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Die Goebbels-Schnauze - Anmerkungen zum "Volksempfänger" (Podcast 8)

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Die Goebbels-Schnauze

Berlin, 18. August 1933. Der Reichspropagandaminister Joseph Goebbels eröffnet die 10. Große Deutsche Funk-Ausstellung. Im Mittelpunkt der Funkschau in den Ausstellungshallen am Kaiserdamm steht ein neu entwickelter Radioapparat – der Volksempfänger.

"Wir machen gar keine Hehl daraus, der Rundfunk gehört uns. Und niemandem sonst. Und den Rundfunk werden wir in den Dienst unserer Idee stellen. Und ... keine andere Idee soll hier zu Worte kommen. Zu glauben, dass wieder einmal eine Zeit kommen könnte, wo man allen Parteien von der Sozialdemokratischen Partei bis zu den Nationalsozialisten die Gelegenheit gäbe, am Rundfunk ihre sogenannten Ideen an das Volk zu bringen, das ist kindlich."

In einer Ansprache über den deutschen Rundfunkt macht Joseph Goebbels in der ihm eigenen Diktion klar, was die Nationalsozialisten im Rundfunk sahen: Das „allerwichtigste Massenbeeinflussungsinstrument“, das sie nicht mehr aus der Hand geben wollten. In seiner Eröffnungsrede auf der Deutschen Funk-Ausstellung sprach Goebbels gar von der „achten Großmacht“. Seit dem 30. Januar 1933 wurde der Rundfunk dann auch zielbewusst zum Instrument der nationalsozialistischen Propaganda ausgebaut. Nach der ersten Etappe, der sogenannten Säuberung der Rundfunkanstalten, folgte als zweiter Schritt die Steigerung der Hörerzahl. Auf Druck des für den Rundfunk verantwortlichen Goebbels schlossen sich 28 Hersteller zur Wirtschaftsstelle für Rundfunkapparatefabriken zusammen und verpflichteten sich, den aus einem Ingenieurwettbewerb hervorgegangenen Volksempfänger zu bauen.

 

Der VE 301 und die „Goebbels-Schnauze“

Entwickelt wurde der Volksempfänger bei der Firma Seibt vom Elektrotechniker Otto Griessing. Die Typenbezeichnung „VE 301“ verweist auf den 30. Januar, den Tag der Machtübernahme der Nazis. Das Gerät kostete anfänglich staatlich vorgeschriebene 76 Reichsmark und machte den Empfang des Bezirkssenders auf Mittelwelle und des Deutschlandsenders auf der Langwelle möglich. Dank massiver Werbung wurden bis Jahresende 1933 680.000 Stück verkauft. Das Gehäuse bestand aus Bakelit – einem hitzebeständigen Kunststoff. Im Inneren war der VE 301 mit drei Röhren bestückt.

Das Gerät war übrigens wirklich günstig, schließlich wollten die Nazis ihre Propaganda an eine wirklich breite Masse richten – und dafür mussten auch die ärmeren Bevölkerungsschichten ein Radio besitzen. Zum Vergleich: ein Jahr zuvor, 1932, wurde auf der Funkausstellung das erste Autoradio vorgestellt. Das 15 Kilogramm schwere "Autosuper AS 5" kostete stolze 465 Reichsmark und das monatliche Durchschnittseinkommen im Deutschen Reich betrug Mitte der 1930er Jahre rund 160 Reichsmark. Anfang 1938 kam dann der Deutsche Kleinempfänger DKE 38 auf den Markt. Bis Ende des Jahres wurden 2,5 Millionen dieses Volksempfängers, der im Volksmund auch "Goebbels-Schnauze" hieß, abgesetzt. Der Preis: 35 Reichsmark. Insgesamt wurden von den verschiedenen Modellen des Volksempfängers mehrere Millionen Stück verkauft.

 

Ein Volk, ein Reich, ein Radio

Der Volksempfänger trug entscheidend dazu bei, dass die Hörerzahlen im Dritten Reich stiegen: von rund vier Millionen Anfang 1932 auf über 12 Millionen Mitte 1939. Am 1. April 1943 sollen es im sog. „Großdeutschen Reich“ 16 Millionen Rundfunkteilnehmer gewesen sein. Diese hörten das nationalsozialistische Einheitsprogramm für das ganze Deutsche Reich  – und zahlten dafür pro Monat zwei Reichsmark Rundfunkgebühren.  Auslandsstationen waren mit diesen Geräten nur schwach zu empfangen.

Mit Beginn des 2. Weltkriegs wurde der Volksempfänger Informationsquelle Nr.1 für die deutsche Bevölkerung. Und zum wichtigsten propagandistischen Instrument der Nazis. Eine regelmäßige Sendung war der Wehrmachtsbericht, in dem die Lage an der Front geschildert wurde. Von der majestätischen Fanfare aus Franz Liszts Les Preludes eingeleitet, wurden die sog. „Sondermeldungen“ mit Stentorstimme hinausposaunt, sie begannen mit den immergleichen Worten: Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt. Und hier wurden dann Niederlagen in Siege umgedeutet, militärische Katastrophen verharmlost. Auch die „Wunschkonzerte“ gab es zu hören. Sendungen, die als Band zwischen Heimat und Front gedacht waren. Bekannte deutsche Künstler wie Heinz Rühmann,  die pfeifende Ilse Werner oder auch Opernstars wie Peter Anders musizierten für die Soldaten. Über den Volksempfänger erklang Wunschmusik, Glückwünsche zu Geburten und sogenannten  Ferntrauungen wurden verlesen und somit die von den Nazis vielzitierte „Volks- oder Schicksalsgemeinschaft“ beschworen. Bis am 9. Mai 1945 der Reichssender Flensburg das Ende aller Kämpfe meldete. Ein Volk, ein Reich, ein Radio.

 

Jörg Peter Urbach und Andrea Rickert , wissen.de-Redaktion