Lexikon

Truffaut

[
tryˈfo:
]
François, französischer Filmregisseur, * 6. 2. 1932 Paris,  21. 10. 1984 Neuilly; wurde bekannt mit Filmen der „Neuen Welle“: „Sie küssten und sie schlugen ihn“ 1959; „Schießen Sie auf den Pianisten“ 1960; „Jules und Jim“ 1961; „Fahrenheit 451“ 1966; „Geraubte Küsse“ 1968; „Die Braut trug schwarz“ 1968; „Der Wolfsjunge“ 1970; „Die letzte Metro“ 1980; „Auf Liebe und Tod“ 1983.
Truffaut, François
François Truffaut
Der französische Regisseur François Truffaut während der Dreharbeiten zu einem Film.
  • Deutscher Titel: Sie küssten und sie schlugen ihn
  • Original-Titel: LES QUATRE CENTS COUPS
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1959
  • Regie: François Truffaut
  • Drehbuch: François Truffaut, Marcel Moussy
  • Kamera: Henri Decae
  • Schauspieler: Jean-Pierre Léaud, Albert Rémy, Claire Maurier, Guy Decomble
  • Auszeichnungen: Filmfestspiele Cannes 1959 für Regie
François Truffauts erster abendfüllender Spielfilm »Sie küssten und sie schlugen ihn« bedeutet mit dem Gewinn des Regiepreises in Cannes 1959 den sofortigen Durchbruch. Auch beim Publikum findet er große Resonanz.
Der 14-jährige Antoine (Jean-Pierre Léaud) wird von seiner Umwelt als »schwieriges« Kind beurteilt. In der beklemmenden Enge der elterlichen Wohnung sieht sich Antoine einem schwächlichen Vater und einer verständnislosen Mutter gegenüber, die sich für ihr Kind kaum interessieren. Durch Zufall überrascht Antoine eines Tages seine Mutter mit ihrem Geliebten. Sein Schock darüber weicht bald Pragmatismus: Mit seinem Wissen kann er bei der Mutter kleine Ziele durchsetzen.
In der Schule fühlt Antoine sich ebenso wenig aufgehoben. Derart haltlos, schwänzt der Junge mehrmals die Schule und begeht kleinere Delikte, die ihn in neue Konflikte mit den Erwachsenen stürzen. Nach dem Diebstahl einer Schreibmaschine wird er von seinen Eltern in ein Heim abgeschoben. Dort ist es nicht besser als zu Hause: Antoine flieht an Meer.
Als Filmkritiker der französischen Zeitschrift »Cahiers du Cinéma« forderte Truffaut einst, dass der Regisseur nur das verfilmen sollte, was seinen eigenen lebensgeschichtlichen Erfahrungen entspricht. Nur darüber könne er etwas aussagen. Entsprechend bezieht sich Truffaut in seinem Film deutlich auf seine eigene Jugend.
Um geeignete Darsteller zu finden, machte er Probe-Aufnahmen von Jugendlichen: Jean-Pierre Léaud schien ihm aufgeweckt und motiviert. Wie sich an Léauds späterer Filmkarriere zeigt, lag Truffaut mit dieser Einschätzung richtig. Den jungen Antoine Doinel spielt Léaud mit einer Natürlichkeit, die größtmögliche Authentizität perfekt übermittelt. Sein Debüt eröffnet einen fünfteiligen Zyklus, der Antoines Lebensweg verfolgt.
Kritiker meinen, dass Truffauts Film als Vertreter der »Nouvelle Vague« deren Anspruch von Lebendigkeit und persönlichem Gehalt in Form und Inhalt am besten einlöst. Der gleichzeitige Erfolg von Godards »Außer Atem« (1960) und Alain Resnais„ »Hiroshima mon amour« (1959) sichert den Regisseuren der »Nouvelle Vague« zahlreiche Projekte. Truffaut, Godard, Rivette, Resnais, Chabrol, Varda, Malle, Rohmer und Melville die meisten arbeiteten bei »Cahiers du Cinéma« mit sind die wichtigsten Vertreter der neuen Welle im französischen Film. Ihnen gemeinsam ist ihr Streben nach persönlichem Inhalt und Stil. Formal zeichnen sich viele der »Nouvelle-Vague«-Filme durch einen improvisiert dokumentarischen Charakter aus.
  • Deutscher Titel: Schießen Sie auf den Pianisten
  • Original-Titel: TIREZ SUR LE PIANISTE
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1960
  • Regie: François Truffaut
  • Drehbuch: Marcel Moussy, François Truffaut
  • Kamera: Raoul Coutard
  • Schauspieler: Charles Aznavour, Albert Remy, Marie Dubois
Der Musiker Charlie Kohler (Charles Aznavour) hat sich nach zahlreichen Schicksalsschlägen in eine Existenz als Barmusiker zurückgezogen und hofft auf ein neues Glück mit der Kellnerin Léna. Doch das Paar gerät in Auseinandersetzungen mit dem Barbesitzer Plyne und rivalisierenden Gangstern. Am Ende wird Léna bei einer Schießerei getötet; Kohlers Hoffnung auf das Glück ist ein weiteres Mal zerstört.
Truffauts zweiter abendfüllender Spielfilm ist eine Liebeserklärung an die amerikanischen Gangsterfilme der 30er und 40er Jahre.
  • Deutscher Titel: Jules und Jim
  • Original-Titel: JULES ET JIM
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1962
  • Regie: François Truffaut
  • Drehbuch: Jean Gruault, nach einem Roman von Henri-Pierre Roché
  • Kamera: Raoul Coutard
  • Schauspieler: Jeanne Moreau, Oskar Werner, Henri Serre
François Truffauts »Jules und Jim« gilt schon bald nach der Uraufführung am 23. 1. 1962 als Klassiker des französischen Kinos. Jules und Jim sind unzertrennliche Freunde, die sich um die Jahrhundertwende in dieselbe Frau verlieben. Cathérine heiratet Jules, hegt aber auch weiterhin Gefühle für Jim. Einige Male werden die Freunde getrennt und wieder vereint, ohne dass sich an ihrer Beziehung etwas ändert. Sie endet erst nach Jahren, als Cathérine bei einer Fahrt mit Jim das Auto in die Seine lenkt und beide ertrinken.
Truffaut erzählt von der unmöglichen Liebe in einer Folge von realistischen Schilderungen, ironischen Betrachtungen und Momentaufnahmen voller Leichtigkeit.
  • Deutscher Titel: Fahrenheit 451
  • Original-Titel: FAHRENHEIT 451
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1966
  • Regie: François Truffaut
  • Drehbuch: François Truffaut, Jean-Louis Richard
  • Kamera: Nicolas Roeg
  • Schauspieler: Oskar Werner, Julie Christie, Cyril Cusack, Anton Diffring, Jeremy Spenser
Nach seinem alten Weggefährten Jean-Luc Godard dreht auch François Truffaut einen kritischen Sciencefiction-Film. Vorlage ist Ray Bradburys Roman über einen totalitären Staat von morgen, in dem Bücher verboten sind (der Titel bezieht sich auf die Temperatur, bei der Papier zu brennen anfängt).
Der junge Montag (Oskar Werner) gehört zu einer Brigade, die »Feuerwehr« heißt, aber nur den Auftrag hat, Bücher aufzuspüren und zu verbrennen. Er lernt Clarisse (Julie Christie) kennen, die ihm erstmals Bücher zeigt. Montag beginnt zu zweifeln und flieht mit Clarisse zu den oppositionellen »Buchmenschen« in die Wälder.
Truffaut ist es gelungen, mit wenig technischem Aufwand eine erdrückende futuristische Szenerie zu entwerfen. Es ist sein erster englischsprachiger und sein einziger Sciencefiction-Film.
  • Deutscher Titel: Geraubte Küsse
  • Original-Titel: BAISERS VOLÉS
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1968
  • Regie: François Truffaut
  • Drehbuch: François Truffaut, Claude de Givray, Bernard Revon
  • Kamera: Denys Clerval
  • Schauspieler: Jean-Pierre Léaud, Claude Jade, Delphine Seyrig, Michel Lonsdale
Nach seiner unehrenhaften Entlassung aus dem Militärdienst wird Antoine Doinel (Jean-Pierre Léaud) zuerst Nachtportier, dann Privatdetektiv und zum Schluß Verkäufer in einem Schuhgeschäft. Dabei gerät der schüchterne junge Mann in mehrere heikle Frauengeschichten, bevor er schließlich in den Armen seiner alten Freundin Christine (Claude Jade) landet.
Regisseur François Truffaut und sein Stammschauspieler Jean-Pierre Léaud setzen mit diesem Episodenfilm die Geschichte ihres Helden Antoine Doinel aus »Sie küssten und sie schlugen ihn« (1959) fort.
  • Deutscher Titel: Die Braut trug schwarz
  • Original-Titel: LA MARIÉE ÉTAIT EN NOIR
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1968
  • Regie: François Truffaut
  • Drehbuch: François Truffaut, Jean-Louis Richard, nach einem Roman von Cornell Woolrich
  • Kamera: Raoul Coutard
  • Schauspieler: Jeanne Moreau, Jean-Claude Brialy, Michel Bouquet, Charles Denner
Julie Kohler (Jeanne Moreau) spürt der Reihe nach fünf Männer auf und bringt sie mit skurrilen Methoden um; zu ihren Opfern gehört sogar ein junger Maler, von dem sie sich angezogen fühlt. Die Frau will sich auf diese Weise für den Tod ihres Mannes rächen: Ihr Bräutigam kam auf den Stufen der Hochzeitskirche durch die Fahrlässigkeit der fünf im Umgang mit einem Jagdgewehr ums Leben.
»Die Braut trug schwarz« ist eine spannende Variation des in den 60er Jahren beliebten »amour-fou«-Themas. Der US-Amerikaner Cornell Woolrich, der viele Schauergeschichten für Kriminalfilme der 40er Jahre schrieb, lieferte die Romanvorlage für diesen schwarzen Film. Die Musik, die an die Hitchcock-Filme erinnert, wird von dessen langjährigem Mitarbeiter Bernard Herrmann geschrieben, der schon in »Der unsichtbare Dritte« und »Psycho« eine unverwechselbare Klangfarbe kultivierte.
  • Deutscher Titel: Der Wolfsjunge
  • Original-Titel: L„ENFANT SAUVAGE
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1970
  • Regie: François Truffaut
  • Drehbuch: François Truffaut, Jean Gruault
  • Kamera: Nestor Almendros
  • Schauspieler: François Truffaut, Jean-Pierre Cargol, Françoise Seigner
François Truffaut glaubte nicht an einen Erfolg des Schwarzweißfilms »Der Wolfsjunge« über die Kaspar-Hauser-Problematik. So band er ihn vertraglich an »Das Geheimnis der falschen Braut« (1969), der finanzielle Verluste des »Wolfsjungen« auffangen sollte. Der Starfilm aber wird ein Flop, und »Der Wolfsjunge« spielt sein Geld ein.
Truffaut hält sich streng an die authentische Vorlage des Arztes Jean Itard, der 1798 in den Wäldern Mittelfrankreichs einen verwilderten Jungen findet, ihn bei sich aufnimmt und gegen alle Skepsis von Kollegen zu einem »Menschen« erzieht. Der Tagebuchbericht über die Entwicklung des Jungen bildet die dramaturgische Struktur des Films. Nüchtern setzt die Kamera das historische Dokument um.
Truffaut vermittelt die Überzeugung, dass der Mensch erst durch die Gesellschaft, durch Zuwendung und Liebe zum Menschen wird. Er selbst spielt den Arzt Itard eine eindeutige Sympathiebekundung für diese Auffassung.
In dem Film sind weitere autobiografische Elemente verarbeitet: Er ist Jean-Pierre Léaud gewidmet, Truffauts filmischem Zögling und Hauptdarsteller vieler seiner Filme (»Sie küssten und sie schlugen ihn«, 1959): Itard und der Junge reflektieren ihre Beziehung.
  • Deutscher Titel: Die letzte Metro
  • Original-Titel: LE DERNIER METRO
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1980
  • Regie: François Truffaut
  • Drehbuch: François Truffaut, Suzanne Schiffman
  • Kamera: Nestor Almendros
  • Schauspieler: Cathérine Deneuve, Gérard Depardieu, Jean Poiret, Andréa Ferréol, Heinz Bennent
Der Film spielt vor dem Hintergrund der deutschen Besatzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg. Die Schauspielerin Marion Steiner (Cathérine Deneuve) hat von ihrem Mann die Leitung des Theaters Montmatre übernommen. Die Öffentlichkeit glaubt den deutschen Juden Lucas Steiner im südamerikanischen Exil, doch er versteckt sich im Keller des Theaters und versorgt seine Frau mit Anweisungen für ein neues Stück. Für diese Inszenierung wird auch der Nachwuchsschauspieler Bernard
Gran
ger (Gérard Depardieu) engagiert, der sich umgehend in Marion Steiner verliebt.
Truffaut erzählt nicht nur eine Dreiecksgeschichte, sondern behandelt auch die Thematik des menschlichen Verhaltens in Konfrontation mit dem Faschismus, vom offenen Widerstand bis zur inneren Emigration.
  • Deutscher Titel: Auf Liebe und Tod
  • Original-Titel: VIVEMENT DIMANCHE!
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1983
  • Regie: François Truffaut
  • Drehbuch: François Truffaut, Suzanne Schiffman, Jean Aurel
  • Kamera: Nestor Almendros
  • Schauspieler: Fanny Ardant, Jean-Louis Trintignant, Philippe Laudenbach, Caroline Sihol
Die Sekretärin Barbara Becker (Fanny Ardant) ist in ihren Chef Julien Vercel (Jean-Louis Trintignant) verliebt, der verdächtigt wird, den Liebhaber seiner Frau getötet zu haben. Barbara stellt eigene Ermittlungen an, um die Unschuld ihres Chefs zu beweisen. Kurz darauf wird Juliens Frau Marie Christine (Caroline Sihol) tot aufgefunden; Julien gerät erneut unter Mordverdacht. Die Spur der Sekretärin führt nach Nizza zu einem obskuren Nachtclub.
»Auf Liebe und Tod« ist eine hintergründige Kriminalkomödie, die mit cineastischen Verweisen, Zitaten und sarkastischen Seitenhieben nicht spart. Der von François Truffaut inszenierte, in Schwarzweiß gedrehte Film knüpft bewusst an die Filme der »Schwarzen Serie« in den 40er Jahren an und bietet temporeiche und gute Unterhaltung. Es wird einer der erfolgreichsten Filme Truffauts, der hier zum zweiten Mal mit seiner Lebensgefährtin Fanny Ardant zusammenarbeitet.
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