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Macht das Deutschlandticket den Verkehr nachhaltiger?
Nach dem großen Erfolg des 9-Euro-Tickets im Sommer 2022 kam im Mai 2023 der offizielle Nachfolger auf den Markt: das 49 Euro teure Deutschlandticket. Wer es besitzt, kann damit unbegrenzt den kompletten Nahverkehr des Landes nutzen, also zum Beispiel Busse, Straßenbahnen, U- und S-Bahnen sowie die Regionalzüge der Deutschen Bahn. Das Ticket wird dabei in Form eines monatlich kündbaren Abomodells angeboten.
Klingt nach einem verlockenden Anreiz, um mehr Menschen von der Straße auf die Schiene zu bewegen und der Umwelt somit etwas Gutes zu tun, doch funktioniert das auch? Das haben Forschende von der Fraunhofer-Allianz Verkehr nun in einer repräsentativen Umfrage mit mehr als 3.700 Teilnehmern herausgefunden. Sie zeigt auch, wer die typischen Deutschlandticket-Besitzer sind und für welche Zwecke sie es nutzen.
Wer nutzt das Deutschlandticket – und wozu?
Die genaue Anzahl der Deutschlandticket-Nutzer ist nur schwer zu erfassen, weil sie aufgrund des Abomodells monatlich schwankt. Doch in den ersten vier Monaten nach Beginn des Angebots hatten zeitweise mehr als die Hälfte der Befragten ein Deutschlandticket. Ein harter Kern von 15 Prozent besaß sogar in allen vier Monaten eines. Dabei gibt es offenbar verschiedene persönliche Eigenschaften und Lebensumstände, die die Nutzung des Angebots wahrscheinlicher machen.
Zum Beispiel zeigt die Umfrage, dass der durchschnittliche Deutschlandticket-Abonnent jung ist, einen höheren Bildungsgrad hat und in Vollzeit arbeitet. Er identifiziert sich außerdem selbst als umweltbewusster ÖPNV-Nutzer und fährt mindestens einmal pro Woche mit Bus und Bahn. Diejenigen, die kein Deutschlandticket besitzen, sind hingegen stärker auf das Auto angewiesen. Sie sind häufig älter als 55, im Ruhestand, leben meist zu zweit und haben ein niedrigeres Einkommen.
Diejenigen, die ein Deutschlandticket besitzen, benutzen es für ganz unterschiedliche Zwecke, wie die Fraunhofer-Allianz Verkehr herausgefunden hat. So geben 69 Prozent der befragten Ticketinhaber etwa an, es für Fahrten zu Hobbies, Tagesausflügen und Besuchen zu benötigen. Für 55 Prozent ist es auch für Aktivitäten des alltäglichen Bedarfs relevant, zum Beispiel bei Einkäufen oder Arztbesuchen. Auf Pendelstrecken kommt es dagegen nur bei 43 Prozent der Befragten zum Einsatz.
Macht das Ticket den Verkehr nachhaltiger?
Insgesamt gibt rund die Hälfte der befragten Ticketnutzer an, seit dem Kauf häufiger mit dem ÖPNV gefahren zu sein und dafür auch mal das Auto stehen zu lassen. Das fällt ihnen wahrscheinlich auch deshalb leicht, weil sie größtenteils sehr zufrieden mit dem Angebot sind. Die Abonnenten schätzen daran zum Beispiel, wie unkompliziert und günstig es ist und dass man es im ganzen Land nutzen kann.
Diese hohe Zufriedenheit ist es auch, die das Forschungsteam zuversichtlich stimmt: „Unsere Studie zeigt, dass das Deutschlandticket von der Bevölkerung grundsätzlich positiv wahrgenommen wird und somit einen Teil zur Mobilitätswende beitragen kann“, erklärt Uwe Clausen, Vorsitzender der Fraunhofer-Allianz Verkehr. „Es bedarf aber weiterer Maßnahmen wie besserer ÖPNV-Anschlüsse vor allem im ländlichen Raum sowie eines insgesamt zuverlässigeren Nahverkehrs, um einen großen Effekt zu erzielen.“
Optimierungen nötig
Denn erst wenn diese Grundprobleme des deutschen Nahverkehrs beseitigt sind, kann das Deutschlandticket auch Nutzer anziehen, die nicht zur klassischen Zielgruppe gehören und derzeit noch überdurchschnittlich oft mit dem Auto unterwegs sind.
Das spiegelt sich auch in den Umfrageergebnissen wieder: Nicht-Nutzer haben nicht unbedingt etwas gegen den ÖPNV an sich, sondern vermissen derzeit noch passende Verbindungen, eine gute Anbindung der Haltestellen sowie Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit vonseiten der Verkehrsbetriebe. Wären diese Baustellen behoben, könnten in Zukunft noch deutlich mehr Menschen von der Straße auf die Schiene umsteigen.