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Wetterextreme: Ist der Klimawandel schuld?

Was ist los mit unserem Wetter? Mal ist es zu heiß und trocken, dann wieder zu nass oder stürmisch. Wetterextreme scheinen immer häufiger zu werden. Sind solche Wetterkapriolen schon Symptome des Klimawandels oder doch nur Teil der natürlichen Schwankungen? Um diese Fragen zu beantworten, haben Klimaforscher spezielle Methoden entwickelt, mit denen sie einschätzen können, ob und welchen Anteil der Klimawandel an bestimmten Extremereignissen hat. Aber wie funktioniert dies? Und was sind die Voraussetzungen?
NPO, 31.08.022
Symbolbild Erderwärmung / Klimakrise

EvgeniyShkolenko, GettyImages

Klar ist: Das Wetter ist von Natur aus variabel und verändert sich auch ohne menschengemachte Einflüsse ständig. Eine Vielzahl von meteorologischen Faktoren und Wechselwirkungen sorgen dafür, dass Tief- und Hochdruckgebiete aufeinanderfolgen und wir verschiedenste Wetterlagen erleben. Diese natürliche, von internen Faktoren bestimmte Variabilität des Wetters bildet eine Art Grundrauschen im Klimageschehen – und in diesem kann es zu Wetterextremen kommen – das ist ganz normal.

Will man daher wissen, ob eine Hitzewelle oder ein Starkregen über diese natürlichen Schwankungen hinaus geht und möglicherweise vom Klimawandel verursacht wurde, muss man in diesem Wetter-Grundrauschen nach einem externen Treiber suchen – dem Signal der globalen Erwärmung und ihrer Folgen. Dieses kann sich beispielsweise darin äußern, dass bestimmte Wetterextreme mit zunehmendem Klimawandel häufiger und intensiver geworden sind.

Am Anfang steht die Wahl der Parameter

Aber wie findet man dies heraus? Das untersuchen Wissenschaftler mithilfe der Attributionsforschung – Attribution bedeutet im Lateinischen so viel wie Zuschreibung. Der erste Schritt zur Attribution eines Extremereignisses wie beispielsweise einer Hitzewelle oder eines Starkregens besteht darin, das Ereignis anhand der beobachteten Merkmale zu definieren: Welche meteorologischen Parameter betrachte ich, in welchem Zeitraum und welchem räumlichen Maßstab?

„Das ist immer eine der schwierigsten Aufgaben“, erklärt die Klimaforscherin Friederike Otto vom Imperial College London. Am Beispiel der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 erläutert sie: „Nehmen wir die Regenfälle innerhalb eines Tages als Grundlage für unseren Vergleich, oder die Menge, die innerhalb von zwei Tagen gefallen ist? Wie groß ist die Region, für die wir uns die Wetterdaten anschauen? Gibt es vielleicht lokale Gegebenheiten, die dazu geführt haben, dass es zu so großen Schäden kam?“

Schäden im Ahrtal nach der Flutkatastrophe im Juli 2021.
Das Hochwasser im Ahrtal im Juli 2021 war die größte Katastrophe in Deutschland seit 60 Jahren. 134 Menschen starben, hunderte Personen wurden verletzt und weite Teile des Tals verwüstet.

J-Picture, Getty images

Historische Wetterdaten und Klimamodelle

Im nächste Schritt analysieren die Wissenschaftler historische Wetterdaten und ermitteln mithilfe statistischer Methoden, ob es ein solches Wetterextrem früher schon gab und wenn ja, wie häufig es auftrat. Indem sie dabei verschiedene Zeitabschnitte getrennt betrachten, können sie feststellen, ob und wie sich die Häufigkeit des Ereignisses verändert hat. Zeigen die Daten beispielsweise, dass Hitzewellen wie die aktuelle in den letzten Jahrzehnten immer häufiger geworden sind, könnte dies auf einen externen Treiber hindeuten – einen möglichen Einfluss des Klimawandels.

Weil aber auch andere Einflussfaktoren dazu führen könnten, dass Wetterextreme heute häufiger vorkommen als früher, folgt nun ein weiterer Analyseschritt. Dafür nutzen die Attributionsforscher mehrere verschiedene Klimamodelle, um das Klima- und Wettergeschehen für die betroffene Region zunächst tausende Male unter den tatsächlich herrschenden Bedingungen zu simulieren. Ähnlich wie beim realen Wetter weichen die verschiedenen Durchgänge leicht voneinander ab – sie bilden das "Grundrauschen" des Wetters ab.

Die Wissenschaftler wiederholen das Ganze nun noch einmal mit den gleichen Klimamodellen und Ausgangsparametern – nur die Treibhausgaswerte sind anders. Diesmal entsprechen die atmosphärischen CO2-Konzentrationen denen einer Welt ohne unsere CO2-Emissionen und den anthropogenen Klimawandel.

NASA Earth Observatory, Temperaturverteiliung im Juli 2022, Ausschnitt
Im Juli 2022 gab es in vielen Teilen der Welt extreme Hitzewellen mit Rekordtemperaturen – auch im Süden Englands.

NASA Earth Observatory

Die Zuschreibung

Jetzt könne die Klimaforscher die Ergebnisse beider Simulationssätze vergleichen: Kommt das Wetterextrem in beiden gleich oft vor? Oder sind die Hitzewelle oder der Starkregen in den Simulationen mit Klimawandel häufiger als in der simulierten Welt ohne den Klimawandel? Und sind die Wetterextreme vielleicht in der Klimawandel-Version intensiver und stärker ausgeprägt? Ist dies Fall, liegt der Schluss nahe, dass der Klimawandel an der untersuchten Hitzewelle, Dürre oder Starkregenphase zumindest in Teilen beteiligt war.

Mithilfe einer solchen Analyse haben Otto und ihre Kollegen für die Hitzewelle Mitte Juli 2022 in Großbritannien ermittelt, dass der der Klimawandel seine Hand im Spiel hatte: Er hat ein solches Hitzeextrem mit Temperaturen über 40 Grad rund zehnmal wahrscheinlicher gemacht. Ohne die aktuelle globale Erwärmung wären die Temperaturen bei dieser Hitzewelle zudem rund zwei Grad niedriger gewesen.

Maximaltemperaturen bei der Hitzewelle im Juli 2022
Maximaltemperaturen bei der Hitzewelle im Juli 2022. Sie wäre ohne den Klimawandel milder ausgefallen.

Climate prediction Center / NOAA

Auf das Wetterextrem kommt es an

Für einer Arten von Extremwetterereignissen können Wissenschaftler inzwischen schon sehr gut abschätzen, wie groß der Einfluss des Klimawandels ist. Dazu gehören Starkregen sowie Hitzewellen und Hitzerekorde. „Wir können mittlerweile sagen, dass quasi jede Hitzewelle durch den Klimawandel in ihrer Intensität verstärkt wurde“, erklärt Jakob Zscheischler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. „Ein Verschieben der Temperaturverteilung hin zu höheren Temperaturen führt auch zu häufigeren und intensiveren Hitzewellen.“

Schwieriger einzuschätzen sind dagegen Extremereignisse, die nicht allein von meteorologischen Faktoren abhängen. Dazu gehören beispielsweise Trockenperioden und Dürren, aber auch Waldbrände. So wird die Trockenheit des Bodens auch davon beeinflusst, ob er eine Pflanzendecke hat, wie viel Grundwasser es gibt und wie hoch die Verdunstung ist. Dennoch lässt sich zumindest für einige Regionen ein relativ sicherer Zusammenhang zwischen häufigeren und schwerwiegenderen Dürren und dem Klimawandel feststellen – unter anderem im Mittelmeerraum, in Teilen Australiens und im Westen der USA.

Bei Waldbränden spielt das "Feuerwetter" eine zwar eine wichtige Rolle: Heißes, trockenes und windiges Wetter macht die Vegetation feueranfälliger und begünstigt die Ausbreitung der Brände. Das Ausmaß und die Dauer eines Waldbrands hängen aber auch davon ab, wie effektiv es bekämpft wird und wie viel brennbares Material das Feuer zur Verfügung hat. Letzteres wird vor allem von menschengemachten Faktoren wie der Waldbewirtschaftung und Landnutzung beeinflusst. Dennoch sprechen die Attributions-Analysen dafür, dass das Feuerwetter häufiger und extremer geworden ist und dass der Klimawandel darüber die Häufigkeit von Bränden erhöht.