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„Wie eine Woge aus dem Ozean“
Zahlreiche Menschen berichten in Zeitungen und Zeitschriften darüber, wie sie das Erdbeben in San Francisco erlebt haben.
Der Polizeiwachtmeister Jesse Cook hat beim Ausbruch des Erdbebens Streifendienst auf Telegraph Hill. Er erinnert sich:
„Es war, als ob Hunderte von Eisenbahnzügen tief unten in der Erde unter mir hinwegbrausten – ein gewaltiges, donnerartiges Rumpeln und Rollen ... Ich sah das Beben buchstäblich die Washington Street hinaufrollen – es war wie eine Woge, wie eine Woge aus dem Ozean.“
Der Jugendliche Gerstele Mack liegt beim Ausbruch des Bebens in seinem Bett:
„Diese ganze, unendlich lange Zeit über spürte man heftigste und unglaublich komplexe Bewegungen des Bodens, horizontal und vertikal, mal wellenartig, dann wieder rotierend. Die Wirkung war erstaunlich: Möbelstücke rutschten in alle möglichen Richtungen, wie von Geisterhand bewegt. Ich lag in meinem Bett, und dieses Bett, das mit dem Kopfende zur Wand stand, tanzte mit wilden, rüttelnden Sätzen in die Mitte des Schlafzimmers und drehte sich dort um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn.“
Ein namentlich nicht genannter Zeuge umreißt sein Gefühl während des 25 Sekunden anhaltenden zweiten Erdstoßes:
„Ich fühlte mich wie eine Ratte, die von einem Terrier geschüttelt wird.“
Jack London, Reporter des Wochenblatts „Collier’s Magazine“, beschreibt seine Eindrücke von der Stadt am Abend nach dem Beben, als das Feuer noch begann, sich auszubreiten:
„Um neun Uhr am Mittwochabend ging ich ins Stadtzentrum. Ich lief Meile für Meile die Straßen entlang, vorbei an wundervollen Gebäuden und gewaltigen Wolkenkratzern. Es gab kein Feuer. Polizisten patroullierten auf den Straßen, vor jedem Gebäude stand ein Wachmann. Und doch war das alles dem Untergang geweiht – alles. Es gab kein Wasser. Und von zwei Seiten rollte der Feuersturm auf das Stadtzentrum zu.
Gegen ein Uhr in der Nacht ging ich erneut ins Zentrum. Alle Gebäude standen noch so da wie am Abend. Aber es gab eine Veränderung: Ein feiner Ascheregen fiel. Die Wachmänner waren verschwunden, die Polizisten waren abgezogen. Da waren keine Feuerwehrleute, keine Feuerspritzen. Das ganze Stadtviertel war völlig verlassen. Ich stand an der Ecke Market und Kearny Street – die Straßen waren menschenleer. Fünf oder sechs Querstraßen weiter unten brannte es beiderseits der Straße – die Straße war dort unten eine regelrechte Feuerwand. Und gegen diese Feuerwand sah ich dunkel die Silhouette zweier Kavalleriesoldaten: Sie saßen reglos auf ihren Pferden und sahen dem Feuer zu. Das war alles. Kein Mensch sonst war zu sehen. Im noch intakten Herzen der Stadt saßen zwei Soldaten auf ihren Pferden und sahen dem Feuer zu ... Die Kapitulation war total ... San Francisco hat aufgehört zu existieren.“