schon montiert. 2007 soll das europäische Forschungslabor Columbus andocken.
Die ISS bietet den Wissenschaftlern Möglichkeiten, die auf der Erde undenkbar sind. Dabei steht die Untersuchung der Schwerelosigkeit im Vordergrund – ein Zustand, der sich auf unserem Planeten nur für maximal 20 Sekunden erzeugen lässt. Es wird überprüft, welche Materialen extremen Bedingungen standhalten und die Nutzung von Satelliten vorangetrieben. Auch bei der Entwicklung neuer Medikamente hoffen Experten auf Fortschritte durch Forschung im All, da Proteinanalysen dort einfacher durchzuführen sind als auf der Erde. Zudem verspricht man sich Langzeitstudien über Klimaveränderung.
Zwischen November 2000 und April 2003 befand sich ständig eine dreiköpfige Besatzung auf der Station. Seit dem „Columbia“-Unglück am 1. Februar 2003 sind aus Versorgungsgründen nur noch zwei Personen oben. Denn die Space-Shuttle-Flüge wurden bis zum 26. Juli 2005 ausgesetzt und der weitere Ausbau vorläufig gestoppt. Mit dem Deutschen Thomas Reiter fliegt der erste Europäer mit einer Langzeitmission auf die ISS. Zuvor waren ESA-Astronauten lediglich für wenige Tage auf der Raumstation.