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Unterseekabel – Schlagadern der Weltkommunikation
Trotz ihrer stabilen Hülle können die Unterseekabel und vor allem ihr fragiler Glaskern beschädigt werden. Die mit 70 Prozent häufigste Ursache für solche Störungen und Ausfälle sind versehentliche Schäden durch Schiffsanker, Ausbaggerungen oder über den Meeresgrund gezogene Schleppnetze. Einer der schwerwiegendsten Vorfälle dieser Art ereignete sich im Jahr 2008, als ein Schiff vor der Küste von Ägypten ankern wollte und dabei zwei durch das Rote Meer laufende Hauptverbindungen von Europa nach Asien kappte. Mehr als 75 Millionen Menschen im Nahen Osten und Asien hatten dadurch nur noch eingeschränkten Internetzugang.
Mit einem Anteil von rund 20 Prozent deutlich seltener, aber dafür oft schwerwiegender sind die Kabelschäden durch Naturkatastrophen wie Erdbeben, unterseeische Rutschungen oder Eruptionen. Sie zerstören häufig gleich mehrere unterseeische Leitungen. So unterbrach ein Erdbeben im Dezember 2006 vor der Südspitze von Taiwan gleich mehrere Hauptverbindungen in Asien und führte zu tagelangen Internetausfällen in Hongkong, China und weiteren asiatischen Ländern.
In den letzten Jahrzehnten nicht vorgekommen ist hingegen die absichtliche Zerstörung eines Unterseekabels oder einer Landestation. Theoretisch könnte man die Leitungen schon durch simple Sprengsätze, Minen oder auch Schleppanker absichtlich beschädigen. Noch ist dies jedoch nicht vorkommen – weder durch terroristische Akte noch durch staatliche Akteure im Rahmen der Kriegsführung.
Redundanz ist entscheidend
Wie schwerwiegend die Folgen eines Kabelschadens sind, hängt davon ab, wie viele Ausweichmöglichkeiten die Daten haben. Europa ist beispielsweise sowohl mit den USA als auch mit Asien über Dutzende Unterseekabel verbunden. Fällt eine dieser Leitungen aus, können die restlichen Kabel die Datenübertragung aufrechterhalten. Das Risiko für einen kompletten Ausfall des Internets und des Datenverkehrs ist für Europa daher relativ gering – sofern nur eines oder wenige Unterseekabel betroffen sind.
Problematisch wird es allerdings, wenn einer der Flaschenhälse im Kabelnetz betroffen ist – Orte, an denen vielen Kabel eng nebeneinander am Meeresgrund verlaufen, wie im Roten Meer. Hier kann ein Schaden gleich mehrere Verbindungen lahmlegen – mit entsprechend schwerwiegenderen Folgen. Ähnliches gilt für Landestationen, an denen gleich mehrere Seekabel eintreffen und auf die terrestrischen Glasfaserleitungen umgeschaltet werden.
Ihre Route wählen die Daten selbst
Auf welchen Routen des globalen Seekabel-Netzwerks ein Datenpaket rast, können weder die Kabelbetreiber noch die Aussender der Daten beeinflussen: Die digitale Information sucht sich ihren Weg durch das weltweite Netzwerk selbst. In der Regel wählen die Datenpakete dabei die kürzeste Route. Wenn diese aber wegen begrenzter Bandbreite zu langsam ist und der Umweg über ein leistungsfähigeres Kabel schneller geht, dann kann eine E-Mail von New York nach Berlin auch mal über den Pazifik und Asien statt durch eines der Transatlantikkabel laufen.
Das bedeutet auch: Wer neue, schnelle Seekabel verlegt und ihre Routen bestimmt, der kann auch den weltweiten Datenverkehr beeinflussen. „Wenn sich die physische Struktur des Internets ändert, folgen auch die Daten anderen Routen und überqueren die Grenzen anderer Länder", erklärt Justin Sherman vom US-Thinktank Atlantic Council. Das wiederum gibt Staaten die Möglichkeit, auf Daten zuzugreifen oder sie zu manipulieren. Denn wenn diese Informationen durch Kabel und Landestationen auf ihrem Territorium fließen, besteht prinzipiell auch die Möglichkeit, diese Daten abzufangen.
China mischt zunehmend mit
Ein Beispiel dafür ist ein geplantes Unterseekabel zwischen der US-Westküste und Hongkong, an dem US-Unternehmen wie Google und Facebook, aber auch eine in Hongkong basierte Firma beteiligt waren. Im Juni 2020 lehnte die US-Kommunikationsbehörde die Genehmigung für dieses Projekt ab. Der Grund: „Die US-Regierung hatte verstanden, dass dieses Kabel der neuesten Technologie bei Fertigstellung die mit Abstand schnellste Glasfaserverbindung der USA mit dem ganzen asiatischen Großraum darstellt“, erklärt Sherman. Dadurch könnten auch potenziell vertrauliche Informationen nach China fließen und so in den Einflussbereich dieses Staats gelangen.
Für Besorgnis unter Experten vor allem in den USA sorgt daher die Beobachtung, dass sich China in den letzten Jahren zunehmend im Geschäft mit den Unterseekabeln engagiert. Nach Angaben von Sherman waren staatlich kontrollierte Unternehmen aus China im Jahr 2021 bereits an 44 Unterseekabeln als Betreiber beteiligt, bei weiteren Leitungen haben chinesische Unternehmen die Verlegung übernommen – auch das eröffnet Möglichkeiten des Zugriffs.
Wenn es um die Macht über den Datenverkehr geht, muss man daher nicht immer ein Unterseekabel zerstören – es kann auch reichen, genügend neue Seekabel und Verbindungsrouten unter seinen eigenen Einfluss zu bringen.