wissen.de Artikel

Konversionstherapien: Mit Psychoterror und Elektroschocks gegen Homosexualität

Wissenschaftlich ist längst belegt, dass die sexuelle Orientierung in der Regel angeboren ist. Dennoch versuchen vor allem Evangelikale und andere konservative Gruppen noch immer, queere Menschen mittels Konversionstherapie zu „heilen“. Selbst Elektroschocks, Operationen und Exorzismen sollen angeblich dabei helfen, Menschen „umzupolen“. Doch was steckt hinter solchen Konversionstherapien? Wer bietet sie an? Und ist das überhaupt erlaubt?
AMA, 28.05.2023

 

Symbolbild LGTB-Community
Die sexuelle Orientierung eiens Menschen ist weitgehend unveränderlich und bedarf keiner "Heilung".

© Sabrina Bracher, GettyImages

Konversionstherapien sind eine pseudowissenschaftliche Praxis, mit der die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität eines Menschen so verändert werden soll, dass sie der vermeintlichen Norm entspricht. Ganz nach dem Motto: Aus schwul, lesbisch und bi mach hetero, aus trans mach cis. Natürlich sind derartige Therapien zum Scheitern verurteilt, weil man nichts heilen kann, was keine Krankheit ist. Dennoch sind sie immer noch weit verbreitet und bringen Betroffenen weltweit Leid.

Wie funktioniert die „Umpolung“?

Konversionstherapien basieren auf drei verschiedenen Ansätzen: psychotherapeutisch, „medizinisch“ und glaubensbasiert. Psychotherapeutische Interventionen beruhen auf der Annahme, dass Homosexualität nicht angeboren ist, sondern durch schlechte Erziehung oder negative Erfahrungen entsteht. Um dies zu „korrigieren“, kommen einerseits Psychotherapien im klassischen Sinn zum Einsatz. Andererseits sind aber auch sogenannte Aversionstherapien keine Seltenheit. Dabei sollen die Betroffenen lernen, Homosexualität mit Schmerz zu verbinden und dadurch abzulegen. Den Betroffenen werden so zum Beispiel beim Schauen gleichgeschlechtlicher Pornos immer wieder Elektroschocks versetzt.

„Medizinische“ Konversionstherapien gehen davon aus, dass Homosexualität eine biologische Funktionsstörung ist. Um diese zu beheben, kommen dementsprechende Medikamente, Operationen sowie Hormon- und Steroidbehandlungen zum Einsatz. Da die sexuelle Orientierung in der Regel angeboren und damit auch nicht umkehrbar ist, sind auch diese Pseudo-Therapien langfristig meist wirkungslos.

Glaubensbasierte Therapien, wie sie vor allem von evangelikal-christlichen Kreisen praktiziert werden, nutzen religiöse und weltanschaulich basierte Argumente und Mittel, um Betroffene zu „kurieren“. Denn im Weltbild dieser Gruppierungen ist Homo- und Transsexualität etwas grundsätzlich Böses, Sündiges und im Extremfall die Folge einer dämonischen Besessenheit. Um dieses angebliche Unheil zu überwinden, sollen Betroffene unter anderem beten und fasten. Aber auch Schläge und Exorzismen kommen immer wieder als Werkzeuge zum Einsatz.

Wer führt Konversionstherapien durch?

Als „Heiler“ von Homo- und Transsexualität vermarkten sich zahlreiche vermeintliche Experten mit unklarer Ausbildung ebenso wie religiös oder spirituell Praktizierende und sogar zugelassene Ärzte und Psychologen. Doch Konversionstherapien finden keineswegs immer versteckt in Hinterhöfen und Privatgebäuden statt, so wie man es sich wahrscheinlich vorstellen würde. In manchen Ländern ist es sogar der Staat selbst, der Therapien dieser Art fördert.

„So hat Malaysia beispielsweise Pläne zur Eindämmung von als unmoralisch empfundenen Verhaltensweisen, einschließlich gleichgeschlechtlichen Verhaltens, verabschiedet und fördert gezielt Praktiken der ‚Konversionstherapie‘, unter anderem durch Universitätsprogramme“, berichten die Vereinten Nationen. Das Geschäft mit der Umpolung ist außerdem ziemlich lukrativ. Eine einzige Sitzung kann in den USA bis zu 26.000 Dollar kosten.

Welche Folgen hat eine Konversionstherapie?

Die Therapien bewirken durchaus Änderungen bei den „Patienten“, allerdings nicht annähernd auf die gewünschte Art. Da sich sexuelle Präferenzen und die eigene Geschlechtsidentität nicht ändern, sondern maximal unterdrücken lassen, haben Betroffene häufig mit Gefühlen von Scham, Schuld, Selbsthass und Wertlosigkeit zu kämpfen. Nicht selten entwickeln Menschen, die eine Konversionstherapie durchlaufen haben, danach eine posttraumatische Belastungsstörung und Depressionen, die bis hin zu einem Selbstmordversuch reichen können.

Hinzu kommt, dass viele Betroffene den Therapien vorher nicht aktiv zugestimmt haben. Denn einer weltweiten Umfrage zufolge ist die Hälfte aller „Patienten“ zum Zeitpunkt der Therapie noch minderjährig.

Wo sind Konversionstherapien verboten?

Aktuell haben lediglich fünf Länder auf der Welt Konversionstherapien gesetzlich verboten: Deutschland, Malta, Brasilien, Ecuador und Taiwan. In einigen Ländern wie Kanada, Spanien und den USA gibt es zumindest regionale Verbote. Andere Länder wollen künftig mit eigenen Verboten nachziehen, darunter Österreich.

In Deutschland sind Konversionstherapien seit Mitte 2020 gesetzlich verboten. Im Falle von Minderjährigen gilt dieses Verbot uneingeschränkt, bei Volljährigen greift es nur dann, wenn eine Therapie durch Zwang, Drohungen oder Täuschung zustande gekommen ist. Wer dagegen verstößt, muss mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 30.000 Euro und mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr rechnen. Auch das Bewerben und Vermitteln solcher Therapieangebote stehen unter Strafe.

Konversionstherapien trotz Verbot

Doch offenbar sind Konversionstherapien auch in Deutschland trotz offiziellem Verbot noch nicht komplett von der Bildfläche verschwunden. Das zeigt eine Befragung von rund 600 Psychotherapeuten und Seelsorgenden in Hamburg und Schleswig-Holstein, die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Auftrag gegeben wurde. Demnach sind rund einem Viertel der befragten Seelsorgenden Konversionsbehandlungen bekannt, die zum Teil auch nach Inkrafttreten des Gesetzes stattfanden.

Das bestätigt auch die queere Community in Deutschland. In der Online-Befragung „Unheilbar queer?“ gab mehr als ein Drittel der über 3.500 Befragten an, dass ihnen schon einmal Handlungen vorgeschlagen wurden, die ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität ändern sollten.

Wo finde ich Hilfe?

Wer Unterstützung dabei braucht, sich gegen eine Konversionstherapie zu wehren, sollte eine vertraute Person hinzuziehen oder sich an eine Beratungsstelle in der Nähe wenden. Auch die Telefon- und Onlineberatung von „Liebesleben“, einer Initiative der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, kann weiterhelfen. „In jedem Fall erreichst du so Menschen, die sich mit deiner Situation, deinen Ängsten und Bedürfnissen bestens auskennen und dir helfen, dich so anzunehmen, wie du bist“, heißt es dort.

Mehr Artikel zu diesem Thema