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Vor 75 Jahren: Die Gründung des Staates Israels
Es sollte endlich eine sichere Heimstatt für Juden aus aller Welt werden: Für die Zionisten des 19. Jahrhunderts war Israel die angestammte Heimat der Juden – das gelobte Land, dass es wiederzugewinnen galt. Bereits 1897 hatte Theodor Herzl, einer der Begründer des Zionismus, als zentrales Ziel die "Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina" verkündet.
Die Vorgeschichte
Herzls Vision erschien damals allerdings utopisch. Der osmanische Sultan Abdul Hamid II, lehnte das zionistische Projekt ab und auch die europäischen Großmächte hielten sich zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg teilten die Siegermächte den Nahen Osten neu auf. Palästina wurde durch die sogenannte Balfour-Erklärung zum britischen Mandatsgebiet ernannt. Ein jüdischer Staat aber war nicht geplant. Dennoch wanderten bereits damals Juden vor allem aus Europa nach Palästina aus. Ihr Anteil an der dortigen Bevölkerung lag 1882 bei rund fünf Prozent, 1922 bereits bei gut elf Prozent.
Die ersten jüdischen Einwanderer gründeten vor allem landwirtschaftlich und durch ein Leben im Kollektiv geprägte Dorfgemeinschaften. Schon früh gerieten sie dabei in Konflikt mit der arabisch-palästinensischen Bevölkerung und ihren politischen Vertretern. Schon in den 1920 und 19830er Jahren gab es Aufstände und Unruhen, die sich gegen die jüdischen Siedler, aber auch die britischen
Mandatsbehörden richteten. Als Konsequenz schränkten die britischen Behörden die Zuwanderung jüdischer Siedler nach Palästina stark ein.
Doch der Zweite Weltkrieg und vor allem der Schrecken des Holocausts brachte eine neue Einwanderungswelle nach Palästina: Bis 1945 wuchs der Anteil der jüdischen Bevölkerung auf gut 30 Prozent an – trotz der Sperre der Briten. Gleichzeitig wandelte sich auch der internationale Blick auf die zionistische Idee: Angesichts der Millionen in Europa getöteter Juden wuchs das Verständnis dafür, dass Juden eine "sichere Heimstatt" anstrebten.
Vom UN-Beschluss zur Staatsgründung
Unter anderem deshalb beschloss die UN-Vollversammlung am 29. November 1947 ein Ende des britischen Mandats in Palästina und eine Teilung des Gebiets. In dem circa 25.000 Quadratkilometer umfassenden Territorium sollten ein arabisch-palästinensischer und ein jüdischer Staat entstehen. Jerusalem - von zentraler Bedeutung für Juden, Christen und Muslime - war als neutrale Enklave gedacht.
Doch für die Araber war die Vorstellung eines jüdischen Staats auf ihrem Territorium nicht denkbar – sie setzten sich zur Wehr. Bereits unmittelbar nach dem UN-Beschluss kam es in Palästina zu erbitterten Gefechten zwischen arabischen und jüdischen Militäreinheiten. Die paramilitärische zionistische Haganah begann am 1. April 1948 eine Offensive mit dem Ziel, alle dem jüdischen Staat zugedachten Gebiete sowie die Verbindungswege zwischen den jüdischen Siedlungsgebieten und Jerusalem in ihre Hand zu bringen und zu sichern. Dabei kam es vor allem an der Straße von Tel Aviv nach Jerusalem zu blutigen Massakern, auf die palästinensische Milizen mit Vergeltungsaktionen reagierten. Der Konflikt eskalierte. Allein in dieser Phase wurden rund 1.800 Juden von den Arabern getötet und mehrere tausend Araber starben durch jüdische Hand.
Die Gründung des Staates Israel
Am 14. Mai 1948 endete offiziell das britische Mandat in Palästina – und noch am gleichen Tag schuf die jüdische Fraktion Tatsachen: David Ben Gurion verkündete in Tel Aviv die Gründung des Staates Israel – bejubelt von den rund 650.000 jüdischen Bewohnern Palästinas. Nur wenige Stunden später wurde der neugegründete Staat von den USA und der Sowjetunion diplomatisch anerkannt.
In der Gründungserklärung heißt es unter anderem: "Die Katastrophe, die in unserer Zeit über das jüdische Volk hereinbrach und in Europa Millionen von Juden vernichtete, bewies unwiderleglich aufs Neue, dass das Problem der jüdischen Heimatlosigkeit durch die Wiederherstellung des jüdischen Staates im Lande Israel gelöst werden muss."
An die arabische Bevölkerung Palästinas gerichtet erklärte Ben Gurion: "Wir wenden uns – selbst inmitten mörderischer Angriffe, denen wir seit Monaten ausgesetzt sind – an die in Israel lebenden Araber mit dem Aufrufe, den Frieden zu wahren und sich aufgrund voller bürgerlicher Gleichberechtigung und entsprechender Vertretung in allen provisorischen und permanenten Organen des Staates an seinem Aufbau zu beteiligen. Wir reichen allen unseren Nachbarstaaten und ihren Völkern die Hand zum Frieden und zu guter Nachbarschaft und rufen zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Hilfe mit dem unabhängigen hebräischen Volk in seiner Heimat auf."
Der erste große Krieg
Die arabischen Nachbarn reagierten prompt – und alles andere als friedlich: In der Nacht vom 14. zum 15. Mai 1948 marschierten die Armeen Ägyptens, Transjordaniens, Syriens, des Irak und des Libanon in Palästina ein, um die Proklamation des jüdischen Staates rückgängig zu machen. Zunächst rücken die arabischen Truppen schnell vor: Ägypter stehen bereits Ende Mai kurz vor Tel Aviv, jordanischen Truppen gelingt es, Jerusalem vom Rest Israels abzuriegeln.
Doch diese Erfolge hielten nicht an. Wegen eines von der UN verhängten Waffenembargos waren die Truppen der Arabischen Liga nur unzureichend bewaffnet. Israels Armee dagegen profitierte von illegalen Waffenlieferungen durch zionistische Organisationen und die Tschechoslowakei. Gleichzeitig waren die jüdischen Truppen besser organisiert und disziplinierter. In der zweiten Hälfte des Jahres 1948 konnte sie dadurch weite Gebiete zurückerobern und auch Teile des eigentlich Palästina zugesprochenen Territoriums besetzen.
Folgen bis heute
Der Unabhängigkeitskrieg Israels endete mit einem Waffenstillstand und sicherte vorerst Israels Existenz. Gleichzeitig jedoch hatten die Siege der israelischen Armee das Territorium des neuen Staates über die ursprünglich von der UN geplanten Grenzen hinaus erweitert. Sie besetzten nun 40 Prozent des Gebiets, das für den unabhängigen Palästinenserstaat vorgesehen war.
Für die Palästinenser und ihren Traum von einem unabhängigen Staat hatte dies fatale Folgen: Sie hatten nun keine Chance mehr, ihren Traum zu verwirklichen – auch weil sich die arabischen Nachbarn sofort territorial bedienten: Ägypten besetzte den Gazastreifen, Jordanien beanspruchte das Westjordanland und Ostjerusalem für sich. Als Folge des Krieges flohen zudem mehr als 700.000 Palästinenser aus ihrer Heimat – mehr als jeder zweite arabische Bewohner Palästinas wurden zum Flüchtling. Ein Großteil von ihnen blieb im Westjordanland, 26 Prozent flohen in den Gazastreifen und rund 14 Prozent in den Libanon.
In das kollektive Gedächtnis der Palästinenser gingen die Geschehnisse von 1948/49 deshalb als Nakba (Katastrophe) ein. Bis heute gibt es für sie keinen eigenen Staat, der Konflikt um Israel entzündet sich immer wieder aufs Neue.