wissen.de Artikel
Wie Istanbul vor 570 Jahren islamisch wurde
Konstantinopel hatte seit jeher eine bewegte Geschichte. Gegründet wurde die Stadt am Bosporus im Jahr 658 vor Christus, damals noch unter dem Namen Byzanz. Rund 500 Jahre später war sie Teil des Römischen Reiches. Eine Zerstörung und einen Wiederaufbau später hatte sie sich zu einer bedeutenden und wohlhabenden Metropole entwickelt. Das veranlasste den römischen Kaiser Konstantin im Jahr 330 nach Christus schließlich dazu, sie nach sich selbst zu benennen. Byzanz war fortan Konstantinopel („Konstantins Stadt“) und gleichzeitig die Hauptstadt des Oströmischen beziehungsweise Byzantinischen Reiches.
Der Untergang Konstantinopels
Mehr als 1.000 Jahre lang sollte Konstantinopel diesen erhabenen Status beibehalten. Doch dann kam das Jahr 1453 und alles änderte sich mit dem Angriff des Sultans Mehmed II. Der Herrscher des Osmanischen Reiches wollte das zu Ende bringen, was sein Volk bereits seit Jahrhunderten erfolglos versucht hatte: Konstantinopel einnehmen und ins Osmanische Reich eingliedern. Die Stadt war gleich aus zwei Gründen interessant für den Herrscher. Einerseits teilte sie das Osmanische Reich umständlicherweise in eine europäische und in eine asiatische Seite. Andererseits war Konstantinopel aufgrund seiner Lage an einer Meerenge ein mächtiges, reiches Handelszentrum, das der Sultan auch aus wirtschaftlichen Gründen in seine Gewalt bringen wollte.
Um das Ziel ein für alle Mal zu erreichen, hatte Mehmed II. ein 80.000 Mann starkes Heer hinter sich versammelt, das Anfang April 1453 damit begann, die Stadt zu belagern. Die gewaltigen Mauern und zahlreichen Stadttore und Befestigungstürme Konstantinopels konnten den Osmanen und ihren Kanonen zwar eine Zeitlang standhalten, doch in der Nacht des 29. Mai zwang der Sultan die Stadt schließlich mit einem geschickten Doppelangriff in die Knie. Während sein Heer die landseitigen Mauern attackierte, bedrängte seine Schiffsflotte die Stadt gleichzeitig von der Rückseite. Bis zum Morgengrauen war Konstantinopel gefallen und mit ihr das Byzantinische Reich.
Eine neue Ära
Geschichtsschreibern zufolge mordeten Mehmeds Männer daraufhin hemmungslos in der Stadt und auch der byzantinische Kaiser Konstantinos XI. Palaiologos kam bei den Kämpfen ums Leben. Konstantinopel wurde geplündert und zur Hauptstadt des Osmanischen Reiches erklärt. Die Metropole der christlich-orthodoxen Welt wurde zum Zentrum eines islamisch geprägten Vielvölkerstaates, die einstige Bevölkerung größtenteils vertrieben und ausgetauscht. Klöster und Kirchen wandelten die Eroberer entweder in Moscheen um oder in Trümmerhaufen. Auch die berühmte Hagia Sophia hat ihre Geschichte rund 900 Jahre zuvor als christliches Gotteshaus begonnen, ehe die Osmanen sie zur Moschee machten und mit Minaretten bestückten.
Die neuen Herrscher hatten durch die Eroberung Konstantinopels ihr Reich geeint und bauten ihre Vormacht im Mittelmeerraum daraufhin weiter aus. Doch der Regimewechsel in der umkämpften Stadt hatte noch deutlich weitreichendere Folgen für den Lauf der Geschichte. Einige Historiker sehen in ihm eine Zeitenwende und sogar den Beginn der Renaissance in Europa, den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Denn in der ersten Zeit nach dem Fall Konstantinopels flohen viele Christen, unter ihnen auch zahlreiche Gelehrte, nach Europa. Mit ihnen kam frisches Wissen und damit ein neues Zeitalter.
Wie es mit Konstantinopel weiterging
In Konstantinopel hatte sich die Lage einige Zeit nach der Eroberung wieder beruhigt. Sultan Mehmed II. erlaubte irgendwann sogar allen Christen, weiterhin in den eroberten Gebieten zu leben und ihre Religion auszuüben. Konstantinopel selbst ist seit der Eroberung Mitte des 15. Jahrhunderts in den Händen der Osmanen geblieben. Bis zum Zusammenbruch des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg hatte es auch seine Rolle als Hauptstadt beibehalten. Erst im Jahr 1923, als die heutige Türkei offiziell gegründet wurde, ging dieser Rang auf Ankara über. 1930 erhielt Konstantinopel dann seinen heute geläufigeren Namen Istanbul.