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Was können elektronische Pflaster und Klebetattoos?

Pflaster benutzen wir normalerweise, um Wunden vor Dreck zu schützen. Doch die Klebestreifen können auf der Haut noch ganz andere Zwecke erfüllen: Pflaster können so ausgestattet sein, dass sie uns zum Beispiel bei zu viel Alkohol, bei Fieber oder bei zu wenig Blutzucker warnen. Manche Klebetattoos sind so intelligent, dass sie auch Wirkstoffe abgeben, wenn der Körper sie braucht. Aber wie funktioniert das? Und welche modernen Möglichkeiten gibt es bereits?
ABO, 28.05.2021

Smartes Insulin-Pflaster

Schon vor zehn Jahren entwickelten Forscher erste „elektronische Pflaster“. Dahinter stecken meist durchsichtige, luftdurchlässige Kunststofffolien, auf denen winzige Schaltkreise, Sensoren, LEDs, Solarzellen, Antennen oder andere elektronische Systeme aufgebracht sind. Diese sogenannten „electronic epidermal systems“ können als hauchdünnes Pflaster auf die menschliche Haut geklebt werden - Kleber oder ein Durchstechen der Haut mit Nadeln sind dabei nicht nötig und auch Kabel zur Stromverbindung sind überflüssig.

Für den Menschen, der die Elektronik trägt, ist sie kaum spürbar, denn das Pflaster wiegt meist unter einem Gramm. Manche dieser Systeme sind sogar so klein, dass sie sich in ein Aufkleb-Tattoos integrieren lassen. Pflaster wie auch Tattoo können längerfristig auf der Haut kleben bleiben, denn sie falten, biegen und dehnen sich mit, wenn sich die Haut bewegt. Das macht sie vielseitig anwendbar: Je nach Einsatzzweck können die elektrischen Pflaster und Klebetattoos beispielsweise auf Arm, Hals oder Brust geklebt werden.

Pflaster, die den Stand der Wundheilung anzeigen

Diese Entwicklung kann es beispielsweise leichter machen, chronische Wunden zu pflegen. Normalerweise ist es üblich, dass solche Wunden regelmäßig kontrolliert werden, um zu prüfen, dass sie sich nicht mit Erregern infizieren. Dafür war bisher ein Verbandswechsel nötig, der jedoch den Wundbereich reizt und das Risiko erhöht, dass Erreger von außen in die Wunde gelangen.

Dank der modernen Pflaster ist das nun nicht mehr unbedingt nötig: Statt den Verband immer wieder entfernen zu müssen, besitzen diese technisch "aufgerüsteten" Klebestreifen spezielle Sensoren, die farbig fluoreszieren, wenn sie mit UV-Lampen angestrahlt werden. Die Farbe gibt dabei an, ob die Wunde normal heilt oder ob sich eine Infektion anbahnt.

Möglich wird dies, weil die Sensormoleküle auf die biochemischen Veränderungen reagieren, die in einer Wunde im Verlauf der Wundheilung auftreten. So steigt oder fällt je nach Phase der Heilung zum Beispiel die Menge an Sauerstoff und auch der pH-Wert verändert sich. Verheilt die Wunde normal, so steigt der pH-Wert beispielsweise bis zu einem Wert von acht, dann sinkt er auf einen Wert von fünf bis sechs. Schließt sich eine Wunde jedoch nicht, bleibt der pH-Wert zwischen sieben und acht.

Elektroden und Schaltkreise lassen sich auch auf handelsübliches Tattoo-Abziehpapier aufbringen.

Sgt. Paul Robbins, U.S. Department of Defense (DoD) / Public Domain

Modernes Thermometer

Aber nicht nur die Wundheilung kann einfacher überwacht werden: Pflaster, die mit Sensoren ausgestattet sind, könnten künftig auch die Temperatur der Hautoberfläche anzeigen. Dafür werden auf dehnbaren Folien beispielsweise Elektroden und Schaltkreise aus sehr dünnen Golddrähten befestigt, die mit einem speziellen Kunststoff umhüllt sind, der sie isoliert und vor Feuchtigkeit schützt. Diese Sensoren messen Temperaturschwankungen der Haut so gut wie teure Infrarot-Kameras, die üblicherweise in der Medizin verwendet werden.

Die dauerhafte Überwachung der Hauttemperatur kann für Mediziner wichtig sein, weil sie damit Hinweise auf die Durchblutung des Patienten bekommen: Sind die Blutgefäße geweitet und es fließt viel Blut, wird unsere Haut warm. Ziehen sich die Gefäße zusammen, kühlt sie wieder ab. Ist die Durchblutung gestört, hat der Patient vielleicht Herzprobleme oder leidet an einer Erkrankung anderer wichtiger Organe. Bei Wunden kann eine erhöhte Temperatur Anzeichen einer Infektion sein.

Noch existieren diese Thermometer-Pflaster allerdings nur als Prototypen. Bis sie auf den Markt kommen, müssen Wissenschaftler vor allem ihre kabellose Stromversorgung noch weiter optimieren.

Warnung vor Dehydrierung oder zu viel Alkohol

Die Sensoren-Pflaster könnten sich auch als Warnsysteme eignen. So sind zum Beispiel Klebestreifen mit elektrischen Systemen in der Entwicklung, die den Wasserhaushalt eines Menschen überwachen. Hat der Träger dieses Pflasters zu wenig getrunken, registrieren die Sensoren das und senden ein Warnhinweis an ein Armband oder auf das Smartphone des Betroffenen oder eines Angehörigen.

So können beispielsweise von Wassermangel besonders gefährdete Menschen wie Demenzpatienten, die vergessen zu trinken, oder Sportler immer ihren Wasserhaushalt im Blick behalten und dadurch gesundheitliche Schäden wie eine Überhitzung des Körpers und folgendem Schwindel, Kreislaufbeschwerden oder sogar etwa Nierenversagen vorbeugen.

Ähnliches funktioniert auch fürs Trinken von Alkohol – nur, dass hierbei nicht vor dem zu wenig, sondern vor zu viel gewarnt wird: Neu entwickelte Sensoren-Pflaster auf der Haut können selbst kleinste Spuren von Alkohol im Schweiß nachweisen. Dafür regt zunächst ein bestimmten Wirkstoff auf den Klebetattoos die Haut zum Schwitzen an und ein weiterer Stoff reagiert mit dem Alkohol im Schweiß. Diese elektrochemische Reaktion wiederum erzeugt ein Signal in den Messelektroden, die dieses dann ans Smartphone weiterleiten.

Damit verrät das intelligente Pflaster, ob wir etwa nach einer Feier noch fahrtauglich sind und schafft einen Überblick darüber, wie viel Alkohol wir trinken, wenn wir das auf der Feier selbst nicht im Blick haben. Auch für Menschen, die ihren Alkoholkonsum verringern möchten, könnte es deshalb zukünftig eine Hilfe sein.

Blutzucker prüfen und regulieren

Und nicht nur der Alkohol kann über den Schweiß gemessen werden: Auch der Blutzucker kann mittels Pflastern geprüft werden, die die Körperflüssigkeit untersuchen. Das könnte künftig Diabetikern den schmerzhaften Pieks in die Fingerspitze ersparen, mit dem sie einen Blutstropfen zur Blutzuckerkontrolle entnehmen. Denn sie müssen ihre Blutzuckerspiegel regelmäßig kontrollieren, weil bei ihnen entweder nicht genügend Insulin gebildet wird oder aber das Blutzucker-Hormon nicht mehr ausreichend wirkt. Dadurch wird der Blutzucker nicht mehr aus dem Blut in die Zellen transportiert, sodass es zur Überzuckerung kommen kann. Um dem vorzubeugen, müssen die Betroffenen Medikamente einnehmen oder sich selbst Insulin spritzen.

Sogar die Insulinversorgung bei einer Überzuckerung könnten solche Pflaster künftig möglicherweise übernehmen. Forscher arbeiten bereits an intelligenten Pflastern, die das unangenehme und bei falscher Dosierung auch lebensgefährliche Insulinspritzen ersetzen können. Dafür soll das Pflaster neben dem Blutzuckersensor mit winzigen Nadeln ausgestattet werden, die genau dann die Arzneimittelmenge in die Haut verabreichen, die für die Senkung des Blutzuckerspiegels nötig ist.

Dafür sind die winzigen Nadeln mit einer Barriere beschichtet, die im Normalfall  verhindert, dass das Medikament freigesetzt wird. Wenn die Sensoren aber einen erhöhten Blutzuckerspiegel registrieren, beginnt ein eingebautes Heizelement die Nadeln zu erwärmen. Bei ungefähr 41 Grad Celsius verdampft das Barrierematerial, die schützende Schicht verschwindet und das Medikament gelangt so in den Körper. Zumindest in Versuchen mit Mäusen konnte ein solches Pflaster bereits erfolgreich wirken: Es hielt den Blutzuckerspiegel sogar länger stabil als herkömmliche Spritzen. Auch als Arzneimittel-Spender bei anderen Erkrankungen werden solche Pflaster mit Wirkstoff-Reservoiren und Mikronadeln bereits entwickelt und getestet. Sogar einige Impfungen könnten künftig statt mit der Injektionsnadel mit solchen Pflastern verabreicht werden.

Forschung an Pflastern geht weiter

Und noch immer wird an weiteren elektronischen Pflastern geforscht: So versuchen Wissenschaftler des Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration seit letztem Jahr ein sensorisches Pflaster für Sportler zu entwickeln, dass den Schweiß analysiert und sofort Daten zum Herz-Kreislauf-System des Trägers, wie zum Beispiel den Blutdruck und den Puls, etwa aufs Smartphone sendet. Auch Klebestreifen, die bestimmte Mineralstoffe wie Kalium und Natrium oder beispielsweise Harnsäure im Schweiß messen, werden bereits getestet.

Zudem werden die elektronischen Pflaster immer weiter optimiert. Mittlerweile gibt es klebende Sensoren, die nur noch hauchdünne Filme sind. Sie bestehen aus wasserlöslichen Mikrofasern, die nach dem Auftragen auf die Haut abgewaschen werden und nur noch ein Netz aus winzigen Golddrähten hinterlassen, das so fest auf der Haut haftet, dass es sich an alle Bewegungen anpasst und sich nicht ablöst. Selbst nach tausendfachen Dehnungen bleibt die elektrische Leitfähigkeit der Nanodrähte erhalten. Die Lücken zwischen den Drähten sind dabei so groß, dass sie kaum Schweißdrüsen in der Haut verschließen. Außerdem ist das Drahtnetz sehr hautverträglich.

Andere Forscher haben es zudem geschafft, ein Pflaster mit einem Drahtnetz aus Eisen und einer Folie aus durchsichtigem Kunststoff aus einer bestimmten Zellulose, die aus Pflanzen gewonnen wird herzustellen. So ist es weder umweltschädlich noch für den Menschen giftig. Zudem passen sich diese Pflaster nicht nur gut an die Haut an und sind tagelang tragbar, sondern können nach dem Gebrauch abgezogen und einfach in Essig aufgelöst werden, ohne dass dabei giftige Bestandteile zurückbleiben.

Und die Forschung an den intelligenten Klebestreifen ist noch immer nicht beendet. So suchen Experten zum Beispiel noch nach Möglichkeiten, die Herstellung und Materialien der Pflaster so kostengünstig zu machen, dass sie auch Patienten in Ländern nutzen können, die wenig Geld für die gesundheitliche Versorgung haben.

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