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Werbung für Kinder: Geschäft mit ungesunder Kost

Ob in der Lieblingssendung im Fernsehen, vor einem Clip auf YouTube oder am Rand von Webseiten im Internet – ständig bekommen Kinder speziell an sie gerichtete Werbung gezeigt. Sehr häufig wird dabei für ungesundes Essen geworben – so jedenfalls der erste Eindruck.. Aber wie viel Werbung für Pommes, Schokolade und Co bekommen Kinder tatsächlich im Internet und TV zu sehen? Und wie beeinflusst dies ihr Essverhalten?
ABO, 17.03.2021

Nur etwas für das Auge: Fast alle an Kinder vermarkteten Joghurts und Frühstücksflocken sind stark überzuckert.

gettyImages, Adene Sanchez

Eine ungesunde Lebensweise und Übergewicht werden in Deutschland immer mehr zum Problem – und das schon bei Kindern. So gelten rund 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von drei bis 17 Jahren als übergewichtig und rund sechs Prozent als fettleibig. Für diese Kinder steigt das Risiko, später  Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Typ-2-Diabeteszu bekommen.

Von Werbung beeinflusst

Ursache für das steigende Übergewicht bei Kindern ist unter anderem eine zu fett-, salz- und zuckerreiche Ernährung. Doch was prägt diese Vorliebe schon der Jüngsten für Pommes, Pizza, Süßigkeiten und Co? Ein Faktor sind die Erziehung und das Vorbild der Eltern, so viel scheint klar. Aber inzwischen kommt auch ein weiterer Faktor immer stärker zum Tragen: die Werbung. Gezielt an Kinder gerichtete Werbung im Internet, in Apps oder im Fernsehen mehrt sich – und oft bewerben diese Bilder und Spots ausgerechnet besonders ungesunde Produkte. Die Spanne reicht vom süßen Joghurt über gezuckerte Limonaden bis zu Junkfood und Naschwerk.

Und die Strategie der Werbetreibenden geht auf: Die Werbung beeinflusst das Essverhalten der Kinder und weckt bei ihnen Lust auf eher ungesunde Kost. So belegt eine Studie , dass beispielweise Kinder, die Werbung für Fast Food gesehen hatten, rund doppelt so häufig diese Produkte aßen wie andere Kinder. Und zwar auch dann, wenn ihre Eltern selten Fast Food zu sich nahmen.

Welcher Werbung sind Kinder ausgesetzt?

Doch wie viel solcher ungesunder Werbung bekommen Kinder heute zu sehen? Das haben Wissenschaftler um Tobias Effertz von der Universität Hamburg nun näher unter die Lupe genommen. Dafür dokumentierten sie zunächst das Ausmaß an Werbung im Internet, dem Kinder im Alter von drei bis 13 Jahren von März 2019 bis Februar 2020 pro Tag durchschnittlich ausgesetzt waren. Zudem analysierten die Forscher die Werbekontakte, die die Kinder im Zeitraum von Juni bis September 2019 täglich im Fernsehen hatten. Alle Werbeanzeigen untersuchten sie schließlich auf ihren Inhalt und prüften, wie viele davon speziell an Kinder gerichtet mit Lebensmitteln mit hohem Fett‐, Salz‐ oder Zuckeranteil werben.

Fastfood-Werbung hat einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf das Essverhalten von Kindern.

gettyImages

92 Prozent der Spots werben für ungesunde Kost

Das Ergebnis: Tatsächlich propagierte der Großteil der „Kinderwerbung“ ungesunde Lebensmittel. So bezogen sich insgesamt 92 Prozent der Lebensmittelwerbung, die Kinder in Internet und TV wahrnahmen, auf Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten. Die meisten der ungesunden Lebensmittel-Spots waren dabei zum Beispiel mit beliebten Charakteren aus Fernsehsendungen gestaltet oder beinhalteten etwa Sammelaktionen, um sie für die Kinder ansprechender zu machen. Besonders häufig warben die Fast-Food-Kette McDonald´s mit dem „Happy Meal“ und Zott mit einem Schokopudding.

Kinder, die das Fernsehen und Internet benutzten, sahen täglich durchschnittlich 15 Werbespots für ungesunde Lebensmittel, von denen etwa zehn im Fernsehen gezeigt wurden und rund fünf im Internet. Interessant dabei: Die Anzahl von im Schnitt zehn täglich von einem Kind gesehen Werbespots im Fernsehen ist damit seit 2007 etwa gleichgeblieben. Allerdings schauen Kinder heute rund 30 Minuten weniger TV als noch in den Vorjahren. Das bedeutet, dass heutzutage pro Stunde fast 30 Prozent mehr ungesunde Spots ausgestrahlt werden als früher. „Zusammengefasst kann man für den TV-Bereich einen deutlichen Anstieg des auf Kinder gerichteten Werbeausmaßes gegenüber Vorjahren feststellen“, resümiert das Team.

Internet: Spielerische Werbung und Influencer

Im Internet verbreitete vor allem Facebook an Kinder gerichtete Werbepostings zu ungesunden Produkten – über zehn Milliarden Mal pro Jahr in Deutschland. Zudem locken Unternehmen Kinder gezielt auf ihre Webseiten und versuchen sie dort durch Spiele oder Gewinnversprechen lange zu halten.

„Eine weitere, in den letzten Jahren deutlich wichtiger gewordene Kategorie des Internetmarketings ist die Influencerwerbung“, ergänzen Effertz und seine Kollegen. Zum Beispiel erfolgt die Kinderwerbung für Ungesundes auf der Plattform YouTube zu zwei Dritteln durch solche Influencer. Dahinter stecken bekannte Menschen, die die Lebensmittel empfehlen oder zum Beispiel filmen, wie sie 24 Stunden nur „Pringles Chips“ essen. Insgesamt fiel den Forschern im Internet besonders häufig Kinderwerbung von Marken wie McDonald's, Kentucky Fried Chicken, Ferrero und KitKat auf.

Werbung wirkt stärker als Erziehung

„Über 15 Mal am Tag werden unsere Kinder von der Industrie dazu animiert, mehr Zucker, Salz und Fett zu essen“, resümiert Hans Hauner von der Technischen Universität München. „Das macht alle Bemühungen um eine Erziehung zur gesunden Ernährung zunichte und darf nicht weiter toleriert werden. Diese Werbeaktivitäten in den digitalen Medien nehmen rasch zu und sind besonders wirksam“, betont der Experte.

„Unternehmen haben den Werbedruck auf Kinder bewusst erhöht“, bestätigt auch Sigrid Peter, die Kinderärztin in Berlin ist. „Die schädlichen gesundheitlichen Folgen davon sehen wir täglich in unseren Praxen. Wir müssen endlich die Ursachen für Übergewicht bei Kindern angehen – und Werbung ist dabei ein wichtiger Faktor.“

Deshalb fordern die Experten nun, dass in Deutschland – wie schon in anderen Ländern üblich - Werbung für ungesunde Lebensmittel im Fernsehen sowie im Internet verboten wird. In Norwegen, Schweden oder etwa Chile sank durch solche Maßnahmen bereits der Konsum von ungesundem Essen im Zeitraum von 2002 bis 2016 um rund neun Prozent, während er in Ländern ohne solche Beschränkungen im gleichen Zeitraum um etwa 14 Prozent gestiegen ist.

Statt also fett-, salz- und zuckerreiche Lebensmittel zu bewerben, sollte sich ausschließlich Werbung für gesundes Essen und Getränke an Kinder richten und die Anzeigen für ungesunden Lebensmittel eher an Erwachsene, die besser einschätzen können, wie wenig Nährstoffe Fast Food, Süßigkeiten und Co. haben.

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