Lexikon

 

Entwicklungsgeschichte

allgemeine Biologie
Biogenese
die Lehre von der Individualentwicklung (Ontogenese). Die deskriptive Entwicklungsgeschichte befasst sich mit der Beschreibung der Entwicklung der Organismen. Sie umfasst folgende Teilwissenschaften: Die experimentelle Entwicklungsgeschichte stützt sich auf Versuche (Gewebeverpflanzung u. a.); die Entwicklungsmechanik versucht, die Entwicklung chemisch und physikalisch zu deuten; die Entwicklungsphysiologie befasst sich unter Betonung physiologischer Aspekte mit der Entwicklung der Organismen.

Geschichtliches

Zu den Vorgängen, die bei der Entstehung eines Lebewesens aus einem Ei ablaufen, sind zwei Deutungen möglich. Die Epigenese behauptet, dass die Organe durch Neubildung entstehen. Diese Auffassung vertrat z. B. Aristoteles. Der Präformationshypothese zufolge sollen bereits in den Keimzellen alle Organe auf kleinstem Raum angelegt sein.
Zu Beginn der Neuzeit begann mit W. Harvey eine Hinwendung zur Embryologie. In Anlehnung an Aristoteles vertrat Harvey für die Tiere, die sich durch Elternzeugung vermehren, eine epigenetische Entwicklung. Bei Formen, die seiner Meinung nach durch Urzeugung entstehen, nahm er eine Metamorphose aus einem Keim an, in dem die künftige Organisation schon angelegt sein sollte. Der Präformationsgedanke wurde von M. Malpighi, J. Swammerdam und C. Bonnet mit seiner Einschachtelungshypothese vertreten. Bonnet lehrte, dass das erste geschaffene Individuum jeder Art bereits die Keime für alle nachfolgenden Generationen in sich enthalten haben müsste. Die Entdeckung der Spermatozoen durch A. van Leeuwenhoek hatte die Präformationisten in zwei Lager gespalten. Die Animalkulisten (Spermisten) waren der Meinung, dass der neue Organismus im Spermatozoon vorgebildet sei. Die Ovisten dagegen hielten das Ei für den wichtigeren Teil.
Die Abkehr von der Präformationslehre wurde durch K. F. Wolff eingeleitet, der aufgrund von Untersuchungen eine epigenetische Deutung des Entwicklungsgeschehens vertrat. Hervorzuheben ist K. E. von Baer, der als Erster den Furchungsprozess richtig beschrieb. Ein Verständnis dieses Vorgangs brachte die Schleiden-Schwannsche Zelllehre. Im späten 19. Jahrhundert führte die Vererbungswissenschaft wieder zum präformistischen Modell. Alle Anlagen sollten bereits in den Keimzellen der Lebewesen vorhanden sein, so dass aus ihrer Vereinigung ganz verschiedene Lebewesen hervorgehen konnten.
Als streng präformistisch sind die Pangenesishypothese C. Darwins (Vererbung) und die Entwicklungstheorie A. Weismanns zu bezeichnen. Andere Forscher (z. B. O. Hertwig) waren bemüht, Epigenese und Präformation miteinander zu verknüpfen. Wir wissen heute, dass die Präformation mit der im genetischen Material festgelegten Information gegeben ist.
Die zu Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgestellten Entwicklungshypothesen führten zu den experimentellen Untersuchungen des Entwicklungsgeschehens. E. Roux begründete die Entwicklungsmechanik; er führte die so genannten Defektversuche, bei denen ein Teil des sich entwickelnden Embryos abgetötet wird, als Methode zur Untersuchung des Differenzierungsablaufs ein, die durch H. Driesch fortgeführt wurden. T. Boveri zeigte die Wichtigkeit selbst einzelner Chromosomen für die Entwicklung auf. Driesch und T. H. Morgan entdeckten durch Entfernen von Plasmabezirken befruchteter Rippenqualleneier den Typ des Mosaikeies. Der Widerspruch in den Befunden an Regulationseiern und Mosaikeiern wurde von H. Spemann gelöst; durch Transplantationsversuche an Amphibienkeimen konnte er nachweisen, dass bei jeder Zellgruppe die Determination zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt.
Fritz Müller (* 1821,  1897) und E. Haeckel gaben der Entwicklungsgeschichte die entscheidenden zukunftweisenden Impulse. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts steht die experimentelle Entwicklungsgeschichte im Vordergrund. Sie leitet über zu den entwicklungsphysiologischen Arbeiten. Embryonalentwicklung, Befruchtung, Entwicklung.
 
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