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Nährwertkennzeichnung - Ernährungsampel oder Klöckner-Modell?

Gesunde Lebensmittel im Supermarkt auf den ersten Blick erkennen: Dabei könnte Verbrauchern zum Beispiel eine Bewertung in Ampelfarben helfen. Doch Ernährungsministerin Julia Klöckner plant mit dem "Wegweiser Ernährung" eine andere Form der Nährwertkennzeichnung. Was sind die Unterschiede zwischen den beiden derzeit diskutierten Modellen – und was wollen eigentlich die Verbraucher?
Deutsche Diabetes Gesellschaft / DAL, 23.08.2019

Bei der Bewertung verarbeiteter Lebensmittel hilft bislang nur das Studium der Nährwerttabelle auf der Verpackung.

iStock.com, gilaxia

Bei Salat und Gemüse scheint die Sache noch klar. Doch gerade bei vielen verarbeiteten Lebensmitteln wird es für Verbraucher beim täglichen Einkauf schon schwieriger: Welches Produkt ist gesund, welches eher ungesund? Mithilfe der Nährwerttabelle auf der Verpackung lässt sich diese Frage zwar theoretisch beantworten. Die meisten Laien jedoch können mit diesen Informationen kaum etwas anfangen.

Mediziner und Verbraucherschützer fordern aus diesem Grund schon länger eine Kennzeichnung, die einfacher und auf den ersten Blick verständlich ist. Eine Möglichkeit wäre der sogenannte Nutri-Score. Bei dieser Ernährungsampel werden eher ungesunde Zutaten wie Zucker, Salz und gesättigte Fettsäuren und eher gesunde Inhaltsstoffe wie Ballaststoffe oder Proteine miteinander verrechnet.

Englische Nährwertkennzeichnung mit Ampelkennzeichnung.

Public Domain

Bewertung in Ampelfarben

Im Ergebnis ergibt sich ein Wert, der auf einer fünfstufigen Skala mit Buchstaben und Ampelfarben eingeordnet wird – von dunkelgrün bis rot. Anhand dieser farblichen Kennzeichnung können Verbraucher ernährungsphysiologisch günstige Lebensmittel von ungünstigen unterscheiden, schnell und ohne Vorwissen. Allerdings hat die Schlichtheit der Ernährungsampel einen Nachteil: Mitunter erhalten auch Produkte eine noch gute Bewertung, denen man nicht unbedingt einen gesundheitlichen Nutzen zuschreiben würde, gezuckerter Trinkjoghurt zum Beispiel.

Trotzdem legen Studien nahe, dass das in Frankreich und Belgien bereits eingeführte System funktioniert: Menschen neigen demnach im Supermarkt eher dazu, grün gekennzeichnete Nahrungsmittel zu kaufen – und ernähren sich dadurch tatsächlich gesünder als ohne die Kennzeichnung.

Modellentwurf für den "Wegweiser Ernährung"

Max Rubner-Institut

Das alternative Wegweiser-Modell

Während sich Verbraucherorganisationen wie "Foodwatch" daher für die Einführung der Ernährungsampel in Deutschland einsetzen, hat Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) etwas anderes vor: Sie setzt sich für das in ihrem Auftrag entwickelte Nährwertmodell "Wegweiser Ernährung" ein.

Das wabenartig anmutende Siegel in Grüntönen bildet in Zahlen den Gehalt der vier Nährstoffe Zucker, Salz, Fett und gesättigte Fettsäuren ab und gibt zudem den Energiegehalt an. Daneben wird in einem großen Sechseck eine Gesamtbewertung in Form von Sternen angezeigt. Eine Kennzeichnung mit Ampelfarben fehlt in diesem Modell, dafür enthält es mehr detaillierte Informationen.

Nutri-Score-Kennzeichnung auf einer Müsli-Packung in Belgien.

fr.openfoodfacts.org / Gemeinfrei

Verbraucher wollen den Nutri-Score

Doch welche Variante bevorzugen eigentlich die deutschen Verbraucher? Genau dies hat nun eine repräsentative Umfrage des Forsa-Instituts untersucht – mit eindeutigem Ergebnis. 69 Prozent der Befragten sprechen sich demnach für den Nutri-Score aus. Das Klöckner-Modell beurteilen die meisten im Vergleich dagegen als "kompliziert" und "verwirrend". Vor allem Personen mit einem geringeren Bildungsgrad und starkem Übergewicht finden den Nutri-Score häufiger hilfreicher bei der Auswahl gesunder Produkte.

"Das neue Kennzeichnungssystem muss gerade für die besonders von Fehlernährung und Übergewicht betroffenen Bevölkerungsgruppen verständlich sein", kommentiert Berthold Koletzko von der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. "Wenn Eltern einen geringen Bildungsstand haben oder übergewichtig sind, dann haben ihre Kinder ein deutlich erhöhtes Risiko, auch dick zu werden. Der Nutri-Score erreicht diese Bevölkerungsgruppen offenbar gut."

"Endlich umsetzen"

Angesichts dieser Ergebnisse fordern Wissenschaftler wie Hans Hauner von der Deutschen Diabetes Stiftung nun eine schnelle Umsetzung der Ernährungsampel: "Die Umfrage zeigt klar, dass der Nutri-Score genau das liefert, was die Menschen erwarten – eine schnelle, verständliche Orientierung beim Einkauf. Die Politik muss diese wirksame Maßnahme für eine gesündere Ernährung endlich umsetzen."

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