Das in den USA am häufigsten angewandte Wahlsystem ist die relative Mehrheitswahl. Dies betrifft nicht nur Wahlen in politische Ämter, denn in den USA werden beispielsweise auch Staatsanwälte und Sheriffs direkt vom Volk gewählt. In der amerikanischen Verfassung ist kein bestimmtes Wahlverfahren festgelegt. Auch die Bundesverfassung schreibt nur allgemeine Rahmenbedingungen vor. Die jeweilige Regelung des Wahlrechts ist Sache der einzelnen US-Bundesstaaten.
Die Wahlen zum Kongress
Die Hauptaufgabe des amerikanischen Kongresses besteht in der Gesetzgebung, ferner besitzt er die Haushaltsbefugnis. Der Kongress besteht aus dem Senat mit 100 Senatoren und dem Repräsentantenhaus mit 435 Abgeordneten. Letztere werden von den einzelnen US-Bundesstaaten entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entsandt. Derzeit vertritt jeweils ein "Representative" etwa 500.000 US-Bürger. Gemäß der Verfassung des Kongresses werden die Mitglieder des Repräsentantenhauses alle zwei Jahre direkt vom Volk gewählt. Dabei sollen die Wahldistrikte in etwa gleich groß sein. In den Senat entsendet jeder US-Bundesstaat zwei auf sechs Jahre vom Volk direkt gewählte Senatoren nach Washington. Sie sollen dort die speziellen Interessen ihres Heimatstaates vertreten und auch Lobby-Arbeit für die heimische Wirtschaft leisten. Alle zwei Jahre wird ein Drittel der Senatoren neu gewählt. Damit ist die Kontinuität des Senats bei gleichzeitiger langsamer Auswechslung seiner Mitglieder gewährleistet.
Die Präsidentschaftswahlen
Die wichtigste Entscheidung, die die amerikanischen Wähler zu treffen haben, ist die alle vier Jahre stattfindende Wahl zum Präsidenten der USA. Der Inhaber dieses mit einer großen Machtfülle ausgestatteten Amtes ist Staatsoberhaupt und Regierungschef zugleich, zudem Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Eingeschränkt wird die Macht des Präsidenten durch das System der "checks and balances", der sich gegenseitig kontrollierenden Organe Senat, Repräsentantenhaus und Oberster Gerichtshof. Im Gegensatz zu den parlamentarischen Systemen in Europa spielen die Parteien in den USA eine unbedeutende Rolle. Die Präsidentschaftskandidaten der Republikaner und Demokraten werden nicht wie in Europa von den Parteivorständen, sondern in den "primaries" genannten Vorwahlen von Delegierten der einzelnen US-Bundesstaaten gewählt. Die Wahl des amerikanischen Präsidenten läuft in vier Phasen und auf indirektem Wege ab. Zunächst entsenden die einzelnen Bundesstaaten Delegierte zu den nationalen Parteitagen. Dort werden die jeweiligen Präsidentschaftskandidaten gewählt und offiziell nominiert. Daraufhin erfolgt die Wahl der Wahlmänner durch die Urwähler, wie es von der Verfassung und den Gesetzen der einzelnen Bundesstaaten vorgegeben ist. Die Wahlmänner schließlich wählen nach den Bestimmungen der Verfassung den Präsidenten in sein Amt.
Wahlmarathon
Als fester Wahltermin ist laut einem Kongressbeschluss aus dem Jahr 1845 der erste Dienstag nach dem ersten Montag im November festgesetzt. Im Februar des Wahljahres beginnen die offenen und die geschlossenen Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidaten der Parteien. An den offenen Vorwahlen können auch parteiunabhängige Bürger oder Mitglieder anderer Parteien ihre Stimme abgeben. Bei den geschlossenen Vorwahlen sind nur Parteimitglieder zugelassen. Meist geben diejenigen Kandidaten, die bei den Vorwahlen die wenigsten Stimmen erreichen, schon während des Wahlkampfes auf. Auf den Parteitagen im Sommer stellen sich dann nur noch die erfolgreichsten Anwärter als Präsidentschaftskandidaten zur Wahl. Nach der Nominierung der Präsidentschaftsanwärter beginnt die dritte, besonders in den bevölkerungsreichen Bundesstaaten ausgetragene, wichtigste Phase des Wahlkampfs. Diese Phase erleben wir gerade.
Spendenwahlkampf
Für einen Präsidentschaftswahlkampf sind erhebliche Finanzmittel nötig. Auf Wunsch des Kandidaten kann eine Teilfinanzierung aus öffentlichen Mitteln erfolgen, wobei dann allerdings eine Begrenzung der Gesamtausgaben akzeptiert werden muss. Wenn der Kandidat öffentliche Gelder ablehnt, darf er unbegrenzte Eigenmittel einsetzen (wie etwa 1992 der unabhängige Kandidat Ross Perrot). Die hauptsächlichen Geldquellen sind jedoch Spenden. Sie stammen von Privatpersonen oder Gruppierungen und dürfen je Spende eine bestimmte Höhe nicht überschreiten. Für ein größtmögliches Maß an Transparenz soll die Anzeigepflicht der Kandidaten sorgen. Sie müssen Spenden über 10 US-Dollar bei der Federal Election Commission melden, Zahlungen über 200 US-Dollar mit Nennung der Geldgeber. Ziel dieser Regelungen, die in den 1970er Jahren nach Gerüchten über Korruption bei den Wahlkämpfen von Richard Nixon verschärft worden waren, ist es, die Unabhängigkeit der Kandidaten zu gewährleisten. Die Präsidentschaftskandidaten könnrn stets mit Millionen-Spenden betuchter Einzelpersonen rechnen. Wobei interessanterweise gerade die Kriegskasse des demokratischen Bewerbers Obama durch zahllose Einzelspenden von kleinen Beträgen prall gefüllt ist. Wegen des geltenden Mehrheitswahlrechts wird in den einzelnen Bundesstaaten um jede Stimme gekämpft, da dort auch bei einem knappen Wahlausgang alle Wahlmännerstimmen dem Sieger zufallen. So kommt es zwischen den Stimmen der Urwähler und denen der Wahlmänner zu erheblichen Verzerrungen.
The Winner takes it all
Es ist möglich, dass ein Kandidat, der die Mehrzahl der Stimmen erhält, wegen der "The Winner Takes all"-Wahlmännerregelung letztlich unterliegt. 1888 holte Grover Cleveland 48,6 % der Stimmen, verpflichtete jedoch nur 168 Wahlmänner auf sich, während sein Kontrahent Benjamin Harrisson mit 47,8 % 233 Wahlmännerstimmen gewann und schließlich Präsident wurde. Auch in jüngerer Vergangenheit - im November 2000 - wurde zum ersten Mal seit 1888 wieder ein Kandidat Präsident, der zwar die Mehrheit der Wahlmänner, nicht aber die Mehrheit der abgegebenen Wählerstimmen hinter sich hatte. Der demokratische Kandidat Al Gore erhielt bei der Wahl zwar fast 51 Millionen Wählerstimmen, nahezu 540 000 Stimmen mehr als sein republikanischer Herausforderer George W. Bush. Trotz des Vorsprungs von etwas mehr als einem halben Prozent musste sich Al Gore geschlagen geben. Bei den Präsidentschaftswahlen 2004 konnte G. W. Bush dann aber auch die Mehrheit der Wählerstimmen für sich reklamieren. Die feierliche Amtseinführung des im November gewählten US-Präsidenten erfolgt immer im Januar des nächsten Jahres. Bis dahin amtiert noch sein Vorgänger.
Jörg Peter Urbach, wissen.de-Redaktion