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Threads: Kann die Meta-App Twitter vom Thron stoßen?

Seit Elon Musk Twitter übernommen hat, geht es dort drunter und drüber. Das hat sowohl Nutzer als auch Werbekunden abgeschreckt. Konkurrierende Kurznachrichtendienste sehen daher aktuell ihre Chance gekommen, Twitter zu stürzen. Gute Chancen könnte zum Beispiel das vor drei Wochen an den Start gegangene „Threads“ vom Facebook-Mutterkonzern Meta haben. Doch was genau ist Threads? Wie unterscheidet es sich von Twitter? Und ist im Internet überhaupt Platz für einen weiteren Microblogging-Dienst?
AMA; 26.07,2023
Symbolbild Kurznachrichtendienst

© oatawa, GettyImage

Bei Twitter kriselt es. Grund dafür sind zahlreiche Eskapaden von Elon Musk, der den beliebten Kurznachrichtendienst Ende Oktober 2022 übernommen hat. Der Tech-Milliardär hat nicht nur Mitarbeiter öffentlich per Twitter gefeuert, sondern auch umstrittene Nutzer wie Andrew Tate entsperrt, während kritischen Journalisten der Account blockiert wurde. Sein neuester Coup: Twitter heißt seit Anfang der Woche X. Diese und zahlreiche weitere Fehltritte haben Twitter für viele Nutzer und Werbekunden uninteressant gemacht. Sie suchen nach einer neuen Plattform – zur Freude der Konkurrenz.

Threads legt Raketenstart hin

Ein solcher Twitter-Konkurrent ist die Plattform Threads, die erst am 6. Juli an den Start gegangen ist. Hinter ihr steht der Internetgigant Meta, zu dem bereits Facebook, Instagram und WhatsApp gehören. In der Europäischen Union ist die App aufgrund von Datenschutzbedenken noch nicht verfügbar, doch im Rest der Welt war Threads bei ihrem Launch stark gefragt. Innerhalb von fünf Tagen verzeichnete die App über 100 Millionen Downloads – mehr als einst Tiktok und ChatGPT.

Doch was genau ist Threads überhaupt? Ebenso wie Twitter ist Threads ein textbasiertes soziales Netzwerk im Stile einer Microblogging-Plattform. Nutzer können 500 Zeichen lange Textbeiträge posten und in diese auch Fotos, Videos und Links einbinden. Andere Nutzer können auf diese Posts antworten, unter ihnen diskutieren, sie reposten und zitieren. Von der Ästhetik her ist Threads eine Mischung aus Instagram und Twitter. Ein Threads-Konto kann außerdem nur erstellen, wer bereits einen Instagram-Account hat. Nutzername, Passwort und Followerliste lassen sich von der einen auf die andere Plattform übertragen. 

Gänzlich frei von Macken ist Threads jedoch noch lange nicht. Das zeigt sich auch daran, dass der anfängliche Höhenflug offenbar nicht angehalten hat. Der Webanalysedienst „Similarweb“ schätzt, dass sich die Nutzung von Threads innerhalb einer Woche nach dem Start schon wieder halbiert hatte. Das könnte zwei Gründe haben: Erstens beschweren sich Nutzer zunehmend über Spamattacken und Bot-Accounts und zweitens beklagen sie langweilige und belanglose Inhalte, die die App ihnen empfiehlt. Auch besteht noch keine Option, Beiträge in chronologischer Reihenfolge anzeigen zu lassen.

Mastodon und Co. abgehängt

Noch steckt die App also in ihren Kinderschuhen. Je nachdem, wie es ihr gelingt, die Startschwierigkeiten zu überwinden, könnte sie sich aber durchaus als bedeutendes soziales Netzwerk neben Twitter etablieren, schätzen Social Media-Experten. Die Chancen dazu stehen vor allem im Vergleich zu anderen Twitter-Alternativen wie Mastodon, Bluesky und Artifact recht gut. Zwar setzen diese Dienste anders als Threads auf Dezentralität und gelten daher nicht als gierige Datenkraken, doch das reicht offenbar noch nicht für den Durchbruch.

Zu dem Zeitpunkt, als Musk Twitter übernommen hat, waren auf Mastodon gerade einmal 250.000 Nutzer angemeldet, auf Bluesky etwas mehr als 100.000. Nichts im Vergleich zu dem Raketenstart an Nutzerzahlen, den Threads hingelegt hat. Und im Bereich der sozialen Medien ist Reichweite einfach alles. Hinzu kommt, dass Threads in Sachen Nutzerfreundlichkeit klar im Vorteil ist – allein, weil die meisten die Ästhetik und den Aufbau von Facebook, Instagram und Co. gewohnt sind.

Stürzt Threads irgendwann Twitter?

Doch sich als weiteres soziales Netzwerk zu etablieren, ist nochmal ein komplett anderes Unterfangen als der Plan, den Platzhirsch Twitter zu stürzen. Glaubt man Threads-Chef Adam Mosseri, dann hat die Plattform das aber offiziell auch gar nicht vor. „Das Ziel ist nicht, Twitter zu ersetzen“, so Mosseri. „Das Ziel ist, einen öffentlichen Platz für Communitys auf Instagram zu kreieren, die auf Twitter nie wirklich vertreten waren, und für Communitys auf Twitter, die an einem weniger wütenden Ort für Konversationen interessiert sind.“

Experten kaufen Mosseri diese Bescheidenheit jedoch nicht ab. Wenn Threads keinen Angriff auf Twitter vorhatte, wieso startete die Plattform dann ausgerechnet, als Twitter geschwächt war? Und wieso sieht die App Twitter so ähnlich und hat sich ihre Funktionen abgeschaut?

Laut Journalist Ben Kendal ist es aber eigentlich fast schon egal, welche Apps Twitter offiziell den Rang ablaufen wollen und welche nicht. Denn der Untergang des sozialen Netzwerks sei auch ohne nennenswerte Konkurrenz womöglich bereits besiegelt: „Twitters größte Gefahr könnte letztendlich nicht Threads, Mastodon oder eine andere Plattform sein. Ihr Name lautet womöglich Elon Musk.“