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Schwarze Löcher – Exoten des Universums
Schon Albert Einstein sagte vor mehr als 100 Jahren voraus, dass es Objekte im Kosmos gibt, die mit der klassischen Physik nicht mehr zu erklären sind. Denn sie vereinen so viel Masse auf engstem Raum, dass die gängigen Gleichungen für die Beschreibung von Gravitation, Raumzeit und Co nicht mehr gültig sind. Bildlich ausgedrückt: Das alles durchziehende "Netz" der Raumzeit ist an diesem Punkt so tief eingesenkt, dass es reißt. Inzwischen wissen wir, dass es diese Objekte tatsächlich gibt und dass sie viele Prozesse im Universum prägen. Doch was steckt hinter diesen Schwerkraftgiganten?
Wie ist ein Schwarzes Loch aufgebaut?
Im Zentrum des Schwarzen Lochs liegt die Singularität – ein Punkt, der mit normaler Physik nicht mehr zu beschreiben oder zu erklären ist. Hier ist enorm viel Masse auf nur einem Punkt konzentriert, entsprechend hoch ist die Gravitationswirkung. Dadurch kann nichts – nicht einmal Licht – aus dieser Singularität entweichen. Dieser Bereich eines Schwarzes Lochs ist daher absolut dunkel – er sendet keinerlei Strahlung aus und reflektiert auch nichts.
Außen an diese "dunkle Zone" schließt sich der Ereignishorizont an. Er markiert die Grenze, ab der nichts mehr aus dem Schwarzen Loch entweichen kann – sozusagen den Punkt ohne Wiederkehr. Materie und Strahlung können zwar von außen in den Innenbereich des Schwarzen Lochs gelangen, aber von innen dringt nichts mehr hinaus. Der Durchmesser des Ereignishorizonts hängt von der Masse des Schwarzen Lochs ab und gilt als Maß für seine Größe.
Heller Ring und dunkler Schatten
Außen um den Ereignishorizont schließt sich ein Ring aus Strahlung und Materie an. Weil eintreffende Strahlung durch die enorme Schwerkraft des Schwarzen Lochs gebeugt und vorübergehend in eine Kreisbahn gezwungen wird, erzeugt sie einen beobachtbaren Lichtring. Er ist es auch, den Astronomen mit dem Event-Horizon-Teleskop erstmals fotografiert haben. Die beiden bisher abgebildeten Schwarzen Löcher im Zentrum unserer Milchstraße und der fernen Galaxie M87 erscheinen dadurch wie ein leuchtender Doughnut: Ein heller Ring um eine dunkle Mitte.
Bei Schwarzen Löchern, die aktiv Materie in sich einsaugen, liegt um den Lichtring ein weiterer ausgedehnter Ring aus rasend schnell rotierendem Plasma – mehrere Millionen Grad heißer Materie, in der Atomkerne und Elektronen auseinander gerissen wurden. Weil die Teilchen in dieser Akkretionsscheibe sehr energiereich sind und stark beschleunigt wurden, geben sie Energie in Form von Strahlung verschiedenster Wellenlängen ab.
Wie kann man ein Schwarzes Loch sichtbar machen?
Das Schwarze Loch selbst ist immer unsichtbar, denn es verschluckt jede Strahlung und Information. Verraten kann sich seine Gegenwart aber zum einen indirekt durch die Schwerkraftwirkung, die es ausübt: Es beeinflusst beispielsweise die Bahnen und das Tempo von Sternen, die in seiner Nähe kreisen. Deshalb vermuteten Astronomen schon in den 1960er Jahren, dass sich im Zentrum unserer Milchstraße ein Schwarzes Loch verbergen könnte. Weil dieses Sagittarius A* getaufte Schwarze Loch aber kaum Materie aufnimmt, hat es keine stark strahlende Akkretionsscheibe – es bleibt dadurch also auch außerhalb des Ereignishorizonts weitgehend unsichtbar.
Anders ist dies bei den massereichen Schwarzen Löchern, die gerade große Mengen an Materie in sich aufsaugen – beispielsweise in Form von Gaswolken oder ganzen Sternen. Ihre Akkretionsscheibe strahlt so hell, dass sie über Milliarden Lichtjahre hinweg sichtbar ist. Solche aktiven Galaxienkerne, auch Quasare genannt, gehören zu den hellsten Objekten im Kosmos. Sie verraten den Astronomen, dass es schon wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall erste Galaxien mit Schwarzen Löchern im Zentrum gab.
Doch das inaktive Schwarze Loch im Zentrum unserer eigenen Galaxie ist inaktiv und daher kein Quasar. Um Sagittarius A* direkt sehen zu können, müssen Astronomen daher versuchen, den Strahlungsring um den Ereignishorizont aufzuspüren. Das allerdings ist keine leichte Aufgabe, weil er 27.000 Lichtjahre von uns entfernt liegt und nicht sehr groß ist. Von der Erde aus gesehen ist der Strahlenring so klein wie eine Ein-Euro-Münze auf dem Mond. Um ihn abzubilden, haben die Astronomen die Radioteleskope von acht großen Observatorien auf der ganzen Welt so zusammengekoppelt, dass sie wie eine einzige, erdgroße Teleskopschüssel arbeiten.
Mit diesem Event-Horizon-Teleskopverbund haben sie dann das Zentrum unserer Milchstraße anvisiert. Dennoch war es extrem aufwendig, aus den resultierenden Daten ein scharfes Bild zu bekommen, denn die um das Schwarze Loch kreisenden Gase und Strahlung flackern ständig. „Das ist ein bisschen wie der Versuch, ein klares Bild von einem Welpen zu machen, der schnell seinem Schwanz nachjagt“, erklärt der Astronom Chi-kwan Chan von der University of Arizona. Es dauerte daher fast fünf Jahre, um die Daten so auszuwerten, dass sie eine Art Durchschnittswert der Helligkeit zu einem Foto kombinieren konnten. Das Ergebnis ist die am 12. Mai 2022 veröffentlichte erste Aufnahme des Schwarzen Lochs im Milchstraßenzentrum.
Welche Arten von Schwarzen Löchern gibt es?
Astronomen teilen Schwarze Löcher in drei Hauptkategorien ein, die sich in ihrer Entstehung und ihrer Masse unterscheiden. Die kleinsten und am häufigsten vorkommenden Vertreter sind die stellaren Schwarzen Löcher. Sie entstehen, wenn massereiche Sterne das Ende ihres Lebenszyklus erreichen. Weil die Kernfusion in ihrem Inneren nachlässt, werden diese Sterne instabil: Sie blähen sich erst zum Roten Überriesen auf und dann kollabiert ihr Kern unter dem Druck seiner eigenen Schwerkraft – der Stern explodiert in einer Supernova. Als Rest bleibt ein Schwarzes Loch übrig. Gängiger Theorie nach können solche stellaren Schwarzen Löcher aber nicht schwerer sein als rund 85 Sonnenmassen.
Das andere Extrem sind die supermassereichen Schwarzen Löcher im Herzen von Galaxien. Sie umfassen typischerweise mehrere Millionen bis Milliarden Sonnenmassen und gehören damit zu den massereichsten Objekten im Kosmos. Wie sie entstehen, ist allerdings bisher noch nicht ganz klar. Astronomen vermuten, dass sie schon in der Frühzeit des Kosmos durch die Verschmelzung kleinerer Schwarzer Löcher heranwuchsen. Auch bei der Kollision von Galaxien kommt es zu einer Verschmelzung ihrer zentralen Schwarzen Löcher.
Die dritte und bisher rätselhafteste Form solcher Singularitäten sind die intermediären Schwarzen Löcher. Sie gelten als Zwischenform zwischen den stellaren und den supermassereichen Schwarzen Löchern und könnten zwischen 100 und 100.000 Sonnenmassen schwer sein – so die Theorie. Bisher haben Astronomen allerdings nur sehr wenige mögliche Exemplare dieser Klasse beobachtet – und selbst dabei sind sie nicht ganz sicher. Auch an einigen Kollisionen Schwarzer Löcher, die über Gravitationswellen nachgewiesen worden sind, waren möglicherweise einige solcher Zwischenformen beteiligt.
Rätselhaft ist jedoch, wie diese intermediären Schwarzen Löcher entstehen. Einige Forscher vermuten, dass sie durch Kollisionen zwischen vielen stellaren Schwarzen Löcher im Zentrum von dichten Kugelsternhaufen gebildet werden. Andere gehen davon aus, dass diese Objekte das Ergebnis einer hierarchischen Verschmelzung beispielsweise im inneren Bereich von Galaxien sind. Dabei verschmelzen erst zwei stellare Schwarze Löcher zu einem etwas größeren. Dieses wiederum kollidiert dann mit einem weiteren Schwarzen Loch und so weiter. Im Laufe langer Zeiträume wächst dann so ein intermediäres Schwarzes Loch heran – so die Vermutung. Bisher allerdings sind bei den intermediären Schwarzen Löchern, aber auch ihren größeren und kleineren Artgenossen noch einige Fragen offen.