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Jemandem auf dem Schlips treten

Die Zwei-Meter-Krawatte, auf die man einem korrekt in Schlips und Kragen gekleideten Geschäftsmann treten könnte, ist noch nicht erfunden. Und es geht in der Redensart auch nicht um die Altweiberfastnacht, wenn die närrischen Damen die Herren per Schere von ihrer Manneszierde befreien. In der Regel fühlen sich die derart Karnevalsgeschädigten gar nicht auf den Schlips getreten, also beleidigt, sondern eher zu einem Bützchen herausgefordert.

Nein, hier liegt einfach ein Missverständnis vor. Gemeint ist keineswegs der Schlips am Hals, sondern der »Slip« - so wurde auf Niederdeutsch der Zipfel an langen Röcken und Hemden genannt. Der Frack mit seinem langen Rockschoß, war vor allem im Biedermeier ein viel getragenes Kleidungsstück. Wer dem Vordermann da beim Gang durch die Stadt auf den »Schwalbenschwanz« trat, durfte sich dessen Unmuts sicher sein. Man findet den »Slip« auch in der schleswig-holsteinischen Redensart »Pedd di man ni opn Slips« und im hamburgischen »Nu pedd di man nich up Slips!«, was jeweils so viel bedeutet wie »Bilde dir bloß keine Schwachheiten ein«, »Nun mach dir mal bloß nicht ins Hemd!«

Als dann um 1840 die Bezeichnung Schlips für Halstuch und Krawatte aus England nach Nord- und Mitteldeutschland eindrang, wurde die Redensart im Sprachklang einfach angepasst - und der eigentliche Sinn verschwand so schnell wie der Frack aus der Alltagsmode.

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