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Korallenbleiche - was steckt dahinter?
Das prominenteste Opfer der Korallenbleiche ist das Great Barrier Reef. Dieser gigantische Riegel aus Korallenriffen vor der Ostküste Australiens ist das größte Riffgebiet der Erde und ein UNESCO-Weltnaturerbe. Doch inzwischen ist dieser einzigartige Lebensraum akut bedroht. Denn gleich mehrfach hintereinander wurde das Great Barrier Reef von schweren Korallenbleichen heimgesucht. Bei der schlimmsten Bleiche im Jahr 2016 starben bis zu 90 Prozent der Korallen. Vor allem im nördlichen Teil des Riffgebiets sind die Korallenriffe über weite Gebiete hinweg weiß und tot.
Aber auch tropische Korallenriffe in anderen Regionen leiden zunehmend unter dem Korallensterben. Das Problem: Sind die Korallen tot, fehlen anderen Meerestieren die Nahrungsgrundlage und der Lebensraum. Denn gerade für Fische sind die nahrungsreichen Riffe wichtige Kinderstuben.
Nicht ohne meine Alge
Was aber ist die Ursache für die Korallenbleiche? Hauptfaktor ist die Wassertemperatur: Viele Korallen sind an einen bestimmten Temperaturbereich angepasst. Wird es ihnen zu warm, reagieren sie prompt – und für sie selbst zerstörerisch. Sie stoßen die einzelligen Algen ab, mit denen sie normalerweise in enger Symbiose leben. Dabei bieten die Korallen mit ihren Kalkskeletten den Algen ein geschütztes Refugium, dafür produzieren die Algen mittels Photosynthese Zucker und andere Nährstoffe für die Korallen.
Diese Symbiose hat sich über die Jahrmillionen bestens bewährt – immerhin haben Korallen schon in den Meeren der Urzeit gewaltige Kalkmassive aufgebaut. Die meisten tropischen Korallen sind inzwischen für ihr Überleben auf diese symbiontischen Algen angewiesen. Ohne deren Nährstoffversorgung verhungern die Korallentierchen buchstäblich. Doch durch den Klimawandel steigen die Wassertemperaturen in vielen tropischen Meeresgebieten immer häufiger über die Schwelle, die für die Korallen noch verträglich ist.
Erst aufpumpen, dann ausspucken
Die Folge: Die Korallen stoßen ihre Symbionten wie in einer Art Schutzreflex ab. Highspeed-Aufnahmen enthüllen, dass die Koralle sich dabei erst aufbläht. Dann zieht sich ihr Körper stark und schnell zusammen und sie spuckt ihre Algen buchstäblich durch die Mundöffnung aus. Die ausgespuckten Algen sind als grünlicher Schleier im Wasser deutlich sichtbar. Die Koralle setzt dies solange fort, bis sie fast alle Symbionten verloren hat. Weil es oft die Algen sind, die den Korallen ihre Farbe verleihen, wird sie dabei immer blasser.
Hält die Warmwasser-Periode nur kurz an, kann sich die Koralle wieder regenerieren. Sie nimmt dann die symbiontischen Algen wieder in sich auf und bekommt auch wieder Farbe. Doch wenn die marine Hitzewelle länger als nur einige Tage anhält, schafft sie dies nicht. Das Korallentier verhungert dann und stirbt ab. Übrig bleibt dann nur das weiße Kalkskelett des Korallenstocks.
Können sich die Riffe wieder erholen?
Lange dachte man, dass sich Korallenriffe selbst nach schweren Bleichen wieder erholen können. Denn die überlebenden Korallen produzieren enorme Mengen an Korallenlarven, die die toten Riffgebiete theoretisch leicht wieder besiedeln könnten. Das Problem jedoch: Korallenlarven orientieren sich bei der Suche nach neuen Lebensräumen akustisch. Sie schwimmen dahin, wo vielversprechende Riffgeräusche ertönen. Wenn ein Riffgebiet aber tot ist, gibt es dort kaum mehr etwas, was diese lockenden Klänge produzieren kann.
Und noch etwas kommt hinzu: Am Great Barrier Reef haben Forscher beobachtet, dass eine schwere Bleiche auch bei den überlebenden Korallen die Fortpflanzung massiv einschränkt. Nach der Korallenbleiche dieses Riffgebiets im Jahr 2016 sank die Zahl der Neuansiedlungen von Korallenlarven um 89 Prozent, wie die Wissenschaftler feststellten. Am stärksten betroffen davon sind ausgerechnet die Korallenarten, deren Larven am weitesten wandern.
Schreitet der Klimawandel weiter fort, könnten die immer häufigeren Hitzewellen im Meer daher die tropischen Korallenriffe langfristig und vielleicht sogar dauerhaft schädigen. Prognosen zufolge könnte selbst eine Erwärmung um "nur" zwei Grad dazu führen, dass im Jahr 2050 alle Korallen-Ökosysteme weltweit mehr oder weniger stark geschädigt sind. Sollen diese Hotspots der marinen Artenvielfalt und Kinderstuben für viele Fische erhalten bleiben, ist daher ein schneller und effektiver Klimaschutz dringend nötig.