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Smart Cities: Wer sind die Vorreiter?

Nicht nur unsere Computer und Haushaltsgeräte sind heute immer stärker vernetzt und "intelligent" – auch ganze Städte sollen künftig "smart" werden. Vernetzte Systeme sollen die Infrastruktur optimieren und beispielsweise die Ampeln flexibel nach Verkehrslage schalten. Aber wie weit ist die Entwicklung bei den Smart Cities heute? Das haben jetzt Wissenschaftler vergleichend untersucht.
NPO, 18.03.2019

Noch sind umfassende Smart-City-Lösungen nur in Planstädten wie der Golfstadt Masdar City oder Songdo in Südkorea zu besichtigen. Aber auch für bestehende Städte existieren zumindest schon Konzepte.

thinkstock.com, jamesteohart

Heutige Städte sind oft Opfer ihres eigenen Erfolgs: Durch die immer dichtere, größere Bevölkerung wird Wohnraum knapper, der zunehmende Verkehr führt zu Staus und Luftverschmutzung und auch die Infrastruktur muss immer komplexer werden, um alle Stadtbewohner zu versorgen. Eine Lösung für diese Probleme könnte eine intelligentere, flexiblere Steuerung städtischer Systeme, wie der Verkehrsplanung, Versorgung oder Logistik sein – eine "Smart City".

Vernetzt und flexibel

Was aber heißt das konkret? Bei einer solchen Stadt sind viele wesentliche Systeme miteinander und mit einer Zentrale vernetzt. Computer koordinieren und steuern viele Funktionen – ähnlich wie schon in einem smarten, vernetzten Haus. Dafür werden ständig Informationen von Verkehrsleitzentralen, Umweltsensoren oder der Energieversorgung ausgewertet. Auf Basis dieser Daten erkennen die Rechner beispielsweise wo ein Stau droht und passen die Ampelsteuerung entsprechend an.

Aber auch die Stadtbewohner selbst haben an dieser Vernetzung teil: Sie können beispielsweise aktuelle Umweltdaten oder Verkehrsdaten jederzeit online abrufen, Carsharing-Angebote nutzen oder den Standort der nächsten Elektroladesäule abfragen. Auch Gänge in Bürgerbüros und andere Behördendinge werden zunehmend durch Online-Plattformen ersetzt, was viel Zeit und Ärger sparen kann.

153 Städte weltweit haben entsprechende Konzepte

Doch wie weit sind urbane Ballungsräume weltweit mit dieser Vernetzung? Welche Städte haben überhaupt schon ein Konzept für ihre Stadt als Smart City? Um das herauszufinden, haben Experten der Beratungsfirma Roland Berger sich Großstädte weltweit angeschaut und nach ihrem "Smart City Strategy Index" bewertet. Dabei zeigte sich: Rund 90 Prozent der Städte weltweit sind noch weit von einer Smart City entfernt. Sie haben bisher nicht einmal ein Konzept dafür.

Aber immerhin tut sich was: Die Zahl der Städte mit einer klaren Smart-City-Strategie hat sich in den letzten zwei Jahren von 87 auf 153 fast verdoppelt. Unter diesen Vorreitern sind übrigens keineswegs nur Megacities und Großstädte, sondern auch kleine und mittlere Ballungsräume. "Unter den rund 500 Städten weltweit mit einer mehr als einer Million Einwohnern haben wir sogar nur 49 mit einer veröffentlichen smart-City-Strategie gefunden", so die Experten.

Wien und London liegen vorn

Wie umfassend die Pläne für die smart Cities sind und wer unter den 153 Vorreitern ganz weit vorn liegt, haben die Forscher anhand von zwölf Kriterien analysiert. Dabei bewerteten sie unter anderem klassische Vernetzungsbereiche wie den Verkehr, das Energie- und Wassermanagement oder den Internetzugang, aber auch, inwieweit beispielsweise das Gesundheitssystem oder die Verwaltung vernetzt und digitalisiert sind.

Das überraschende Ergebnis: Im Index der Smart Cities liegen nicht Metropolen wie New York oder Hongkong ganz vorne, sondern die österreichische Hauptstadt Wien. "Wien überzeugt mit seiner ganzheitlichen Rahmenstrategie und innovativen Lösungen für Mobilität, Umwelt, Bildung, Gesundheit und Verwaltung sowie einer Fortschrittskontrolle der einzelnen Projekte", erklärt Thilo Zelt von Roland Berger. Die Stadt punktet zum Beispiel mit fortschrittlichen E-Health-Ansätzen und bietet als erstes deutschsprachiges Land offene Verwaltungsdaten.

An zweiter Stelle im Ranking folgt London. Auch diese Stadt hat ein relativ umfassendes Konzept für eine Vernetzung der meisten Infrastrukturen, aber auch der Politik und der Bildung aufgestellt. Beim Internetzugang punktet die Stadt durch innovative Ideen. So will die Stadt nach und nach Straßenlaternen und Bänke mit öffentlichem WLAN, Luftqualitätssensoren und Ladestationen für Elektrofahrzeuge ausrüsten.

Asien dominiert die Top 15

Beide Städte haben ein Merkmal gemeinsam, das auch bei anderen Städten den Wandel zur Smart City voranbringen könnte: Sie haben ein zentrales Entscheidungsorgan eingeführt, wie den Chief Digital Officer in London oder die Smart City Agency in Wien. Sie bündeln technische Kompetenz und steuern zentral Projekte. Gleichzeitig koordinieren sie als übergeordnete Stelle die unterschiedlichen Interessen von Stadt, Service- und Lösungsanbietern sowie der Regierung.

Betrachtet man allerdings, wo die Städte mit den umfangreichsten und am weitesten fortgeschrittenen Smart-City-Konzepten liegen, dann hat Asien klar die Nase vorn. Städte wie Singapur, Schanghai, Shenzhen, Guangzhou und Seoul dominieren die Top 15 des Smart-City-Rankings, wie die Experten berichten. Von den deutschen Städten befindet sich dagegen nur Berlin im oberen Drittel des Rankings.

Es gibt keine allgemeingültige Blaupause

Eines der Probleme: Keine Stadt ist gleich. Es gibt daher keine allgemeingültige Blaupause für den Weg zur Smart City", so die Forscher. Dazu kommt, dass schon die Entwicklung eines sinnvollen Konzepts eine Menge an Vorwissen und Vorbedingungen erfordert: Man benötigt das entsprechende technische Wissen, aber auch Kenntnisse darüber, was überhaupt grundsätzlich möglich ist. Erst dann kann man prüfen, was für die eigenen Stadt machbar und sinnvoll wäre.

Ein weiterer Hemmschuh sind zudem unklare Verantwortlichkeiten: "Es fehlt nicht selten eine koordinative Funktion mit dem entsprechenden Know-how, die das Projekt vorantreibt", bemängelt Zelt. Die Koordination aller beteiligten Gruppen sei ein Schlüssel zum Erfolg für eine Smart-City-Strategie. Wichtig ist auch: Einerseits benötigt man eine Infrastruktur, die die Daten nutzbar macht, Auf der anderen Seite aber muss ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der die erfassten Daten schützt.

"Aber das am schwersten zu überwindendende Problem ist gleichzeitig das am wenigsten fassbare: der Widerstand gegen Veränderungen", sagen die Experten. "Smart-City-Lösungen beinhalten oft radikale neue Ideen und Bürger und Entscheider haben zunächst oft wenig Verständnis für deren Vorteile."