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Otto von Bismarck – Reichsgründer und Mythos
Sein weltweit größtes Standbild steht in Hamburg: Über 34 Meter hoch ragt die dortige Bismarck-Statue empor. Das Standbild zeigt, dass der am 1. April 1815 geborene Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen nicht nur politisch, sondern auch körperlich eine eindrucksvolle Erscheinung war: Noch zu Lebzeiten war der rund 1,90 Meter große Fürst Bismarck als guter Esser und Trinker sowie starker Raucher bekannt.
"Blut und Eisen"
Nachdem er zunächst in Russland und Frankreich diplomatische Erfahrung gesammelt hatte, begründete Bismarck als preußischer Ministerpräsident seit 1862 seine später sprichwörtlich gewordene Politik von "Blut und Eisen": Militärische Macht war seiner Ansicht nach entscheidend, um nicht nur Preußens politische Vormachtstellung zu sichern, sondern auch die des gesamten deutschsprachigen Raumes. "Nicht durch Reden oder Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Eisen und Blut", verkündete Bismarck bereits 1862 vor dem preußischen Abgeordnetenhaus, bevor er das preußische Militär aufrüsten ließ.
Die Einheit der zahlreichen deutschen Kleinstaaten war eines von Bismarcks größten Zielen – und er arbeitete unermüdlich darauf hin. Ein erster großer Schritt dahin war der hauptsächlich von Preußen beherrschte Norddeutsche Bund im Jahr 1967, mit Bismarck als Kanzler. Der zu großen Teilen von Bismarck selbst provozierte Deutsch-Französische Krieg führte schließlich auch zum Beitritt der südlichen Staaten Baden, Bayern, Württemberg und Hessen-Darmstadt – seit 1871 bezeichnete sich der Bund damit als Deutsches Reich. In Anerkennung seiner Verdienste erhielt der führende Politiker hinter der Reichsgründung den Titel "Fürst von Bismarck".
Der eiserne Kanzler
Auch als erster Reichskanzler blieb Bismarck sich treu und verfolgte seine Politik mit eisernem Willen. "Es ist nicht leicht, unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein" soll Kaiser Wilhelm I. über seinen Kanzler gesagt haben. Jedoch war die Außenpolitik des "eisernen Kanzlers" weniger aggressiv geprägt und mehr darauf bedacht, das Reich zu stabilisieren und zu erhalten. Die von Bismarck geschmiedeten Bündnisse mit anderen Mächten formten über lange Zeit das Kräftegleichgewicht in ganz Europa.
Doch Bismarck sorgte nicht nur außenpolitisch für Sicherheit. Im Zuge der Industrialisierung war er sich bewusst, dass es die größte Sorge vieler Arbeiter war, durch eine Krankheit ihren Job zu verlieren und dann in Armut leben zu müssen.. In den 1880 Jahren legte der Reichskanzler daher die Grundlagen für die Sozialversicherungsgesetze: Seit 1883 gab es eine gesetzliche Krankenversicherung, die Unfallversicherung folgte ein Jahr darauf.
Die Reichshunde – fast so berühmt wie ihr Herr
Berühmt war aber nicht nur Bismarck selbst - auch seine Hunde waren international bekannt. Die großgewachsenen Doggen begleiteten ihn oft. Einer der Hunde, Tyras, soll einmal beinahe einen diplomatischen Zwischenfall ausgelöst haben: Er verstand das wilde Gestikulieren des russischen Kanzlers Gortschakow als Angriff auf seinen Herren. Tyras stürzte sich auf den Politiker, brachte ihn zu Fall und zerriss seine Hosen. Gortschakov, ein scharfer politischer Rivale Bismarcks, kam jedoch nicht zu Schaden. Zahlreiche Entschuldigungen verhinderten schlimmere politische Konsequenzen.
Zusammen mit Sultan, einem der Lieblingshunde Bismarcks, prägte Tyras den Begriff "Reichshund". Wenn Sultan jemanden nicht mochte, vertraute Bismarck angeblich dem Urteil seines Hundes. Tyras war so berühmt, dass bei seinem Tod im Jahr 1889 Zeitungen in aller Welt davon berichteten. Einer seiner Nachfolger, den Bismarck als Geburtstagsgeschenk erhielt, bekam ebenfalls den Namen Tyras.
Drei Kaiser und ein Rücktritt
Mit dem Tod Wilhelms I. im Jahr 1888 neigte sich auch die Karriere des eisernen Kanzlers Otto von Bismarck ihrem Ende zu. Zunächst folgte Friedrich III. auf dem Kaiserthron. Dieser war jedoch bereits an Kehlkopfkrebs erkrankt und starb nach nur 99 Tagen im Amt. Ihm folgte im "Dreikaiserjahr" schließlich Wilhelm II. nach – und zwischen ihm und Bismarck herrschte keine große Sympathie: Der alte Kanzler erschien dem jungen Kaiser zu starrköpfig, Bismarck hingegen hielt Wilhelm II. für zu jung und unerfahren.
Wachsende Meinungsverschiedenheiten zwischen Kaiser und Kanzler führten schließlich 1890 zu Bismarcks Rücktritt. Dieser erregte nicht nur in Deutschland großes Aufsehen, ganz Europa blickte auf den Rücktritt der großen deutschen Führungsperson. "Der Lotse geht von Bord", betitelte die britische Zeitschrift "Punch" eine berühmt gewordene Karikatur. Ganz aus der Politik verabschieden konnte sich Bismarck jedoch nicht. Bis zu seinem Tod im Jahr 1898 übte er scharfe Kritik an seinen Nachfolgern und auch am Kaiser selbst.
Verehrt bis heute
Schon nach seinem Rücktritt, erst Recht aber nach Bismarcks Tod setzte in ganz Deutschland eine geradezu mythische Verehrung ein. "Bismarcktürme" sollten mit brennenden Feuern den Ruhm des Reichsgründers bezeugen. Von Statuen bis Straßennamen erhielt er zahllose Ehrungen. Dieser Bismarck-Kult zeigt sich teilweise noch im heutigen Alltag: Der eiserne Kanzler lieh seinen Namen etwa einer Mineralquelle und dem Bismarck-Hering.