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Sonnenwende, Planetenreigen und ein roter Riesenstern
Es ist die Zeit der kürzesten Nächte und längsten Tage: Mehr als 16 Stunden lang ist es im Juni hell und die Nächte werden in manchen Gegenden Deutschlands gar nicht mehr vollständig dunkel. Denn auch die Dämmerung dauert in diesen Wochen besonders lang: Bis zu dreieinhalb Stunden kann die Zwielichtphase anhalten. Noch extremer erleben diese sommerliche Helligkeit im Moment die Bewohner der hohen Arktis: Jenseits des Polarkreises wird es in diesen Wochen gar nicht mehr dunkel.
Sommersonnenwende: Der längste Tag
Am 21. Juni ist es soweit: Es ist Sommersonnenwende. An diesem Tag steht die Sonne bei uns so hoch und so lange am Himmel wie das ganze restliche Jahr nicht. Sie erreicht zudem den nördlichsten Punkt ihrer scheinbaren Bahn am Himmel. Der Grund dafür ist, dass die Erde der Sonne jetzt die Nordhalbkugel besonders weit zukehrt. Bei uns beginnt damit astronomisch gesehen der Sommer und auf der Südhalbkugel der Winter.
„Es ist ein Rekordtag mit der größten Mittagshöhe der Sonne, dem längsten Tag des Jahres und der kürzesten Nacht – wenn man überhaupt von ‚Nacht‘ sprechen kann“, erklärt Thomas Kraupe, Direktor des Planetariums Hamburg. „Denn in den nördlichsten Gebieten Europas, im Norden Norwegens, geht die Sonne seit Mitte Mai gar nicht unter und steht rund um die Uhr am Himmel – eine ‚Nacht‘ gibt es dort momentan nicht." Am Nordkap leuchtet die Sonne selbst um Mitternacht als Mitternachtssonne über dem Nordhorizont. In Norddeutschland gibt es zwar keine Mitternachtssonne, aber immerhin eine Mitternachtsdämmerung – dort hält die Dämmerung die ganze Nacht über an.
Fünf Planeten säuberlich aufgereiht
Im Juni bieten uns auch die Planeten einen seltenen und spektakulären Anblick. Denn kurz vor Sonnenaufgang bilden gleich fünf von ihnen eine aufsteigende Reihe über dem Ost- und Südhorizont – und sie stehen dabei in ihrer korrekten Reihenfolge. Sie entspricht der, die sie auch im Sonnensystem von innen nach außen haben: Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn folgen säuberlich hintereinander. Der innerste Planet Merkur steht allerdings so tief am Horizont und leuchtet so schwach, dass er nur an südlichen Standorten zu erkennen ist. Das letzte Mal, dass alle fünf Planeten so aufgereiht standen, liegt schon fast 18 Jahre zurück, dieses Schauspiel war im Dezember 2004 zu sehen.
Bei diesem Planeten-Reigen kann man auch gut beobachten, wie unterschiedlich schnell die Planeten über den Himmel wandern. Denn ihre Abstände verändern sich im Laufe des Juni. So steht der Mars zu Monatsbeginn nur zwei Grad von Jupiter entfernt, bis Ende Juni wächst sein Vorsprung aber auf rund 20 Grad, weil der Orbit des Roten Planeten näher an der Sonne liegt und kürzer ist. Von uns aus gesehen ist der Mars daher deutlich schneller unterwegs als Jupiter.
„Es lohnt sich, vor allem im letzten Monatsdrittel, lange aufzubleiben oder sehr früh aufzustehen, denn der Reigen der Planeten setzt sich noch weiter fort, wobei auch unser Mond Nacht für Nacht für einen sich dauernd wandelnden Anblick sorgt“, sagt Kraupe. „Er eilt dabei von Planet zu Planet und leuchtet am Morgen des 20. Juni zwischen Jupiter und Saturn im Wassermann und am 22. Juni schließlich zwischen Mars und Jupiter im Sternbild Walfisch.“
Orion geht unter, der Skorpion auf
Während das Wintersternbild Orion in den Sommernächten im Glanz der Sonne verschwunden ist, steht der Skorpion die ganze Nacht am Himmel – wenn auch in unseren Breitengraden nur recht tief am Horizont. "Der Skorpion ist der Sage nach der Gegenspieler des Himmelsjägers Orion und hat ihn im Kampf durch seinen Giftstachel getötet", erklärt Kraupe. „Die beiden Kontrahenten wurden von Zeus anschließend an den Himmel versetzt – jedoch sich gegenüberliegend, sodass sie einander auf ewig aus dem Weg gehen.“
Die ganze Pracht des Skorpions inklusive der südlich gelegenen Sterne, die den Stachel markieren sollen, ist allerdings nur weiter im Süden zu sehen, zum Beispiel auf den Kanarischen Inseln. Aber auch bei uns fällt zumindest Antares auf, der rote „Herzstern“ des Skorpions. Er ist einer der größten Sterne, die wir mit bloßem Auge sehen können – ein sogenannter Roter Überriese, rund zwölfmal massereicher als unsere Sonne.
„Würden wir Antares anstelle unserer Sonne in unser Planetensystem setzen, so würde sein riesiger, rotglühender Gasleib über die Mars-Umlaufbahn hinausreichen und unsere Erde mitsamt ihrem Geschwistern Merkur, Venus und Mars verschlingen“, sagt der Astronom. „Glücklicherweise ist Antares etwa 550 Lichtjahre entfernt und erscheint uns nur als funkelnder Lichtpunkt."
Sommerdreieck und Milchstraße
Selbst bei hellem Mondschein können wir gegen Mitternacht die sieben Sterne des Großen Wagens finden. Sie bilden den hellsten Teil des Sternbildes Großer Bär und stehen spätabends noch recht hoch über uns. „Verlängern wir den Bogen der Wagendeichsel, so führt er uns hoch im Südwesten zu dem hellen, rötlichen Stern Arktur im Sternbild Bootes, dem Bärenhüter, der den Großen Bären und damit auch dem Großen Wagen vor sich hertreibt“, erklärt Kraupe. „Hoch im Südosten zeigt sich um Mitternacht das Sommerdreieck mit den Sternen Wega in der Leier, Deneb im Schwan und Atair im Adler.“
Ab jetzt ist auch die Milchstraße besonders gut zu sehen. Denn momentan schauen wir direkt auf den dichtesten Teil unserer Heimatgalaxie, das galaktische Zentrum. Dadurch hebt sie sich vom dunklen Himmel besonders deutlich ab – zumindest wenn man den Nachthimmel von einem dunklen Ort beobachtet. Hinzu kommt, dass die Milchstraße jetzt im Sommer nicht flach über den Nachhimmel verläuft wie im Winter, sondern fast senkrecht auf dem Horizont zu stehen scheint.