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Sexuelle Übergriffe im Netz – Vorsicht vor Cybergrooming
Sich über das Internet mit anderen auszutauschen, neue Dinge entdecken und sich selbst online darzustellen, ist für Kinder und Jugendliche längst alltäglich. Meist sind sie dort ohne elterliche Aufsicht unterwegs. Doch viele Eltern wissen dabei gar nicht, dass die Internetnutzung zu einer enormen Gefahr für die Minderjährigen werden kann. "Die Gefahren in sozialen Netzwerken und Chats werden häufig noch unterschätzt“, warnt der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen Peter Biesenbach.
Gefahr Cybergrooming
Vor allem sind Kinder und Jugendliche in der Online-Welt vom sogenannten Cybergrooming gefährdet: Dabei machen sich Kriminelle im Internet gezielt an Kinder – Mädchen wie Jungen - heran und verführen sie dazu, ihnen Nacktfotos zu senden oder verwickeln sie in Gespräche über sexuelle Handlungen. Manchmal verfolgen sie damit auch das Ziel, sich später in der „realen“ Welt mit den minderjährigen Opfern zu treffen und sie zu missbrauchen. Allein im Jahr 2019 meldete die Polizei mehr als 3.200 Fälle von Cybergrooming – die wahre Zahl liegt aber mit Sicherheit sehr viel höher, weil nur wenige Betroffene dies offenlegen.
Das Problem: In der Online-Welt ist es für solche Täter besonders einfach, unerkannt zu bleiben. Sie legen sich dafür Fake-Profile auf sozialen Plattformen wie Instagram, Tiktok und Co., aber auch beim Gaming oder sogar auf Seiten wie eBay-Kleinanzeigen zu. Darin täuschen sie beispielsweise vor, selbst Jugendlicher zu sein oder eine sonstige vertrauenswürdige Person. Mit dieser falschen Identität treten sie mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt.
Hinzu kommt: Zuhause am Computer oder Handy fühlen sich die Kinder und Jugendlichen sicher. Schutzmechanismen, die für sie in der analogen Welt selbstverständlich wären, bleiben daher aus. So würden sich die meisten Kinder davor scheuen, Fremden persönliche Dinge anzuvertrauen oder beispielsweise mit einem fremden Erwachsenen mitzugehen. Im Internet aber liegt die Hemmschwelle offenbar niedriger.
Erst Komplimente, dann Pornografisches
Meist gehen die Täter dabei so vor, dass sie sich zunächst das Vertrauen der Minderjährigen erschleichen. Sie täuschen Interesse und Verständnis für deren Lebenssituation und Erfahrungen vor, machen virtuelle Geschenke in Form von kleinen Spielen oder Likes und machen Komplimente. Über die Profile der Kinder und Jugendlichen informieren sie sich über Hobbys oder den Musikgeschmack und finden so Anknüpfungspunkte für vermeintliche Gemeinsamkeiten. Bei Jugendlichen geben sie oft vor, deren Abneigung gegen „uncoole“ Erwachsene zu teilen und werden so zu wichtigen Ansprechpartnern.
Dann jedoch werden die Täter immer aufdringlicher. Sie stellen persönlichere Fragen, posten pornografisches Material und fordern die Kinder auf, Nacktfotos von sich zu schicken oder sich vor der Kamera auszuziehen. Kommt das Kind diesen Wünschen nach, sitzt es oft in der Falle: Die Täter nutzen die erhaltenen Nacktbilder und Videos als Druckmittel, um ihre Opfer unter Druck zu setzen. Oft drohen sie damit, dieses Material zu veröffentlichen, wenn das Kind jemandem etwas verrät oder den Kontakt abbrechen möchte.
Wie kann man vorbeugen?
Aber was sind Zeichen dafür, dass es sich bei den Chatpartnern der Kinder und Jugendlichen möglicherweise um pädophile Kriminelle handelt? Ein erstes Warnsignal kann es sein, wenn der neue Kontakt von öffentlichen Gruppen oder Chats in private Chats wechseln möchte. Ebenso verdächtig ist es, wenn das Gegenüber private Informationen wie die Adresse oder Telefonnummer von einem haben möchte, aber selbst kaum persönliche Daten preisgibt .
Eltern sollten ihren Kindern generell bewusst machen, dass nicht jedes Profil auch der Person entspricht, die dahinter steckt. Alter, Aussehen, Name – alles kann erfunden sein. Eine weitere Vorbeugung ist es, wenn Eltern sollten darauf achten, dass sie und ihre Kinder , so wenig persönliche Informationen wie möglich teilen oder in Internet-Profile hochstellen. Zudem ist es ratsam, dass die Eltern bei jüngeren Kindern die Datenschutz- und Privatsphäre-Einstellungen anpassen, damit diese beispielsweise gar nicht erst von Fremden kontaktiert werden können. Ältere Kinder und Jugendliche sollten mit den Melde- und Blockiersystemen der gängigen Plattformen vertraut gemacht werden. Sie ermöglichen es, verdächtige Chatpartner zu blockieren.
Das Wichtigste sei es aber, Kinder und Jugendliche über das Cybergrooming aufzuklären. "Wenn Kinder alleine das Haus verlassen, sagen wir ihnen auch: Lass Dich nicht von fremden Erwachsenen ansprechen. In der digitalen Welt ist es nicht anders“, sagt Tobias Schmidt von der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen.
Was tun, wenn Cybergrooming vorliegt?
Umso wichtiger ist es, dass man sich sofort Hilfe sucht, wenn man den Verdacht hat, ein Opfer von Cybergrooming zu sein - dafür reicht auch schon ein Bauchgefühl. Zunächst bietet es sich an, mit Vertrauenspersonen wie den Eltern, Freunden oder vertrauten Lehrern darüber zu sprechen. Dafür braucht man sich auch nicht schämen oder Schuldgefühle haben, denn schließlich ist man selbst das Opfer einer rechtlich strafbaren Tat. Wer sich aber dennoch nicht traut, mit Bekannten darüber zu reden, kann sich auch anonym bei der Beratungsstelle der Landesanstalt für Medien oder einem anderen Hilfetelefon melden sprechen.
Generell gilt: Im Verdachtsfall sollte man den Nutzernamen des verdächtigten Profils und den eigenen Nutzernamen aufschreiben sowie den Zeitraum, in dem man mit dem unbekannten Chatpartner geschrieben hat. Zusätzlich sollte man Screenshots vom Chatverlauf machen. Danach ist es unbedingt ratsam aufzuhören, mit dem Fremden zu schreiben und den Kontakt zu blockieren.
Cybergrooming ist strafbar
Mithilfe dieser Beweise kann man dann Anzeige gegen den Täter erstatten. Denn Cybergrooming ist eine Form des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen und deshalb rechtlich verboten. Seit Januar 2021 ist bereits der Versuch strafbar, Kinder mit sexuellen Absichten im Internet zu kontaktieren. Es müssen daher noch keine Fotos oder Videos sowie Nachrichten mit sexuellem Inhalt ausgetauscht worden sein, um den Tatbestand des Cybergroomings zu erfüllen.
Für eine Anzeige meldet man den Verdächtigen entweder per Onlineformular der Polizei oder geht zu einer Polizeidienststelle, sodass die Beamten den Straftäter dann ausfindig machen und bestrafen können. Die Polizei geht zudem auch ständig im Internet „auf Streife“ und sucht regelmäßig nach weiteren Straftätern, indem sie sich selbst als Kinder ausgeben und mit ihnen schreiben, um Beweise für das Cybergrooming zu sammeln. "Auch wenn unsere Aufklärungsquoten bei den angezeigten Fällen sehr gut sind, müssen wir natürlich alles dafür tun, dass es erst gar nicht zu solchen Verbrechen gegen Kinder kommt", betont Peter Biesenbach, Justzminister von Nordrhein-Westfalen.