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Smartphones: Lernhelfer oder Ablenkung?
96 Prozent der 12- bis 19-Jährigen besitzen laut Medienpädagogischem Forschungsverbund Südwest ein eigenes Smartphone. Obwohl die Geräte mittlerweile fest zum Leben von Jugendlichen dazugehören, gelten sie in der Schule nach wie vor als Störfaktor. Oft wird ihre Nutzung im Unterricht daher verboten. Und auch wenn Schülerinnen und Schüler Hausaufgaben machen oder für die nächste Prüfung lernen, bitten ihre Eltern sie häufig, das Smartphone währenddessen außer Reichweite zu legen. Zu Recht?
Ablenkend wie eine Tafel Schokolade
Tatsächlich zeigt eine aktuelle Studie der Universität Paderborn, dass wir automatisch abgelenkter sind, sobald ein Smartphone auf dem Tisch liegt. Das gilt selbst dann, wenn das Gerät nicht einmal eingeschaltet ist. Der Grund: Wir müssen ständig den Impuls unterdrücken, nach dem Handy zu greifen und damit „herumzuspielen“, also zum Beispiel in den sozialen Medien zu scrollen. Das erfordert viel Willenskraft und Konzentration – und genau die fehlen uns dann bei der Bewältigung der eigentlichen Aufgabe.
Genauso gut könnten wir zum Beispiel auch eine verführerische Schale mit Chips oder eine Schokoladentafel neben uns auf dem Tisch platzieren und erwarten, davon beim Arbeiten nicht abgelenkt zu werden. In der Schule oder am Schreibtisch im Kinderzimmer empfiehlt es sich daher durchaus, das Smartphone in den Rucksack oder in eine Schublade zu verbannen, wenn wir uns gerade auf eine Aufgabe konzentrieren müssen.
Smartphones als Lernhelfer?
Doch was, wenn wir das Smartphone beim Erledigen einer Aufgabe nicht einfach nur neben uns liegen haben, sondern es sogar aktiv dafür nutzen? Schließlich gibt es immer mehr Apps, die effektives mobiles Lernen versprechen. Dazu zählen etwa Fahrschul-Apps, die einem dabei helfen, sich auf die theoretische Prüfung vorzubereiten. Oder auch Vokabellern-Apps, die als eine Art digitales Karteikartenregister dienen.
Tatsächlich haben wissenschaftliche Studien gezeigt, dass gerade Vokabel-Apps durchaus tun, was sie sollen, und einen positiven Einfluss auf das Wortschatzwissen ihrer Nutzer haben. Wichtig für den Erfolg ist allerdings, dass man regelmäßig und über einen längeren Zeitraum hinweg mit der App übt – genauso wie beim Lernen mit dem handgeschriebenen Karteikartenregister auch.
In vielen anderen Kontexten ist die Effektivität des Lernens per Smartphone allerdings noch kaum untersucht. Wie und ob es das schulische Lernen im Vergleich zu herkömmlichen Methoden bereichern kann, ist daher nur schwer zu sagen. Vor dem Hintergrund, dass Smartphones ein wichtiger Begleiter im Alltag von Jugendlichen sind, wäre es nach Ansicht von Experten allerdings sinnvoll, ihre Tauglichkeit als Lernhelfer weiter zu erforschen.
Neue Benachrichtigung: „Zeit zu lernen“
Statt Smartphones für das Lernen an sich zu nutzen, besteht aber auch die Möglichkeit, sie lediglich als Erinnerung für Lerneinheiten einzusetzen. „Erinnerungen durch das Smartphone sind sehr praktisch – sie helfen dabei, dass wir im Laufe des Tages mehr Wasser trinken, an Geburtstage denken und auch sonst keine Termine verpassen“, erläutert Lea Nobbe vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main. Zusammen mit ihren Kollegen hat sie erforscht, wie effektiv Lernerinnerungen per Smartphone sind.
Dafür teilten Nobbe und ihr Team 85 Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren in zwei Gruppen ein. Beide sollten über 36 Tage hinweg Vokabeln mit dem Smartphone lernen. Eine Gruppe erhielt keinerlei Erinnerungen an diese Aufgabe, die andere Gruppe wurde in unregelmäßigen Abständen von ihrem Smartphone zum Vokabelpauken aufgefordert. Interessanterweise waren es am Ende jedoch die Jugendlichen ohne Smartphone-Erinnerungen, die häufiger ihre Vokabeln übten. An 26 der 36 Tage begaben sie sich selbstständig in ihre Lerneinheiten.
Die Erinnerungsgruppe griff hingegen nur an 22 Tagen zum digitalen Vokabelbuch. Vor allem gegen Ende hin lernte diese Gruppe oft nur noch an den Tagen, an denen das Smartphone sie auch daran erinnerte. Schwieg das Handy, dann blieben auch sie häufig untätig. Daraus schließt Nobbe: „Der positive Effekt auf das Lernverhalten ist eher kurzfristig. Auf längere Sicht geben die Schülerinnen und Schüler die Verantwortung für das Lernen an das Smartphone ab, mit der Gefahr, dass sie sich nur noch darauf verlassen.“
Fazit
Das Fazit: Smartphones als Lernhelfer sind ein zweischneidiges Schwert. Sie können uns durchaus dabei helfen, neue Inhalte zu verinnerlichen, gleichzeitig aber auch das genaue Gegenteil bewirken. Um lerntechnisch vom Handy zu profitieren, muss es schon sehr gezielt oder eben ergänzend zu Lerneinheiten in der Schule eingesetzt werden. Aber selbst dann bleibt das Risiko groß, dass das Smartphone uns stattdessen von unseren zu erledigenden Aufgaben ablenkt.