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So ein Idiot - der Privatmann

»So ein Idiot!« schimpft man über den Verkehrsteilnehmer, der einem die Vorfahrt genommen hat, oder über den Steppke, der soeben den Klebstoff im ganzen Zimmer verteilt hat. Es ist eindeutig, was damit gemeint ist: Man hält den anderen für einen unvernünftigen, unbedachten, ja vielleicht sogar geisteskranken und gemeingefährlichen Menschen.

Diesen Sinn hatte das Wort jedoch nicht immer. Das altgriechische Adjektiv »ídios« bedeutet »eigen, privat, eigentümlich«, als »idiótes« bezeichnete man den einzelnen Bürger in seiner Position gegenüber dem Staat, den Nichtkenner im Gegensatz zum Experten. Der »Idiot« war also schlicht der Privatmann in seiner ganz persönlichen Eigenart, der Laie.

Als der Begriff im 16. Jahrhundert in der deutschen Sprache heimisch wurde, benutzte man ihn zunächst ebenso wertneutral, wovon noch die Fachvokabeln »Idiotismus« für sprachliche Besonderheiten und »Idiotikon« als Bezeichnung für ein Mundartwörterbuch zeugen. Im englischen Rechtswesen jener Zeit fand »idiot« Verwendung als Terminus für »eigenartige« Personen, die nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte und entsprechend unmündig waren. Auf diesem Wege der juristischen Fachvokabel erhielt der »Idiot« sein Negativ-Image als »Irrer«. Letzterer war übrigens ursprünglich auch nur ein harmloser Mensch, der sich irrt (von lateinisch errare = irren, verirren), und entwickelte sich erst im Wandel der Wortbedeutung zu einem zornigen, dann rasenden, schließlich geisteskranken Zeitgenossen.

Idiot und Irrer gehören zu einer ganzen Reihe von Wörtern, die im Lauf der Jahrhunderte eine Umfärbung ins weniger Schmeichelhafte durchgemacht haben. Zwei bekannte Beispiele seien noch genannt: Der altgriechische bárbaros war einfach ein Nichtgrieche, ein Fremder, der die attische Sprache nicht beherrschte und dessen Rede sich wie »Rhabarber Rhabarber« anhörte. Zum grausamen Rohling, zum »Barbaren«, machte ihn erst das durch allerlei Staatskrisen und Kriege verunsicherte Spätmittelalter. Und bis weit ins 19. Jahrhundert sagte man »Weib«, wenn man die Ehefrau meinte, den verächtlichen Beiklang erhielt das Wort erst im Zeitalter der Emanzipation.