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Von Zeit zur Zeit - Taschenuhren

Mit der aufkommenden Vintage und Retro-Welle und den neuzeitlichen Lifestyle- und Modeströmungen von Steampunk, Gothic & Co wurde einem Accessoire neuerdings wieder Leben eingehaucht, das in manchen Nachttisch-Schubladen seit Jahrzehnten achtlos vor sich hingeschlummert ist. Die Rede ist von Uropas Taschenuhr, die seit einigen Jahren ihre an Nostalgie interessierten stolzen Träger wieder aufs Neue schmückt und modische Akzente setzt, nachdem sein mechanisches Werk vom Uhrmacher des Vertrauens generalüberholt wurde. Aber auch in neuzeitlich abgewandelten Designs, Farben und Varianten kommt sie in neuem Gewand daher und feiert fröhliche Urständ.

Totgesagte leben länger: Auch für die Taschenuhr gibt es wieder Hoffnung.

pixabay.com / matuska (CC0 1.0)

Ein Nürnberger Feinmechaniker

Die heutige Form der Taschenuhr geht auf den Franzosen Jean Antoine Lépine (1720-1814) zurück, der das so genannte Lépine-Kaliber entwickelte - die hinlänglich bekannte flache Form, die in jede Jacken- oder Hosentasche passt. Möglich war diese Entwicklung, indem die Zahnräder im Uhrwerk mit Brücken und Kloben befestigt wurden anstatt wie bisher mit Platinen, die eine Aufzugskrone am oberen Rand hatten.

Die sogenannte Savonette-Taschenuhr wies dann als Weiterentwicklung auch einen Metalldeckel auf, der auf Knopfdruck aufspringen konnte und empfindliches Zifferblatt wie Uhrglas schützte.

Die Erfindung der Taschenuhr wird gemeinhin dem Meister des Nürnberger Schlosserhandwerks Peter Henlein zugeschrieben, der dem bis ins 16. Jahrhundert vorherrschenden obligatorischen Blick zur Kirchturmuhr für die genaue Uhrzeit erstmalig etwas entgegenzusetzen wusste. Die ersten Exemplare waren noch relativ unhandlich und ähnelten in ihrer zylindrischen Form noch eher einer heutigen Konservendose statt der heute gebräuchlichen Taschenuhrenform.

War der Besitz einer Taschenuhr von ihren Anfängen im frühen 16. Jahrhundert an bis ins 19. Jahrhundert hinein nur Reichen und Privilegierten vorbehalten, führten immer neue automatisierte Produktionsverfahren zu günstigeren Preisen, parallel zu technischen Weiterentwicklungen.

So tauchten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erste Taschenuhren auf, die sich durch die beim Tragen entstehenden Bewegungen selbst aufziehen wie auch Gang-Ungenauigkeiten in vertikalen Lagen selbst ausmitteln konnten.

Nachdem dann gegen 1775 erstmals Sekundenzeiger Verwendung fanden konnten wenig später sogar die Zeiger durch Ziehen und Drehen der Krone in einem neuartigen französischen Aufzugsmechanismus eingestellt werden. Bislang waren dazu noch separate Schlüssel notwendig gewesen, die ab 1844 mit der Erfindung der Remontoire-Uhr überflüssig wurden.

Endlich kamen um 1860 in England erste Taschenuhren mit Stoppvorrichtung und Rückstellung des Stoppzeigers auf.

Vom Exklusivaccessoire zum Industrieprodukt

Etwa um dieselbe Zeit breiteten sich in der Schweiz industrielle Fertigungsmaschinen aus, die 20 Jahre zuvor entwickelt worden waren und von nun an eine präzise Massenproduktion erlaubten.

Seit 1868 wurden etwa von Georg Friedrich Roskopf (1813 - 1889) im schweizerischen La Chaux-de-Fonds robuste und billige Taschenuhren einfacher Konstruktion gebaut, die nahezu für jedermann erschwinglich wurden.

So gilt Roskopf als eigentlicher Pionier auf dem Gebiet industrieller Serienfertigung von Taschenuhren. Unter anderem geht ein wesentlich vereinfachtes Räderwerk auf ihn zurück und trägt bis heute seinen Namen. Zu Roskopfs Zeiten wurden Taschenuhren meist in der Westentasche aufbewahrt. Wecker-, Schlag- und Repetierwerke, Chronographen, Datumsanzeigen, Spielwerke und Automaten wurden zu gängigen Bestandteilen des kleinen technischen Wunderwerks im Westentaschenformat.

Die industrielle Massenproduktion von Gebrauchsuhren bewirkte, dass handwerkliche Herstellung zunehmend in den Hintergrund trat und das traditionelle Uhrmacher-Handwerk sich allmählich weg von der eigentlichen Herstellung hin zur Uhrenreparatur spezialisierte.

Die Roskopf-Uhr jedenfalls wurde mit großem Erfolg bis gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Massen hergestellt.

Neue (Handgelenk-)Schmuck-Konkurrenz

Zu dem Zeitpunkt hatten Taschenuhren jedoch ihren Zenit in der Publikumsgunst bereits schon seit längerem überschritten. Erste Armbanduhr-Modelle in der beginnenden Art Deco-Periode der 10er und 20er Jahre galten als revolutionär und schick und lösten mit beginnender Massenfabrikation in den frühen 30er Jahren ihre alten Westentaschen-Varianten allmählich ab.

Prestige und Status seines stolzen Besitzers mussten nun nicht mehr in der Westentasche verborgen bleiben und ließen sich nun mit Hilfe einer hochwertigen Armbanduhr für jeden jederzeit deutlich sichtbarer am Handgelenk zum Ausdruck bringen.

Denn die Uhren waren in der Tat schon lange keine bloßen Zeitmesser mehr, sondern unentbehrliche und besonders vielseitige Schmuckstücke, wie timestyles.de zutreffend bemerkt.

Wie bei jedem Schmuckstück oder anderen Uhren auch gab und gibt es die Taschenuhren in allen Preisklassen mit mehr oder weniger großem Sammlerwert. Zahlreiche Hersteller haben weiterhin Taschenuhrenmodelle in Technik und Design weiterentwickelt, aller Modeströmungen zum Trotz. Dabei setzten sich vor allem offene Lépine-Ausführungen durch, die ohne Metalldeckel direkten Blick auf die oftmals kunstvoll gestalteten Ziffernblätter und natürlich den wichtigen Markennamen gestatten. Aufgezogen und die Uhrzeit eingestellt wird die Uhr mit Hilfe einer auf Höhe der Zwölf befindlichen Krone.

Taschenuhren-Modestyles

Dagegen haben Savonette-Modelle einen Deckel, der auf Knopfdruck aufspringt und Zifferblatt wie Uhrglas schützt. Die Krone befindet sich auf Höhe der Drei.

Das Uhrwerk heutiger Modelle besteht meistens aus einer Quarzuhr, höherwertige Modelle werden jedoch zumeist mit einem mechanischen Uhrwerk betrieben.

Wer auf solche traditionellen Merkmale steht, sich besonders Vergangenheit und Tradition verpflichtet fühlt und in der Anschaffung günstiger fahren will, kauft seine Taschenuhr am besten in einem Antiquitätengeschäft seines Vertrauens, in dem sich so mancher wahre und individuelle Schatz finden lässt. Dabei variieren die Modellgrößen üblicherweise zwischen 35 und 50 Millimetern Durchmesser mit Preisen ab etwa 50 Euro für funktionstüchtige Modelle.

Aber auch moderne Ausführungen sind ab Einstiegspreisen von rund 100 Euro vergleichsweise erschwinglich.

Taschenuhren werden heutzutage nicht mehr ausschließlich wie einst in der Westentasche getragen, sondern in Kombination mit legerer Kleidung mittlerweile gerne auch mittels einer Uhrenkette an der Gürtelschlaufe befestigt.

Beim Anzug mit Weste wird die Uhr klassischerweise dagegen in die Westentasche getragen. Wer nur ein Sakko trägt, steckt die tragbare Uhr in die linke Bruttasche und befestigt sie mit einer Knopflochkette.

Daneben ist natürlich die Hosentasche gleichermaßen als Platz zum Verstauen geeignet. Dabei ist jedoch der Einsatz einer Uhrenkette zu empfehlen, um nicht Gefahr zu laufen, dass das teure Stück beim Herausholen aus der Hand rutscht und auf den Boden fällt.

Neben Ketten mit Federring und Gürtelclipketten, kann man sich einer Kleidungssaum-Clip-Kette bedienen oder eine Gürteltasche verwenden und die Uhr darüber hinaus mit einer kleinen Kette sichern.

Modebewusste verzichten auch mitunter gerne komplett auf die auffälligen, oftmals allzu klobig wirkenden Ketten und befestigen ihre Taschenuhr dagegen lieber an einer speziellen Taschenuhren-Brosche, die ungleich filigraner und dezenter wirkt.

Moderne Hybrid-Varianten erlauben gleichzeitiges Tragen als Taschenuhr wie auch als Armbanduhr etwa mit Hilfe einer Schmuckkette, die durch die an der Metallfassung angebrachte Öse durchgezogen wird.